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Lord Acton als Vordenker der Entweltlichung

17. August 2015 in Chronik, keine Lesermeinung
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„Die Verweltlichung der Kirche und andere Freiheitsberaubungen“ – Alexander Dörrbecker referierte über den bedeutenden und umstrittenen katholischen Denker Lord Acton (1834-1902). Gastbeitrag von Dr. Tobias Klein


Berlin (kath.net) Das 2003 als Gesellschaft päpstlichen Rechts gegründete Institut St. Philipp Neri (ISPN), das seit 2004 im St.-Afra-Stift im Berliner Stadtteil Gesundbrunnen ansässig ist, beschreibt sich selbst als „katholische Oase“ im säkularistischen Klima der deutschen Hauptstadt: Hier wird mehrmals täglich die Heilige Messe in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus zelebriert, hier werden an der hauseigenen Baronius-Akademie Priesteramtskandidaten ausgebildet, und in loser Folge finden hier Buchvorstellungen, Lesungen und Vorträge zu katholischen Themen statt. In der ersten Augustwoche referierte Dr. Alexander Dörrbecker auf Einladung des vom Berliner CDU-Politiker Stefan Friedrich geleiteten „Colloquium Catholicum“ im ISPN über Leben und Werk des heute zumindest in Deutschland weitgehend in Vergessenheit geratenen katholischen Publizisten und Historikers Lord Acton. Dr. Dörrbecker, Referatsleiter im Bundesministerium für Justiz, gehört zusammen mit den beiden Professoren Martin Rhonheimer und Gerd Habermann sowie Frank Schäffler, Norbert Tofall, Stefan Friedrich und einigen anderen mehr zu den Gründungsmitgliedern des elitären, freiheitlich-katholischen Lord-Acton-Kreises. Zudem hat Dörrbecker 2010 ein Lord-Acton-Brevier mit dem Titel „Geschichte und Freiheit“ herausgegeben, für das er mehrere Texte Actons erstmals ins Deutsche übersetzte.

John Emerich Edward Dalberg-Acton wurde am 10.01.1834 in Neapel geboren, wo sein Großvater, Sir John Acton, sich 1779 niedergelassen und es bis zum Premierminister des Königreichs Neapel gebracht hatte. Im Alter von drei Jahren verlor Acton seinen Vater; seine Mutter zog daraufhin mit ihm auf die Familiengüter im westenglischen Shropshire und heiratete 1840 den liberalen Politiker Lord Leveson-Gower (später Earl of Granville), der 1870 britischer Außenminister wurde. Da Acton aufgrund seiner katholischen Konfession eine akademische Laufbahn in England verwehrt war, betrieb er seine Studien größtenteils im Ausland; er beherrschte zahlreiche Sprachen, reiste viel und lernte einige der bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit kennen. Ab 1850 lebte er in München bei dem Theologen, Kirchenhistoriker und späteren Mitbegründer der Altkatholische Kirche Ignaz Döllinger, mit dem er eine lebenslange Freundschaft schloss. 1859 kehrte Acton auf seine Güter in Shropshire zurück, wurde für den irischen Wahlkreis Carlow ins britische Unterhaus gewählt und unterstützte den liberalen Parteiführer Gladstone, der sich, im Gegensatz zu seinem konservativen Antipoden Disraeli, für die Rechte religiöser Minderheiten, darunter auch der Katholiken, stark machte. Besonders aktiv war Acton als Parlamentarier jedoch nicht; sein Hauptinteresse galt der historischen Forschung und der publizistischen Tätigkeit.

So übernahm er 1859 von dem späteren Kardinal John Henry Newman die Schriftleitung der katholischen Monatszeitschrift „The Rambler“, die er 1862 in der Quartalszeitschrift „Home and Foreign Review“ aufgehen ließ; er geriet jedoch bald mit dem Vatikan in Konflikt, vor allem wegen seiner kritischen Haltung gegenüber der weltlichen Macht des Papsttums. Er sprach sich auch gegen die 1870 vom I. Vatikanischen Konzil verkündete Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit aus; im Unterschied zu seinem Freund Döllinger blieb er aber dennoch auch nach dem Konzil der Katholischen Kirche treu – was er mit der Aussage begründete, seine Verbundenheit mit der Kirche bedeute ihm mehr als sein Leben.


