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Küng: Kontemplation schützt vor 'unfruchtbarem Aktivismus'

26. November 2014 in Spirituelles, 4 Lesermeinungen
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St. Pöltner Bischof bei Tagung an Hochschule Heiligenkreuz: Auch Priester und Bischöfe nicht vor Burnout gefeit, aber "große Beter" sind meist auch psychisch robust - UPDATE: Vortrag von Bischof Küng in voller Länge


Wien (kath.net/KAP) Auf die hohe Bedeutung von Kontemplation gerade in der heutigen Zeit hat der St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng hingewiesen. Auch wenn sicher nicht alle Lebenskrisen einfach mit geistlichen Mitteln bewältigt werden können, sei er davon überzeugt, dass Kontemplation einen wichtigen Schutz vor einem "unfruchtbaren Aktionismus" bieten könne. Auch bei einem sehr engagierten beruflichen und anderweitigen Einsatz könne sie die Grundlage dafür bilden, "froh zu sein und froh zu bleiben", sagte Küng am Wochenende bei einer Tagung zum Thema "Kontemplation & Multitasking" an der Hochschule des Stiftes Heiligenkreuz.

Burnout komme in allen Berufsfeldern vor - auch Priester und Bischöfe seien nicht davor gefeit, wies Küng hin. Zugleich sei daran zu erinnern, dass sich unter den "großen Betern" der Christenheit "Menschen mit einer unglaublichen Tatkraft, Krisenfestigkeit und Ausdauer befänden. "Sie hatten eine Quelle, aus der sie schöpften, eine Triebfeder, die ihnen Kraft gab, und ein Prinzip der Selbstreinigung, das zu großem Durchhaltevermögen befähigt", so der Bischof wörtlich.

Ein besonderes Vorbild sei ihm selbst in dieser Hinsicht der Heilige und Opus-Dei-Gründer Josefmaria Escriva. Er sei Pionier einer Spiritualität gewesen, die sich als Kontemplation mitten in der Welt verstehe "und daher für Menschen, die sich einer intensiven beruflichen Arbeit widmen und vielerlei Aufgaben zu erfüllen haben, eine große Hilfe sein kann".

Hohe Bedeutung maß Bischof Küng auch der Betrachtung der Natur zu, um innere Ruhe zu erlangen und womöglich einen Weg zu Gott einzuschlagen. Buchstäblich auf diesen Weg machten sich auch viele, die Anteil an der stark zunehmenden Pilgerbewegung der letzten Jahrzehnte hätten. Dabei gebe es "sicher auch viel Modehaftes", und doch seien viele Wallfahrer "von einer großen Sehnsucht motiviert", sei ihr Aufbruch von Anfang an verbunden mit dem Wunsch, sich Gott zuzuwenden, andere Male erwache dieser Wunsch allmählich.

Sorge über Esoterik auch im Kirchenbereich

"Mit Sorge" beobachte er jedoch - so Küng -, "wie sehr esoterisches Gedankengut und esoterische Praktiken verbreitet sind, leider oft auch in katholischen Bildungshäusern". Das könne "in geistige Sackgassen führen" und Probleme beim Bemühen um Klarheit und bei der Suche nach Neuorientierung bereiten, warnte er.

Kontemplation sei nicht bloß ein "Schutz vor einem schädlichen, manchmal tödlichen Aktivismus", hielt Bischof Küng abschließend fest: "Kontemplation verteidigt und erkämpft sich die Freiheit einer bewussten, an der Wahrheit ausgerichteten Lebensgestaltung. Sie richtet den Blick auf den, der trägt und Kraft gibt." Letztlich werde durch gelebte Kontemplation "das, was wahre Liebe ist, geweckt". Wichtig sei dabei regelmäßiges, möglichst tägliches Innehalten, "Ehrlichkeit vor Gott und sich selbst", für Gläubige sehr hilfreich seien die Sakramente der Kirche und geistliche Begleitung.

