Login




oder neu registrieren?


Suche

Suchen Sie im kath.net Archiv in über 70000 Artikeln:







Top-15

meist-diskutiert

  1. Erzbischof Gänswein soll Nuntius in Litauen werden!
  2. Der Münchner Pro-Life-Marsch UND was die deutschen Medien verschweigen
  3. Schweiz: Bischof Bonnemain bei Beerdigung von Bischof Huonder
  4. Kardinal Müller: "Sie sind wie die SA!"
  5. BRAVO! - 6000 Teilnehmer beim Marsch für das Leben in München
  6. Waffen können Frieden schaffen und viele Menschenleben retten!
  7. 'Allahu akbar' - Angriff auf orthodoxen Bischof in Australien - Polizei: Es war ein Terrorakt!
  8. Ablehnung von Fiducia supplicans: Afrikas Bischöfe haben ‚für die ganze Kirche’ gesprochen
  9. Riccardo Wagner wurde katholisch: „Ich wollte nie Christ sein. Ich war Atheist“
  10. „Schwärzester Tag für die Frauen in der deutschen Nachkriegsgeschichte“
  11. Eine kleine Nachbetrachtung zu einer Konferenz in Brüssel
  12. Deutsche Bischofskonferenz nimmt Bericht zur reproduktiven Selbstbestimmung „mit großer Sorge“ wahr
  13. Meloni: Leihmutterschaft ist ,unmenschliche Praxis‘
  14. Mehrheit der Deutschen fürchtet Islamisierung Europas
  15. Polnische Bischofkonferenz ist der Schirmherr des Polnischen „Marsch für das Leben und die Familie“

«Auch wir haben Tränen in den Augen»

11. Februar 2016 in Interview, keine Lesermeinung
Druckansicht | Artikel versenden | Tippfehler melden


Wo die Arbeit von Rettungskräften aufhört, fängt die Notfallseelsorge an - das war auch beim schweren Zugunglück von Bad Aibling so. Diakon Hermann Saur war als Koordinator des Seelsorgeteams vor Ort. Von Julia Haase (KNA)


München (kath.net/KNA) Beim Zugunglück von Bad Aibling am Dienstag wurden Verletzte sowie Hinterbliebene von Toten von katholischen und evangelischen Notfallseelsorgern betreut. Koordinator vor Ort war Diakon Hermann Saur, Leiter der Notfallseelsorge im Erzbistum München und Freising. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) spricht er über seine Erlebnisse, die Begleitung von Menschen in Ausnahmesituationen und was nach einer derartigen Katastrophe weiter zu tun ist.

KNA: Herr Saur, Sie waren in Bad Aibling vor Ort. Was haben Sie konkret gemacht?

Saur: Ich habe das Team der zwölf Notfallseelsorger koordiniert. Ich bin immer derjenige, der versucht, Ordnung in dieses ganze Chaos eines Unglücks zu bringen. Da werden ja verschiedene Strukturen gleichzeitig hochgefahren: Polizei, Rettungsdienst, Feuerwehr. Irgendwo zwischen dem Rettungseinsatz gibt es nicht nur Verletzte, sondern auch Unverletzte und Angehörige von Betroffenen - Menschen, die gerade jetzt psychische Hilfe brauchen. Diese Leute müssen wir finden und mit den entsprechenden Strukturen begleiten und betreuen.

KNA: Wie sieht diese Begleitung aus?

Saur: Das Fachwort dafür nennt sich Psychoedukation. Bei einem Menschen, der gerade eine Katastrophe erlebt hat, nicht oder nur leicht verletzt, schaltet der Körper in eine Art Autopilot. Die Menschen nehmen teilweise ihre Schmerzen gar nicht wahr. Wir haben Personen, die stehen mit gebrochenem Bein vor dir und merken das nicht einmal. Die Menschen denken dann: «Mir ist ja nichts passiert, mir geht's gut, schnell weg.» Wenn der ganze Organismus nach ein paar Stunden wieder zur Ruhe kommt, dann erst wird das alles aufgearbeitet.