1865 hatte Acton die bayerische Gräfin Maria Arco-Valley geheiratet; aus der Ehe gingen zwei Kinder, ein Sohn und eine Tochter, hervor. 1869 wurde er zum Baron ernannt und erhielt dadurch einen Sitz im Oberhaus. 1872 wurde er Ehrendoktor für Philosophie an der Universität München, 1895 Professor an der Universität Cambridge, die ihn 45 Jahre zuvor wegen seines katholischen Bekenntnisses als Studenten abgewiesen hatte. 1892 war er für einen Ministerposten im vierten Kabinett seines Freundes und Förderers Gladstone im Gespräch. Am 19.06.1902 starb John Emerich Edward Dalberg-Acton in der Villa Arco am Tegernsee.

Die zentrale Kategorie von Lord Actons Denken war, so Dörrbecker, der Begriff der Freiheit – den er jedoch in engem Zusammenhang mit „Selbstbeherrschung und Selbstverleugnung“ sah. Die Freiheit sei weniger ein Recht als vielmehr eine Pflicht des Menschen: „Rechte kann man abtreten, Pflichten jedoch nicht“. Acton war überzeugt, dass im Interesse der Freiheit jeglicher Autorität gewisse Grenzen gesetzt werden müssten; berühmt geworden ist sein Ausspruch „Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut.“ Dieselbe Skepsis gegenüber der Macht spricht auch aus einem anderen Acton-Zitat: „Große Männer waren fast immer schlechte Menschen.“ Ein großes Maß an Freiheit, wie er sie verstand, sah Acton in der Verfassung der USA verwirklicht, während er der Französischen Revolution ankreidete, in ihrem Verlauf sei die „Hoffnung auf Freiheit“ einem „Gleichheitswahn“ geopfert worden: „Frankreich war nur revolutionär und blieb darin stecken; Amerika war zunächst revolutionär und wurde dann konservativ.“

Mit Blick auf die Geschichte urteilte Acton, schon in der Antike habe der Staat sich zu viel Autorität angemaßt, im Mittelalter habe er tendenziell eher zu wenig Macht gehabt; moderne Staaten neigten dazu, bald in das eine, bald in das andere Extrem zu verfallen. Hingegen hob er es als einen Vorzug des christlichen Mittelalters hervor, dass die Autorität der Kirche ein starkes Gegengewicht zur staatlichen Macht gebildet habe: Dieses (wenn auch vielfach umstrittene) Gleichgewicht der Kräfte habe laut Actons Einschätzung ein höheres Maß an Freiheit gewährleistet, als er es in seiner Gegenwart wahrnahm.

Vor diesem Hintergrund übte Acton auch scharfe Kritik an den protestantischen Reformatoren, insbesondere an Martin Luther. Die Reformation habe das Kräftegleichgewicht zwischen Kirche und Staat zerstört: Die Abwendung vom Papsttum sei mit einer Anbiederung an die weltlichen Machthaber einhergegangen, die in den nun protestantisch gewordenen Ländern zu einem „religiösen Despotismus“ geführt habe. Symptomatisch dafür sei es, dass Luther dem hessischen Landgrafen Philipp I. aus Gründen der Staatsräson die Bigamie gestattet habe, was die öffentliche Moral nachhaltig geschädigt habe. Auch mit Luthers Judenhass ging Acton scharf ins Gericht.

Doch auch die Katholische Kirche blieb von Lord Actons Kritik an der zu engen Verflechtung von geistlicher und weltlicher Autorität nicht verschont. So tadelte er den zeitgenössischen Ultramontanismus und schrieb 1862, der Verlust fast des gesamten Territoriums des Kirchenstaates (bis auf Rom und das unmittelbare Umland) an das neu gegründete Königreich Italien sei in geistlicher Hinsicht eher als Gewinn zu betrachten. Diese Äußerung brachte ihn in Konflikt mit der kirchlichen Hierarchie; in der historischen Rückschau kann man jedoch feststellen, dass sie bereits auf die Freiburger Konzerthausrede Benedikts XVI. vom 25.09.2011 vorausweist, in der der jetzt emeritierte Papst erklärte: „Die von materiellen und politischen Lasten und Privilegien befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein.“ Aus dieser Perspektive erscheint Lord Acton geradezu als ein Vordenker der von Benedikt XVI. geforderten „Entweltlichung“ – die für Acton auch umgekehrt beinhaltete, der Staat solle sich aus internen Angelegenheiten der Kirche heraushalten: Ein Staat habe nicht das Recht, seine Organisationsformen anderen, nichtstaatlichen Institutionen aufzuzwingen.

