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'Dieses Jubiläumsjahr der Barmherzigkeit schließt niemanden aus'

29. September 2015 in Kommentar, 3 Lesermeinungen
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Kirchenrechtliche Erläuterungen zum Brief von Papst Franziskus vom 1. September 2015 – Im Jahr der Barmherzigkeit Absolutionserlaubnis auch bei Abtreibung sowie für Priester der Piusbruderschaft. Gastkommentar von Prof. Stefan Mückl


Rom (kath.net) Das von Papst Franziskus proklamierte „Außerordentliche Jubiläum der Barmherzigkeit“ steht kurz bevor. Damit dieses „für alle Gläubigen ein echter Moment der Begegnung mit der Barmherzigkeit Gottes sein kann“ hat der Papst in seinem Brief an den Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung (welcher für die konkrete Organisation des Jubiläums zuständig ist) vom 1. September 2015 konkrete Punkte benannt, welche breite Aufmerksamkeit gefunden haben. Zwei dieser Punkte verdienen eine nähere Erläuterung, um das vom Papst Gewollte deutlicher herauszustellen, betreffen sie doch komplexere (kirchenrechtliche) Zusammenhänge, deren allgemeine Kenntnis heute nicht mehr als sicher gelten darf. So lassen sich vielleicht auch manche verkürzten oder gar unzutreffenden Interpretationen dieses Briefes korrigieren.

Gewährung der „Vollmacht, von der Sünde der Abtreibung loszusprechen“

Der Umstand, dass Papst Franziskus entschieden hat, „für das Jubiläumsjahr allen Priestern die Vollmacht zu gewähren, von der Sünde der Abtreibung jene loszusprechen, die sie vorgenommen haben und reuigen Herzens dafür um Vergebung bitten“, wurde sogar in Teilen der katholischen Publizistik als „Sensation“ begriffen. Zwar bleibe Abtreibung „eine schwere Sünde, aber sie ist eben nicht so schwer, dass sie nicht vergeben könnte, wenn die betroffene Frau Buße, Reue und Umkehrbereitschaft zeigt“. Genau das aber war stets Lehre wie Praxis der Kirche: Wer ehrlichen Herzens bereut und umkehrt, erlangt durch das Sakrament der Buße die Vergebung seiner Sünden – und seien sie noch so schwer. Nur für eine Sünde gibt es keine Vergebung: die „Lästerung gegen den Geist“ (Mt 12,31, vgl. den Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1864). Wenn nun also die „Sensation“ nicht darin liegt, dass im Falle der Sünde der Abtreibung die sakramentale Absolution erteilt werden kann (übrigens nicht nur zugunsten der betroffenen Frau, dazu später), worin liegt dann die berichtenswerte Nachricht im Brief des Papstes?

Ein erster Schritt zur Beantwortung dieser Frage besteht darin, den Akzent auf eine andere Wendung in der Passage des Briefes des Papstes zu legen – auf die Wörter „alle Priester“. Die Neuigkeit für die Ebene der Weltkirche besteht also nicht darin, dass der Papst die Vollmacht erteilt, „von der Sünde der Abtreibung loszusprechen“, sondern vielmehr darin, dass diese im Jubiläumsjahr „allen“ Priestern zukommt.

Doch die zentrale Problematik liegt im Fall der Abtreibung nicht allein in der sakramentalen Lossprechung im Sakrament der Buße – dafür war (und bleibt) stets der Priester zuständig. Allerdings ist nach dem allgemeinen kanonischen Recht der Priester in aller Regel daran gehindert, sogleich in der Beichte die sakramentale Absolution zu erteilen. Hintergrund ist, dass die Abtreibung nicht nur eine schwere Sünde ist (hier liegt die moraltheologische Dimension des Falles), sondern zugleich ein kirchenrechtliches Delikt darstellt (dies betrifft die rechtliche Dimension). Das Zweite Vatikanische Konzil bezeichnet sie als „verabscheuungswürdiges Verbrechen“ (Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 51), welches nach dem geltenden kirchlichen Gesetzbuch die Tatstrafe der Exkommunikation nach sich zieht (c. 1398 CIC).