Das passiert durch sogenannte Flashbacks - Bilder von der Unfallsituation, die aber nicht nur Erinnerungen sind. Menschen liegen zum Beispiel nachts im Bett und merken von einem Sekundenbruchteil auf den nächsten, dass sie nicht in ihrem Bett liegen, sondern sie sind wieder mitten in der Unfallszenerie. Das ist eine ganz normale Reaktion auf ein nicht-normales Ereignis. Unsere Aufgabe ist es, die Menschen auf so etwas vorzubereiten. Wenn sie von der Unfallstelle weg wollen, sagen wir, was in den nächsten Wochen an Verarbeitungsmechanismen passieren kann, und übergeben noch ein Informationsblatt, das wir immer dabei haben.

KNA: Wie war das in Bad Aibling?

Saur: Wir hatten die Priorität bei den Angehörigen der Todesopfer. Ich saß beim Einsatzleiter der Polizei. Nachdem die Toten geborgen und deren Identität festgestellt war, haben wir mit der Polizei zusammen Zweierteams gebildet - ein Polizist mit einem Notfallseelsorger. Diese sind dann zu den Familien gefahren, wenn es ging, und haben die Nachricht überbracht. Die Toten sind am Dienstagabend in die Rechtsmedizin überführt worden. Viele Angehörige wollten sie vorher noch einmal sehen. Auch das haben wir organisiert.

KNA: Eine schwierige Aufgabe, die Ihnen persönlich wahrscheinlich auch sehr nahe geht?

Saur: Für uns Seelsorger ist das der schwierigste Einsatz. Da kommen wir in Situationen, in der die Welt gerade noch in Ordnung ist, und müssen plötzlich diese Nachricht überbringen. Andererseits werden sowohl Polizisten als auch wir Notfallseelsorger speziell dafür geschult.

KNA: Wie muss man sich das vorstellen?

Saur: Eigentlich sind es Dinge, die klar auf der Hand liegen. Wenn jemand die Tür aufmacht, ein Polizist steht vor der Tür und man wartet möglicherweise sowieso auf den Anruf des Partners, dann ist die Uniform schon die Botschaft. Andererseits hat man noch die Hoffnung, dass der Polizist nur sagt, dass der Partner schwer verletzt im Krankenhaus liegt. Aber dann muss der Seelsorger oder Polizist ohne große Umschweife zum Punkt kommen, nachdem die Identität der Person festgestellt ist. Zum Beispiel: «Es tut mir leid, Ihr Mann ist heute bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt.»

Auszusprechen, was passiert ist, und dann den Mund halten. Jeder Betroffene reagiert anders, das müssen Seelsorger auch mit den Menschen aushalten. Erst später kommen dann Fragen wie: «Was ist passiert? Darf ich ihn nochmal sehen?» Darauf müssen wir auch immer vorbereitet sein.

KNA: Solche Erlebnisse sind auch für Seelsorger sehr emotional. Haben Sie persönlich Bilder, die Sie Ihr Leben lang begleiten werden?

Saur: Ich habe keinen Einsatz vergessen, egal wo ich war. So wie alle schönen Erlebnisse in einem bleiben, bleiben auch alle schrecklichen. Da gibt es schon Bilder, von denen man sagt, die hätte ich jetzt nicht unbedingt sehen müssen. Aber dass ich etwas persönlich nicht mehr losbekomme, habe ich nicht.

KNA: Sie haben dafür ja auch spezielle Nachbereitungen?

Saur: Genau, im System der Notfallseelsorge haben wir deutschlandweite Qualitätsstandards. Dazu gehören beispielsweise verpflichtend 16 Stunden Supervision innerhalb von zwei Jahren. Andererseits sind es persönliche Rituale, wie die Klamotten nach einem Einsatz zu waschen. Als Notfallseelsorger ist natürlich die Spiritualität sehr wichtig. Da stellen sich Fragen nach dem persönlichen Gottesbild, dem Umgang mit dem Tod und die Integration in das persönliche Leben. Dieses Gesamtpaket macht die Aufarbeitung aus. Uns nimmt jeder einzelne Einsatz mit, auch wir haben dabei Tränen in den Augen. Aber wir merken auch, dass wir da sind, um das Leid der anderen zu begleiten. Das ist das, was uns psychisch gesund erhält.