An der Fachtagung "Kontemplation & Multitasking" am Samstag an der Hochschule Heiligenkreuz nahmen u.a. auch die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, die Psychotherapeutin Rotraud Perner, und der Psychiater Raphael Bonelli teil.

Copyright 2014 Katholische Presseagentur, Wien, Österreich
Alle Rechte vorbehalten.

kath.net dokumentiert den Vortrag „Kontemplation mitten in der Welt versus Aktionismus“ des St. Pöltner Diözesanbischofs Klaus Küng in Stift Heiligenkreuz, 22. November 2014, in voller Länge:

Das Beispiel der Heiligen

Wenn wir die Liste der großen Heiligen der Kirche durchgehen, stoßen wir auf viele, die einerseits gekennzeichnet sind durch unglaubliche Tatkraft, andererseits durch große Liebenswürdigkeit und inneren Frieden.

Eine Katharina von Siena lebt als junges Mädchen zunächst einige Jahre – zum großen Ärger ihres Vaters – total zurückgezogen in ihrer Kammer, dann wird sie plötzlich aktiv und widmet sich den Armen, später entfaltet sie eine unglaubliche Aktivität, die sie mit großer Leidenschaft vorantreibt und bleibt doch ganz mit Gott verbunden. Sie konnte sieben Sekretären gleichzeitig Briefe diktieren.

Ein anderes beeindruckendes Beispiel ist Theresia von Avila, die große Lehrmeisterin des inneren Gebetes. Auch sie konnte eine äußerst intensive Tätigkeit entfalten mit ihren Klostergründungen, dem beeindruckenden Schriftverkehr und den vielen Auseinandersetzungen, denen sie sich stellen musste.

Ein weiteres Beispiel ist Karl Borromäus, dem großen, konsequenten Kirchenreformer. Ihn charakterisieren Durchblick und seine Entschlossenheit und seine außerordentliche Effizienz. Zugleich ist er tief in Gott verwurzelt.

Alle diese aufgezählten Heiligen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Quelle besaßen, aus der sie schöpfen konnten und die ihre Wirksamkeit steigerte.

Es könnte eine lange Liste zusammengestellt werden. Wir stoßen dabei auch auf Heilige unserer Zeit, bei denen Innerlichkeit und Wirksamkeit die beiden Seiten einer Medaille sind. Besonders hervorheben möchte ich unter den zeitgenössischen Heiligen Charles de Foucauld, Madeleine Delbrêl und den hl. Josefmaría Escrivá. Insbesondere der zuletzt Genannte war der Pionier einer Spiritualität, die sich als Kontemplation mitten in der Welt versteht und daher für Menschen, die sich einer intensiven beruflichen Arbeit widmen und vielerlei Aufgaben zu erfüllen haben, eine große Hilfe sein kann, inspirierend wirkt, um Probleme wie die der Mehrfachbelastung konstruktiv anzugehen bzw. einen Weg zu finden, der die geistige und körperliche Gesundheit ermöglicht.

Zunächst eine Frage: Sind Heilige vor Burnout geschützt?

Das wage ich nicht zu bejahen. Sicher ist, dass auch Heilige manchmal in Krisen geraten. Ein Beispiel ist der hl. Maximilian Kolbe, der eine Zeitlang sehr, ja fast extrem unter Ängstlichkeit und Skrupelhaftigkeit gelitten hat. Auch bei der großen Theresia von Avila, dieser starken Frau mit dem beeindruckenden Hausverstand, gab es eine Phase, in der sie eine lähmende Unsicherheit erfasste. Es war die Zeit, als Johannes von Kreuz von seinen Mitbrüdern gefangen gehalten wurde. Die Heiligen haben solche Krisen mit der Hilfe des Herrn, wohl auch mit Inanspruchnahme geistlicher Begleitung überwinden können.