Nun bedeutet „Exkommunikation“ mitnichten „Ausschluss aus der Kirche“, wohl aber das Verbot, solange dieser Zustand andauert, die Sakramente zu empfangen (c. 1331 § 1 Nr. 2 CIC). Auf den Fall angewendet: Der Exkommunizierte kann die sakramentale Absolution solange nicht empfangen, wie die Strafe besteht. Sie stellt, bildlich gesprochen, eine Hürde auf dem Weg zur Lossprechung dar, welche erst beseitigt werden muss, um den Zugang zum Sakrament (wieder) zu eröffnen.

Damit verschiebt sich zunächst unsere Fragestellung auf die (kirchen)rechtliche Dimension des Falles: Wie lässt sich eine Kirchenstrafe, untechnisch formuliert, „aus der Welt schaffen“? Welcher Voraussetzungen bedarf es dafür? Und schließlich, für unsere Fragestellung entscheidend, wer entscheidet darüber?

All diese Fragen bedürfen aber nur dann einer Klärung, wenn der Betreffende sich die Strafe der Exkommunikation überhaupt zugezogen hat. Im Fall der Abtreibung ist das nicht zwangsläufig der Fall:

Zunächst ist zu bedenken, dass die unter Strafe gestellte Handlung die „Vornahme“ der Abtreibung ist (c. 1398 CIC). Das heißt, es gibt nur zwei Personen, welche dieses Delikt überhaupt begehen können, der die Abtreibung vornehmende Arzt sowie die schwangere Frau. Alle anderen Personen, welche die konkrete Abtreibung oder auch die Abtreibung im Allgemeinen fördern (etwa: die Angehörigen und „Freunde“, welche die Frau zur Abtreibung animieren oder gar drängen), begehen fraglos eine schwere Sünde, aber eben nicht die im kanonischen Recht normierte Straftat. Dieser Personenkreis erlangte und erlangt, sofern die allgemeinen Voraussetzungen vorliegen, im Sakrament der Buße die Vergebung der Sünde.


Indes verfällt nicht jeder, der die Tathandlung des c. 1398 CIC verwirklicht hat, tatsächlich auch der Exkommunikation. Diese ist eine sog. „Tatstrafe“, sie tritt also „von selbst durch Begehen der Straftat ein“ (c. 1314 CIC). Gerade wegen der Gefahr eines allzu rigiden Automatismus sieht der Gesetzgeber vor, dass den Täter eine Tatstrafe immer dann nicht trifft, wenn in seiner Person mildernde Umstände vorliegen (c. 1324 § 3 i.V.m. § 1 CIC). Dementsprechend tritt die Tatstrafe der Exkommunikation etwa dann nicht ein, wenn der Täter minderjährig ist, in schwerer Furcht gehandelt hat oder ohne Schuld nicht um die Strafbarkeit seines Tuns wusste (c. 1324 § 1 Nr. 4, 5 und 9 CIC). Konkret bedeutet dies, dass sich die minderjährige Schwangere oder die Frau, die unter Druck ihres sozialen Umfelds stand, auch bei Vornahme einer Abtreibung nicht die Tatstrafe der Exkommunikation zugezogen haben. Sie können sogleich in der sakramentalen Beichte die Vergebung der Sünde erlangen. Anders wird sich vielfach die Lage bei dem die Abtreibung durchführenden Arzt darstellen, für den weit seltener die genannten Milderungsgründe in Betracht kommen.