Welche Aktualität und Brisanz Lord Actons Thesen zum Verhältnis zwischen Staat und Kirche auch – oder gerade – heute besitzen, wurde in der anschließenden Publikumsdiskussion deutlich; gerade in Deutschland besteht schließlich – etwa in Gestalt historisch bedingter Staatsleistungen, aber auch durch staatliche Subventionen für kirchliche Einrichtungen, den staatlichen Einzug der Kirchensteuer oder das (zumindest theoretische) Mitspracherecht der Bundesländer bei der Besetzung der Bischofsstühle – ein Maß an Verflechtung von Staat und Kirche, das ein Lord Acton schwerlich gutgeheißen hätte. Zwar ist das Verhältnis zwischen Staat und Kirche in Deutschland durch Verträge geregelt, die – der Intention nach – „zum beiderseitigen Nutzen“ geschlossen wurden; mit Lord Acton könnte man allerdings die Frage aufwerfen, ob dieser Nutzen für die Kirche nicht lediglich ein „weltlicher“ sei, der ihrem eigentlichen, geistlichen Auftrag von Fall zu Fall womöglich eher im Wege steht. Wie die Diskussion im Anschluss an Dr. Dörrbeckers Vortrag deutlich machte, berührt diese Frage eine ganze Reihe von aktuellen Konfliktfeldern im Verhältnis zwischen Kirche und Staat – von A wie Arbeitsrecht bis Z wie Zivilehe.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen über die so genannte „Ehe für alle“ rückte besonders die Frage nach der Haltung der Kirche zur zivilrechtlichen Ehe in den Blickpunkt der Publikumsdiskussion. Die flächendeckende Einführung der Zivilehe in Deutschland erfolgte zu Lord Actons Lebzeiten mit dem „Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung“ von 1875; dieses Gesetz war Teil der Bismarckschen „Kulturkampf“-Gesetzgebung, die den gesellschaftlichen Einfluss der Katholischen Kirche zurückdrängen sollte, und wurde seitens der Kirche entsprechend vehement abgelehnt. Die damals eingeführte Regelung, dass nur noch Personen kirchlich getraut werden durften, die zuvor bereits eine zivilrechtliche Ehe miteinander eingegangen waren, wurde 2008 durch eine Änderung des Personenstandsgesetzes stillschweigend abgeschafft; „das ist anfangs überhaupt niemandem aufgefallen“, merkte Dr. Dörrbecker an. Faktisch macht die Katholische Kirche in Deutschland jedoch von der seither gegebenen Möglichkeit, die Spendung des Ehesakraments unabhängig von der zivilrechtlichen Eheschließung zu handhaben, bis heute keinen Gebrauch – was bei den Diskussionsteilnehmern auf Unverständnis stieß.

Zu den Gästen der sehr gut besuchten Veranstaltung gehörte auch Dr. Alexander Kissler, Leiter des Kulturressorts des Magazins „Cicero“. Im Laufe der Publikumsdiskussion sprach er den Referenten Dr. Dörrbecker und den Moderator der Veranstaltung, Stefan Friedrich, auf die jüngsten Konflikte innerhalb der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft an: Die bisherige Vorsitzende der Gesellschaft, Karen Horn, und weitere Mitglieder haben öffentlichkeitswirksam ihren Austritt erklärt, nachdem Frau Horn von einer „Unterwanderung“ der Hayek-Gesellschaft durch „Reaktionäre“ gesprochen hatte, für die sie nicht als „Feigenblatt“ dienen wolle. Dörrbecker und Friedrich bezeichneten den Auszug der Gruppe um Karen Horn als „plumpen Versuch, die Spaltung der AfD nachzuspielen“. Zu den Vorwürfen eines angeblichen „Rechtsrucks“ in der Hayek-Gesellschaft merkte Dörrbecker an, in einem Verein, der den Begriff des Liberalismus so einseitig linksorientiert auslege wie Karen Horn, hätte der Namensgeber der Gesellschaft, der Wirtschafts-Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek (1899-1992), wohl selbst nicht Mitglied sein wollen.

Foto der Veranstaltung: links sitzend Alexander Dörrbecker, rechts stehend Stefan Friedrich (Colloquium Catholicum) (c) Tobias Klein


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