Können alle Lebenskrisen einfach mit geistlichen Mitteln bewältigt werden? Das will ich ganz sicher nicht behaupten. Wohl aber bin ich davon überzeugt, dass Kontemplation mitten in der Welt einen wichtigen Schutz vor einem unfruchtbaren Aktionismus vermittelt und helfen kann, auch bei einem sehr engagierten beruflichen und anderweitigen Einsatz froh zu sein und froh zu bleiben.

Zwei grundsätzliche Themen möchte ich voranstellen:

1) Die Bedeutung der Freiheit (es braucht eine ganzheitliche Sicht)

Im Zusammenhang mit dem Gedenken an den Fall der Berliner Mauer vor 25 Jahren bin ich erneut auf die prophetische Rede gestoßen, die der hl. Papst Johannes Paul II. bei seinem Deutschlandbesuch vor dem Brandenburger Tor gehalten hat. Er sprach von der Bedeutung der Freiheit. Er sagte damals: „Freiheit bedeutet nicht das Recht zur Beliebigkeit. Wer aus der Freiheit einen Freibrief macht, hat der Freiheit bereits den Todesstoß versetzt.“ Der freie Mensch, sei vielmehr der Wahrheit verpflichtet, sonst habe seine Freiheit keinen festeren Bestand als ein schöner Traum, der beim Erwachen zerbricht. Er fügte hinzu: „Der Mensch verdankt sich nicht selbst, sondern ist Geschöpf Gottes, er ist nicht Herr über sein Leben und über das der anderen; er ist – will er in Wahrheit ein Mensch sein – ein Hörender und Horchender: Seine freie Schaffenskraft wird sich nur dann wirksam und dauerhaft entfalten, wenn sie auf der Wahrheit, die dem Menschen vorgegeben ist, als dem unzerbrechlichen Fundament gründet. Dann wird der Mensch sich verwirklichen, ja über sich hinauswachsen können.“ Und er fasste zusammen: „Es gibt keine Freiheit ohne Wahrheit“. Danach führte dann der Papst noch näher aus, dass die Freiheit ein überaus kostbares Gut sei, das einen hohen Preis verlangt. Wörtlich sagte er: „Sie verlangt Hochherzigkeit, und diese schließt Opferbereitschaft mit ein; sie verlangt Wachsamkeit und Mut gegenüber den Kräften, die sie von innen und außen bedrohen.“ Der Papst schloss den Gedankengang mit den Worten: „Keiner kann sich von seiner persönlichen Verantwortung für die Freiheit dispensieren. Es gibt keine Freiheit ohne Opfer.“ Es sind dies meines Erachtens sehr wichtige Erwägungen, denen im Bemühen um eine „vernünftige Lebensgestaltung“, auch in den Hilfestellungen große Bedeutung zukommt.

Diese Erwägungen möchte ich noch durch einige Gedanken des hl. Josefmaría Escrivá ergänzen. Ihm war die Freiheit ein Herzensanliegen. Er betrachtete sie als Gottesgeschenk. Denn sie befähigt den Menschen, in aller Freiheit das Gute zu tun, sich an Gott, an eine bestimmte Aufgabe, für andere hinzugeben. Die Freiheit ist die Voraussetzung, lieben zu können. Auch Josefmaría Escrivá betont, dass sie „Kampf“ voraussetzt und Wachsamkeit. „Denn oft“ – so sagt er wörtlich – „verbirgt sich hinter dem traurigen Ruf ‚Freiheit, Freiheit!‘ eine tragische Knechtschaft; denn sich für den Irrtum entscheiden befreit nicht; der einzige, der wirklich frei macht, ist Christus, denn nur er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ (Freunde Gottes 26)

Dies scheint mir eine wichtige Präambel. Eine zweite möchte ich hinzufügen:

2) Die Einheit des Lebens

Im II. Vatikanischen Konzil wurde dieses Thema im Dekret über den Dienst und das Leben der Priester ziemlich ausführlich behandelt. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass Priester in unserer Zeit eine Fülle von Aufgaben wahrnehmen müssen, so sehr, dass sie Gefahr laufen, sich zu verzetteln (PO 14,1). „Die Presbyter (aber) können, in die sehr vielen Verpflichtungen ihres Amtes verstrickt und von ihnen hin- und hergezogen, nicht ohne Ängstlichkeit fragen, wie sie mit der äußeren Handlungsweise ihr inneres Leben in Einklang zu bringen vermögen. Diese Einheit des Lebens kann weder eine äußere Ordnung (Einteilung der Arbeit) noch allein die Praxis der Frömmigkeitsübungen bewirken“ (ebenda). Es werden dann einige Leitlinien angegeben: Wichtig sei, dass sie sich – im Wunsch, den Willen Gottes zu erfüllen – in allem, was sie tun, mit Christus, dem guten Hirten verbinden und in dieser Haltung ihren Dienst verrichten. So erlangen sie die Einheit des Lebens. Es werden auch die wesentlichen Quellen angeführt, aus denen sie Kraft schöpfen: Die Feier der Eucharistie, sie ist Zentrum und Wurzel des priesterlichen Lebens. Das Gebet wird besonders genannt, in dem der Priester selbst in das Mysterium Christi immer tiefer eindringt. Es wird weiters empfohlen, dass sie bei allem, was sie tun, prüfen sollen, „was der Wille Gottes ist“ (PO 14,3). Viel Wesentliches wird hier gesagt.

Der hl. Josefmaría Escrivá hat verdeutlicht, dass diese Einheit des Lebens selbstverständlich bei jedem Menschen (nicht nur für Priester) wichtig ist. Sie ist eine Voraussetzung für die innere Zufriedenheit, auch für die Wirksamkeit. Auch das scheint mir grundlegend für das Thema, mit dem sich diese Tagung beschäftigt hat.

Wie können wir uns die nötige innere Freiheit sichern? Was können wir anderen raten, damit sie den Weg finden, um mit einer gewissen Eigenständigkeit den Weg zu finden, das zu tun oder zu lassen, was sie vor Gott als richtig erkannt haben. Was kann man tun, damit man nicht zum Gefangenen verschiedener Gegebenheiten wird, sich in Unwesentlichem verliert oder Gefahr läuft, den Kopf in den Sand zu stecken, indem man sich bestimmten Aktivitäten unaufhörlich widmet, total beschäftigt ist, aber das Wesentliche, vielleicht sogar unbedingt Notwendige zu kurz kommt? Außerdem ist es zumindest langfristig erforderlich so zu leben und zu arbeiten, dass man auch atmen kann. Wie können wir jene Einheit des Lebens erlangen, die unser Leben sinnvoll und fruchtbar macht.

Ich möchte nun versuchen, einige Punkte aufzuzeigen, die mir wichtig scheinen. Als Grundlage dient mir dabei das Vorbild der Heiligen, was beim ersten Hinhören übertrieben klingen mag; in ihrem Leben findet sich jedoch Weisheit (zudem die Botschaft des Evangeliums). Für mich persönlich war (und ist) die Spiritualität des Opus Die von großer Bedeutung. Sein Gründer, der hl. Josefmaria Escrivá, verstand die Berufung zum Opus Die als Weg zur Beschaulichkeit mitten in der Welt. Er hatte eine Vorliebe für die großen kontemplativen Heiligen, besonders für die hl. Theresia von Ávila und für Johannes von Kreuz, auch Theresia von Lisieux hat er sehr gerne gehabt. Das Leben und die Schriften dieser Heiligen haben ihn inspiriert. Freilich sein Anliegen waren Männer und Frauen, die einem Beruf nachgehen, die verheiratet sind oder auch unverheiratet, jedenfalls wie Licht und Salz in der Gesellschaft sind. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass gerade diese Art der Spiritualität, die Josefmaria Escrivá ab dem 2. Oktober 1928 bis zu seinem Tod unermüdlich verkündete, für die Menschen heute und morgen eine große Hilfe sein kann, um in den Gegebenheiten unserer Zeit als Christ leben und wirken zu können.