Wer sich aber nun – ob Arzt oder Frau – tatsächlich die Exkommunikation zugezogen hat, kann durch die Kirche den Nachlass der Strafe erlangen. Dabei ist die Erkenntnis wichtig, dass es sich bei der Exkommunikation um eine sog. „Besserungsstrafe“ handelt (c. 1312 § 1 Nr. 1 CIC), welche einen Sinneswandel des Betreffenden erreichen möchte (c. 1347 § 1 CIC). Der Strafnachlass hat nur eine einzige Voraussetzung, nämlich diejenige, dass der Betreffende seine „Widergesetzlichkeit“ aufgegeben hat, was stets dann anzunehmen ist, wenn er die Straftat „wirklich bereut hat“: in diesem Fall kann ihm der Nachlass nicht verweigert werden (c. 1358 § 1 i.V.m. c. 1347 § 2 CIC). Im Klartext: Der reuige Täter hat das Recht auf Strafnachlass.

Dieses Überlegungen führen nun zu unserer Fragestellung zurück: Wie soll sich der Priester im Beichtstuhl verhalten, wenn ein Pönitent – ob Arzt oder Frau – die Sünde der Abtreibung beichtet und die Nachfragen des Beichtvaters ergeben, dass keiner der Milderungsgründe vorliegt, der Pönitent sich also tatsächlich die Tatstrafe der Exkommunikation zugezogen hat?

Unproblematisch ist die Situation, wenn der Beichtvater der Papst oder der Bischof ist (sowie die General- bzw. Bischofsvikare), da diese als „Ordinarius“ für den Straferlass zuständig sind (cc. 1355 § 2, 134 § 1 CIC). Über gleiche Befugnis verfügen auch die Bußkanoniker an den Kathedral- oder an Kollegiatkirchen (c. 508 § 1 CIC). Sie alle können in der Beichte zunächst die Strafe erlassen und dann die sakramentale Lossprechung von der Sünde erteilen. Vielfach haben die Bischöfe ihre Befugnis zum Straferlass delegiert (c. 137 § 1 CIC), sei es an bestimmte Priester, eine Gruppe von Priestern (z.B.: alle Pfarrer) oder an alle Priester (so in Rom, der Diözese des Papstes); für diesen Fall gilt das soeben Gesagte in gleicher Weise.

Doch selbst für den Fall, dass eine derartige Delegation nicht vorliegt, kann der die Beichte hörende Priester die Strafe erlassen und die Absolution erteilen. Dies regelt der sog. „Dringlichkeitsfall“ nach c. 1357 CIC: Immer dann, wenn es für den Pönitenten „hart ist, im Stande schwerer Sünde für den Zeitraum zu verbleiben“, bis die Entscheidung eines der primär für den Straferlass Zuständigen (in der Praxis: Bischof, Generalvikar, Bußkanoniker) eingeholt werden kann, kann der Beichtvater selbst die Strafe im Bereich des „forum internum“ nachlassen (§ 1). Allerdings hat er den Pönitenten zu verpflichten, sich binnen eines Monats an einen der genannten Zuständigen zu wenden und dessen Anweisungen zu befolgen. Dieser sog. Rekurs kann alternativ – selbstredend ohne die Identität des Pönitenten aufzudecken – durch den Beichtvater selbst erfolgen (§ 2), der sich dann freilich mit dem Pönitenten erneut treffen muss, um die erhaltenen Anweisungen weiterzugeben. Beide Optionen weisen freilich Nachteile auf – sei es, dass der Betroffene sich an zwei Priester wenden muss (falls er selbst rekurriert) oder aber, dass er zwei Termine benötigt (falls der Beichtvater rekurriert) –, die tendenziell (psychologische) Barrieren darstellen können. Aus diesem Grund haben die deutschen (wie die österreichischen) Bischöfe bereits in den 1980er Jahren im Fall der Abtreibung auf die Durchführung des Rekurses verzichtet. So konnte schon bisher jeder Beichtvater im „Dringlichkeitsfall“ (wobei die Praxis an die „Dringlichkeit“ allenfalls minimale Anforderungen stellt) im Kontext der sakramentalen Beichte die Strafe der Exkommunikation erlassen und sogleich im Anschluss die Absolution erteilen.