Die Regel des hl. Benedikt

Als Erstes möchte ich die Regel des hl. Benedikt „Ora et Labora“ erwähnen. Diese Devise „ora et labora“ hat in irgendeiner Form für jeden Menschen Bedeutung. Sie ist aus den Erfahrungen der frühchristlichen Wüstenväter hervorgegangen. Jene, die sich in die Wüste zurückzogen, um die Welt zu verlassen und sich mit aller Konsequenz Gott zuzuwenden, machten sehr bald die Erfahrung, dass eine gewisse Tätigkeit angebracht ist, nicht nur, um überleben zu können, sondern auch als Ausgleich und zur Bewahrung des Seelenfriedens. Umgekehrt fühlten die in der Verkündigung oder/und im Bereich der christlichen Nächstenliebe Tätigen die Notwendigkeit des regelmäßigen Rückzugs in die Einsamkeit der Zelle. Eines der berühmtesten Beispiele ist Augustinus, der in Gemeinschaft mit anderen eine eigene Regel entwickelte, die für viele Gemeinschaften bis auf den heutigen Tag zur großen Hilfe wurde, um zu erreichen, dass die eigene Seele Tag für Tag genährt und bestärkt wird und die Gemeinschaft für alle, die seelsorglich tätig sind, einen Rückhalt bildet. Beeindruckend ist z. B. auch das Leben eines hl. Severin oder eines hl. Columban oder eines hl. Martin: Sie alle waren intensiv als Verkünder, als Glaubensboten im Einsatz, zum Teil unter schwierigsten Bedingungen und über viele Jahre. Der Rückzug in ein Kloster, manchmal auch für längere Zeit, gab ihnen große Kraft und zugleich Durchhaltevermögen.

Für den Gründer des Opus Dei war die Pflege des Gebetes, insbesondere des betrachtenden Gebetes zusammen mit der täglichen Feier der Eucharistie von zentraler Bedeutung. So heißt es im Büchlein „Der Weg“: „Et in meditatione mea exardescit ignis. ‚Wenn ich betrachte, beginnt ein Feuer zu lodern.‘ – das ist der Sinn deines Gebetes: Ein Feuer zu werden, lebendiges Glühen, das Wärme und Licht verbreitet …“ (Nr. 92/1).
In diesem Bemühen um Ausgewogenheit zwischen den beiden Aspekten – Aktion und Kontemplation – handelt es sich um eine komplexe Wirklichkeit:

- Immer geht es um ein Innehalten und Nachdenken.
- Beim Glaubenden ist dieses Nachdenken charakterisiert durch die Worte des Psalms: „Ad te, Domine, levavi animam meam.“

Es ist ein Hingehen zu Gott, ein Stillwerden mit Gott mit heilender Wirkung. Es bewirkt inneren Abstand, lässt die Dinge in einem neuen Licht sehen, intendiert eine Objektivierung mit dem Blick auf Gott, auch wenn das nicht immer gelingt, weil die Abwehrmechanismen in unserem Inneren stark sein können, bzw. weil wir dafür blind sind, nicht selten auch taub, uns nichts sagen lassen. Vor allem verändert das Stillwerden vor Gott, Gebet, den Blick und die Blickrichtung. Oft führt es zu einer neuerlichen Verwurzelung in dem, was trägt, was Halt gibt, Hoffnung vermittelt. Nochmals ein kurzes Zitat aus dem Weg: „Du hast mir geschrieben: ‚Beten ist Sprechen mit Gott. Aber wovon?‘ – Wovon? Von Ihm und von dir, von Freude und Kummer, von Erfolgen und Misserfolgen, von hohen Zielen und alltäglichen Sorgen … von deinen Schwächen! Danksagungen und Bitten. Lieben und Sühnen. Kurz, ihn erkennen und dich erkennen: Beisammen sein!“ (Weg 91).

Die Natur

Für viele Menschen ist die Betrachtung der Natur sehr hilfreich, um die Perspektive zu verändern, wenn nötig eine neue Grundordnung herzustellen und von neuem innere Ruhe zu erlangen. Das kann auch ein richtiger Weg zu Gott sein.

Der Pflege des Gebetes, der Besinnlichkeit kommt ohne Zweifel eine zentrale Bedeutung zu. Es muss geübt, erlernt werden. Und manchmal ist es notwendig, ganz von vorne zu beginnen, es von neuem zu versuchen.

Ich verstehe, dass nicht jedem dieser Zugang gegeben ist, würde es aber jedem wünschen. Ich kann nicht verbergen, dass ich mit Sorge beobachte, wie sehr esoterisches Gedankengut und esoterische Praktiken verbreitet sind, leider oft auch in katholischen Bildungshäusern angeboten werden. Das kann in geistige Sackgassen führen, zur Schwierigkeit werden bei der Bemühung um Klarheit und bei der Suche um eine Neuorientierung, die vielleicht notwendig geworden ist.

- Es gibt einen Zusammenhang zwischen Kontemplation und Aktion (bzw. sollte es so sein)

Katharina von Siena lernte, als sie, auf Weisung des Herrn, anfing, tätig zu werden, in ihrem Herzen eine unsichtbare Zelle zu errichten, in der sie Zuflucht fand. Bei Josefmaría war etwas Ähnliches das Bewusstsein, in der Gegenwart Gottes zu leben. So schreibt er im Weg: „Lebe in der Gegenwart Gottes, und du lebst übernatürliches Leben“ (278).

Bei der hl. Teresia von Avila finden wir die Darstellung des geistlichen Lebens anhand der Seelenburg mit ihren verschiedenen Wohnungen, die zu durchqueren sind, um zu jenem Vorraum zu gelangen, dessen Tor zu Ihm führt, der im Innersten der Burg in geheimnisvoller Weise seine Herrschaft ausübt. Wunderbar sind auch ihre Darlegungen über den Garten, dessen Erde mit lebendigem Wasser getränkt wird, der dadurch eine ganz neue Fruchtbarkeit empfängt

- Wahres Gebet verändert immer des Leben

Das Gebet verändert immer das Leben. Von der hl. Elisabeth von Thüringen wird berichtet, dass sie manchmal vom Gebet richtig strahlend zurückkam, gestärkt, um sich erneut ihren Kranken und Ärmsten zuzuwenden. Ähnliches wird in Bezug auf den hl. Vinzenz von Paul bezeugt, der ebenfalls durch die Begegnung mit Christus in der Eucharistie innerlich entflammt wurde, um zu predigen – er predigte viel für Priester – und um sich den Kranken und Armen zuzuwenden, die sein großes Anliegen waren.

Wahres Gebet wird auch häufig eine Neuorientierung auslösen, bewirken, dass eine Einsicht zu erwachen und dann manchmal plötzlich andere Male allmählich ein Entschluss zu reifen beginnt, manchmal in einem bestimmten Zusammenhang im Herzen Reue aufsteigt, die ausschlaggebende Voraussetzung für Versöhnung mit Gott, mit sich selbst, oft auch mit den anderen.

Es ist gut zu bedenken, was auch das II. Vatikanische Konzil gelehrt hat: Jede (schwere) Sünde führt zu einem Bruch mit dem, der uns erschaffen hat, ruft eine Ruptur in unserer Seele hervor und hat fast immer auch eine soziale Komponente, d.h. sie wirkt sich auch auf unsere Beziehung zu den anderen aus.