Das vom Papst im Brief vom 1. September 2015 tatsächlich Gemeinte lässt sich also so fassen: Für die Dauer des „Außerordentlichen Jubiläums der Barmherzigkeit“ besitzt jeder Priester der Katholischen Kirche die Vollmacht, im Rahmen des Sakraments der Buße die verwirkte Strafe der Exkommunikation nachzulassen. Diese Befugnis eröffnet sodann den Weg, damit derselbe Priester sodann von der Sünde der Abtreibung lossprechen kann.

Es versteht sich, dass diese Befugnis für die Priester eine hohe Verantwortung mit sich bringt. Dies erklärt den Aufruf des Papstes, sie mögen sich „auf diese große Aufgabe vorbereiten“, um „auf einen Weg echter Umkehr (zu) verweisen“, der die „wahrhafte und großherzige Vergebung des Vaters“ verstehen lässt. Die einfühlsamen Worte, die Papst Franziskus dabei an die betroffenen Frauen richtet, spiegeln eindrucksvoll den Aufruf wider, den der hl. Johannes Paul II. bereits vor über 20 Jahren formuliert hatte: „Einen besonderen Gedanken möchte ich euch, den Frauen, vorbehalten, die sich für eine Abtreibung entschieden haben. Die Kirche weiß, wie viele Bedingtheiten auf eure Entscheidung Einfluss genommen haben können, und sie bezweifelt nicht, dass es sich in vielen Fällen um eine leidvolle, vielleicht dramatische Entscheidung gehandelt hat. Die Wunde in eurem Herzen ist wahrscheinlich noch nicht vernarbt. Was geschehen ist, war und bleibt in der Tat zutiefst unrecht. Lasst euch jedoch nicht von Mutlosigkeit ergreifen, und gebt die Hoffnung nicht auf. ... öffnet euch voll Demut und Vertrauen der Reue: der Vater allen Erbarmens wartet auf euch, um euch im Sakrament der Versöhnung seine Vergebung und seinen Frieden anzubieten. Ihr werdet merken, dass nichts verloren ist, und ihr werdet auch euer Kind um Vergebung bitten können, das jetzt im Herrn lebt.“ (Enzyklika Evangelium vitae vom 25. März 1995, Nr. 99).

Empfang des Beichtsakraments bei den Priestern der Bruderschaft St. Pius X.

Nicht minder Aufmerksamkeit erregt hat eine weitere Aussage im Brief von Papst Franziskus: Unter Verweis auf den „guten Glauben“ und die „gute sakramentale Praxis“ der Gläubigen, welche „die von den Priestern der Bruderschaft St. Pius X. betreuten Kirchen besuchen“, „bestimmte“ der Papst – wie er eigens betont: „in eigener Verfügung“ –, „dass diejenigen, die während des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit das Sakrament der Versöhnung bei den Priestern der Bruderschaft St. Pius X. empfangen, gültig und erlaubt die Lossprechung von ihren Sünden erlangen“.
Was nun ist der Hintergrund dieser „Verfügung“ des Papstes?

Eine Besonderheit beim Sakrament der Buße (ebenso wie bei der Assistenz der Eheschließung, s. dazu cc. 1108 ff.) liegt darin, dass es für dessen Gültigkeit nicht ausreicht, dass der Sakramentenspender – allein der Priester (c. 965 CIC) – die Weihegewalt besitzt. Vielmehr bedarf er zusätzlich der Befugnis, die Absolution gegenüber den Gläubigen auszuüben (c. 966 § 1 CIC). Negativ formuliert bedeutet dies: Die von einem Priester ohne Beichtbefugnis erteilte Absolution ist ungültig.

Die Beichtbefugnis kann ein Priester auf dreifache Weise erlangen: Von Rechts wegen besitzen sie – und zwar auf der ganzen Welt – der Papst, die Kardinäle und die Bischöfe (c. 967 § 1 CIC). Von Amts wegen kommt sie – allerdings beschränkt auf ihren Zuständigkeitsbereich – den Ortordinarien (nach c. 134 § 2 CIC sind dies außer den Diözesanbischöfen auch die General- und Bischofsvikare), den Bußkanonikern sowie den Pfarrern zu (c. 968 § 1 CIC). Gleiches gilt für bestimmte Ordensobere, allerdings nur gegenüber ihren Untergebenen sowie anderen Personen, die Tag und Nacht in ihrem Haus leben (c. 968 § 2 CIC). Schließlich kann der Ortsordinarius jedwedem Priester die Befugnis verleihen, die Beichten jedweder Gläubiger und an jedwedem Ort entgegenzunehmen (c. 969 § 1 i.V.m. c. 967 § 2 CIC), ebenso verhält sich es im Fall des Prälaten einer Personalprälatur.

Über eine derartige Beichtbefugnis verfügten die Priester der Bruderschaft St. Pius X. bisher nicht, weder von Rechts wegen, noch von Amts wegen, ebenso wenig kraft Verleihung durch einen Ortsordinarius. Demzufolge waren in der Vergangenheit die von Priestern der genannten Bruderschaft erteilten Absolutionen mangels Befugnis ungültig. Allenfalls in Ausnahmefällen konnte im Wege der Supplikation gem. c. 144 CIC geholfen werden: Für die Konstellation eines allgemeinen Irrtums über das Vorliegen der Beichtbefugnis des die Absolution erteilenden Priesters (etwa bei größeren Wallfahrten oder bei Weltjugendtagen, bei denen neben anderen Priestern auch Priester der Bruderschaft St. Pius X. Beichte hörten, ohne als solche erkenntlich zu sein oder sich als solche zu erkennen zu geben) galt der Grundsatz „Ecclesia supplet“: Die Kirche selbst ersetzt die fehlende Befugnis, da der Irrtum nicht zu Lasten des Gläubigen gehen soll, der auf deren Vorhandensein und damit auf die Gültigkeit des empfangenen Sakraments vertraut.

Angesichts dieser Rechtslage kann also die Wendung im Brief von Papst Franziskus nur in dem Sinne verstanden werden, dass der Papst für die Dauer des „Außerordentlichen Jubiläums der Barmherzigkeit“ den Priestern der Bruderschaft St. Pius X. nach c. 969 § 1 CIC die Befugnis verleihen wollte, die Beichten jedweder Gläubiger („diejenigen, die ... das Sakrament der Versöhnung bei den Priestern der Bruderschaft St. Pius X. empfangen“) entgegenzunehmen. Eine derartige Verleihung vorzunehmen, ist – worauf der Papst, wenngleich in diskreter Form („bestimme ich ... in eigener Verfügung“), rekurriert – Ausfluss des päpstlichen Jurisdiktionsprimats (c. 333 § 1 CIC).

Damit könnte es – jedenfalls für das Sakrament der Buße – sein Bewenden haben. Indes stellt sich noch eine weit grundsätzlichere Frage, nämlich diejenige nach dem Standort der Bruderschaft St. Pius X. in der Kirche. Bekanntlich hatte Papst Benedikt XVI. in seinem Brief an die Bischöfe der Katholischen Kirche vom 10. März 2009 – also kurz nach der Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der Bruderschaft, die im Juni 1988 unerlaubt (weil ohne päpstliches Mandat, aber gleichwohl gültig) die Weihe empfangen hatten – deutlich gemacht: „Solange die Bruderschaft keine kanonische Stellung in der Kirche hat, solange üben auch ihre Amtsträger keine rechtmäßigen Ämter in der Kirche aus“.

Demnach können die Priester der Bruderschaft weder Kirchenämter bekleiden (cc. 145 ff.) noch erlaubterweise die Sakramente spenden (denn dies steht nach c. 843 § 1 den „geistlichen Amtsträgern“ zu). Dass die genannten Priester bestimmte Sakramente gleichwohl gültig spenden (Taufe, Eucharistie, Krankensalbung; die Bischöfe außerdem Firmung und Weihe), ist unbestritten.