- Die Aussprache

Damit kommen wir zu einem anderen wichtigen Punkt: Das Hingehen zu Gott führt beim ehrlich Suchenden früher oder später immer zu Einsichten und Erkenntnissen, zur Wahrnehmung, dass manche Sorgen und Ängste falsch sind oder dass etwas da ist, was einer echten Verbundenheit mit Gott, vielleicht auch dem Miteinander in der Familie oder am Arbeitsplatz und dem Frieden mit sich selbst im Weg steht. Für die innere Gesundheit sind von größter Bedeutung Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit vor Gott, vor sich selbst und in der Regel immer auch vor jemandem, zu dem man Vertrauen hat. Oft zieht schon allein dadurch, dass ein Problem dort, wo es hingehört, offen benannt wird, in der Seele Friede und Freude ein. Und oft bewirkt das Eingeständnis von Fehlern und Versöhnung, dass man innerlich wie neu wird.

Viele Menschen, vielleicht passiert das in manchen Situationen fast jedem- tun sich schwer in diesem Erkennen, Eingestehen und Bekennen dieser Wirklichkeit.

- Ein uraltes Mittel

In manchen Situationen ist eine längere Zeit zur Besinnung nötig, um Abstand zu erlangen, um Gott, sich selbst, das Wesentliche von neuem zu finden. Deshalb die Tradition jährlicher Besinnungstage und Exerzitien.

Die Pilgerbewegung

Interessant ist die Zunahme der Pilgerbewegung in den letzten Jahrzehnten. Das Phänomen des Jakobsweges verdient m.E. besondere Beachtung. Es gibt dabei sicher auch viel Modehaftes und doch sind wahrscheinlich viele jener, die lange Strecken zu Fuß auf sich nehmen, Menschen, die entweder unter manchem, das sie erlitten haben, leiden und nach einem Weg suchen oder sie sind von einer großen Sehnsucht motiviert. Oft ist der Aufbruch zur Pilgerschaft von Anfang an verbunden mit dem Wunsch, sich Gott zuzuwenden, andere Male erwacht dieser Wunsch allmählich. Es ist geradezu charakteristisch für den Jakobsweg, dass Pilger, die oft ganz allein oder in kleinen Gruppen unterwegs sind, unterwegs Kontakte knüpfen. Man beginnt zu reden, schweigt dann wieder, wobei jeder der Pilgernden selbst bestimmt, wann er sich anderen zuwendet oder wieder lieber in-sich-geht. Jedenfalls empfinden viele dieser Pilger, sobald sie das Ziel erreichen, den Wunsch nach einer gründlichen Aussprache, die nicht selten in eine echte Lebensbeichte mündet. Vieles erinnert an das berühmte Buch „Die aufrichtigen Erzählungen eines russischen Pilgers“, dessen Autor nicht bekannt ist, das aber die orthodoxe Kirche im 19. Jahrhundert stark beeinflusst hat, in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch bei uns sehr bekannt geworden ist. Die Pilgerbewegung ist ein Zeichen unserer Zeit.
Ich möchte noch auf einen anderen Aspekt hinweisen:

Die Haltung der Gotteskindschaft

Josefmaría Escrivá, der eine große Liebe zum Bußsakrament empfand, hat die Haltung der Gotteskindschaft gelehrt, die dazu führt, dass beim Erfahren der eigenen Schwachheit und allen Schwierigkeiten Gott sofort voll Vertrauen gesucht wird, um rasch wieder den Frieden und Mut zu einem Neuanfang zu haben.

In dieser Haltung entsteht das Bewusstsein, dass Gott uns so ruft, wie wir sind, mit unseren Fähigkeiten und Schwächen, auch im Zusammenhang mit unseren Aufgaben, den großen und kleinen Pflichten des Alltags, in den Umständen und Verhältnissen, in denen wir auf Grund unserer eigenen Entscheidungen, aber auch durch die Fügung in Gott leben. Es entsteht das Bewusstsein, dass Gott jeden ruft, nicht nur besonders Begnadete und besonders Erwählte. Da öffnet sich ein Weg, der für jeden gangbar ist, denn Gott ist ein Vater, der verzeiht. Und der sogar seinen Sohn in die Welt gesandt hat, damit er uns befreit, heimführt, heil, gesundmacht.