Wenn nun Papst Franziskus den Priestern der Bruderschaft St. Pius X. eine generelle Beichtbefugnis verleiht und dabei explizit hervorhebt, diese Absolutionen seien „gültig und erlaubt“, ist das nicht anders zu deuten, als dass jedenfalls für den Bereich des Sakraments der Buße das zitierte Verdikt von Papst Benedikt XVI. (wenigstens für die Dauer des Jubiläums) obsolet ist. Dann aber erhebt sich eine noch weit komplexere Frage, die hier allein aufgeworfen werden, nicht aber schon dem Versuch einer Klärung zugeführt werden soll: Ist es vorstellbar, dass ein- und derselbe Priester ein Sakrament gültig und erlaubt spendet, andere aber zwar gültig, doch unerlaubt? Oder ist etwa die hier in Rede stehende Passage so zu verstehen, dass den Priestern der Bruderschaft St. Pius X. um der Einheit des priesterlichen Dienstes willen implizit auch die erlaubte Spendung der übrigen Sakramente konzediert wird?

Beide Maßnahmen – Vollmacht für jeden Priester zum Straferlass im Fall der Abtreibung wie die generelle Beichtbefugnis für Priester der Bruderschaft St. Pius X. – dokumentieren den Willen von Papst Franziskus, den Gläubigen den Zugang zum Sakrament der Buße so einfach und „barrierefrei“ zu gestalten wie möglich. Denn hier finden sie Versöhnung mit Gott und der Kirche. Und vielleicht vermag das „Außerordentliche Jubiläum der Barmherzigkeit“ auch einen Beitrag dazu zu leisten, die Versöhnung in der Kirche zu befördern, wie es der Papst zur Untermauerung der zweiten Maßnahme erhofft („Ich vertraue darauf, dass in naher Zukunft Lösungen gefunden werden können, um die volle Einheit mit den Priestern und Oberen der Bruderschaft wiederzugewinnen“)?

Der Autor dieses Beitrags ist Professor für Kirchenrecht an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom

Foto Prof. Dr. Stefan Mückl


Foto Prof. Mückl (c) Stefan Mückl


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Lesermeinungen

 Magdalena77 29. September 2015 

Gültige Sakramente der FSSPX?

"Dass die genannten Priester bestimmte Sakramente gleichwohl gültig spenden (Taufe, Eucharistie, Krankensalbung; die Bischöfe außerdem Firmung und Weihe), ist unbestritten." -Also handelt es sich bei Sonderverfügung von Franziskus nur um die "Befugnis" für die Priester der Bruderschaft, die sie benötigen, um die Absolution gültig erteilen zu können, während die vorgenannten Sakramente von ihnen ohnehin gültig gespendet wurden, nicht wahr?


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 SCHLEGL 29. September 2015 
 

Klarheit

Über diese Klarstellung bin ich froh, weil in diesem Forum von einer nicht geringen Zahl von Usern irrige Ansicht vertreten worden ist, sie Schismatiker von FSSPX hätten die sakramentale Vollmacht, GÜLTIGE Sakramente zu spenden! Dies wird hier EINDEUTIG in ABREDE GESTELLT! Ich hoffe, das dies auch gelesen wird. Msgr. Franz Schlegl


3
 
 silas 29. September 2015 

Nach diesen Ausführungen stellt sich eine weitere Frage:

Ist es im Sinne Jesu, das ein Priester zwar die Sakramente der Taufe und Eucharistie,
jedoch wegen fehlender Bevollmächtigt die Sakramente der Krankensalbungen und Versöhnung nicht spenden kann?

Etwas anders gelagert ist die Frage der Trauvollmacht an bestimmten Orten...

Hier sieht man einmal mehr, der Mensch braucht eine Ordnung, derer Gott nicht bedarf. Er handelt trotzdem...


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