Ich komme zum Abschluss.

Kontemplation ist nicht bloß ein Schutz vor einem schädlichen, manchmal tödlichen Aktivismus. Kontemplation verteidigt und erkämpft sich die Freiheit einer bewussten, an der Wahrheit ausgerichteten Lebensgestaltung. Sie richtet den Blick auf den, der trägt und Kraft gibt. Sie weitet den Horizont und weist zum eigentlichen Ziel hin. Sie korrigiert und führt zurück auf den Weg, wenn man ihn verloren hat. Sie heilt auch. Letztlich wird durch gelebte Kontemplation das, was wahre Liebe ist, geweckt. Und das ist die Quintessenz, um alles, was wir tun, auch was wir erleiden, in etwas Wertvolles zu verwandeln und dem Leben Erfüllung vermittelt.

Wichtig ist dabei regelmäßig Innehalten; möglichst täglich manchmal auch längere Zeit. Ehrlichkeit vor Gott und sich selbst. Und wenn jemand Zugang im Glauben hat, sind die Sakramente der Kirche und geistliche Begleitung sehr hilfreich. All das führt zu einem beharrlichen Bemühen, das zur inneren Freiheit und zur Einheit des Lebens führt.


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Lesermeinungen

 Paddel 27. November 2014 

Die Kontemplation der Eheleute

Es mag provozierend klingen, aber für Ehepaare ist das tgl. gemeinsame (!) Gebet ebenso überlebensnotwendig sowie die tgl. Zeit einander zärtlich zu begegnen.
Bevor ich geheiratet habe, hörte ich den Satz:" Der Austausch von Zärtlichkeiten zwischen den Paaren ist Gebet." Das war für mich unmöglich zu verstehen. Seit der Theologie des Leibes eröffneten sich mir ganz neue Wege. Ja, wir schauen im Leib Gott an!! Und es ist für das Ehepaar wichtig gemeinsam zu beten, Eucharistie zu feiern, vor dem Tabernakel auszuruhen, wie so oft wie möglich (am besten tgl.) sich auch Zeit füreinander zu schenken. Das zusammen befruchtet den Alltag unglaublich. So haben Ehepaare die doppelte Aufgabe der Kontemplation. Gemeinsam vor Gott und im Austausch untereinander. Das ist sakramental, genauso wie der euch. Herrn im Tabernakel. P.J.K bezeichnet den Leib als "Dreifaltigkeitskirchlein". So wird auch die Sexualtiät zwischen den Paaren fruchtbar für die Tatkraft im Alltag und die Ehe bleibt gesund.


4
 
 gebsy 26. November 2014 

Gebet + Gebet + Gebet

Diese Worte können nur aus dem Erleben geschöpft werden.
Eine Situation Gott anzuvertrauen bedarf des Vertrauensvorschusses, aus dem das Gebet genährt wird.
Im Dialog erkannte Lösung bedarf neuerlich des Gebetes, um nicht klein beizugeben.
Als Krönung kann das Dankgebet gesehen werden, das in den Lobpreis mündet ...


3
 
 Schimmelreiter 26. November 2014 

Nachlese

Gibt es dazu eigentlich einen Tagungsband, wo man das alles nachlesen kann, besonders die, die nicht da waren? Würde mich sehr interessieren.


2
 
 horologius 26. November 2014 
 

Sehr gut!

Es müßte viel mehr bekannt gemacht werden, daß gerade das Christentum eine starke (und unverzichtbare!!) kontemplative Seite hat. Ich spreche ungern von "Meditation", da dieses Wort mittlerweile einen unguten Beigeschmack hat.... Bischof Küng hat auch erkannt, daß in den sogenannten Bildungshäusern viel esoterischer Unsinn (teilweise auch gefährlicher!) angeboten wird.
Kontemplation ist kein ganz einfacher Weg, aber einer, der sich wirklich lohnt!!


6
 

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