KNA: Wie geht es nun nach Bad Aibling weiter?

Saur: Wir haben eine Hotline installiert, für alle, die im Zug saßen und unverletzt und ohne Betreuung vom Unfallort weggegangen sind. Da sitzt tagsüber ein Notfallseelsorger und beantwortet entweder die Fragen direkt, oder er vermittelt an andere Notfallseelsorger weiter. Nebenher versuchen wir, mit den Seelsorgern vor Ort Gottesdienste und Trauerfeiern zu organisieren.

(C) 2016 KNA Katholische Nachrichten-Agentur GmbH. Alle Rechte vorbehalten.


Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal!

 





Lesermeinungen

Um selbst Kommentare verfassen zu können müssen Sie sich bitte einloggen.

Für die Kommentiermöglichkeit von kath.net-Artikeln müssen Sie sich bei kathLogin registrieren. Die Kommentare werden von Moderatoren stichprobenartig überprüft und freigeschaltet. Ein Anrecht auf Freischaltung besteht nicht. Ein Kommentar ist auf 1000 Zeichen beschränkt. Die Kommentare geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
kath.net verweist in dem Zusammenhang auch an das Schreiben von Papst Benedikt zum 45. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel und lädt die Kommentatoren dazu ein, sich daran zu orientieren: "Das Evangelium durch die neuen Medien mitzuteilen bedeutet nicht nur, ausgesprochen religiöse Inhalte auf die Plattformen der verschiedenen Medien zu setzen, sondern auch im eigenen digitalen Profil und Kommunikationsstil konsequent Zeugnis abzulegen hinsichtlich Entscheidungen, Präferenzen und Urteilen, die zutiefst mit dem Evangelium übereinstimmen, auch wenn nicht explizit davon gesprochen wird." (www.kath.net)
kath.net behält sich vor, Kommentare, welche strafrechtliche Normen verletzen, den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen, zu entfernen. Die Benutzer können diesfalls keine Ansprüche stellen. Aus Zeitgründen kann über die Moderation von User-Kommentaren keine Korrespondenz geführt werden. Weiters behält sich kath.net vor, strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.


Mehr zu

Katastrophe

  1. Beiruter Erzbischof: „Wir wollen die Wahrheit über die Explosion wissen”
  2. Erdbeben in Zagreb: Turmspitze mit Kreuz von Kathedrale gestürzt
  3. Waldbrände: Brasilianische Bischöfe fordern dringende Maßnahmen
  4. Brasilianischer Kardinal: Amazonien droht Zerstörung
  5. US-Präsident kondoliert Papst nach Brand von Notre-Dame
  6. Große kubanische Marienwallfahrt wegen des Hurrikans abgesagt
  7. Papst versichert Bischof und Bewohnern Norcias seine Nähe
  8. Symbole des Erdbebens: Zerstörte Basilika, gerettete Ordensfrauen
  9. Vatikan-Feuerwehr hilft bei Suche nach Erdbebenopfern
  10. 78jährige Ordensfrau stirbt bei Feuer in bayerischem Frauenkloster







Top-15

meist-gelesen

  1. Erzbischof Gänswein soll Nuntius in Litauen werden!
  2. Riccardo Wagner wurde katholisch: „Ich wollte nie Christ sein. Ich war Atheist“
  3. 'Allahu akbar' - Angriff auf orthodoxen Bischof in Australien - Polizei: Es war ein Terrorakt!
  4. BRAVO! - 6000 Teilnehmer beim Marsch für das Leben in München
  5. Kardinal Müller: "Sie sind wie die SA!"
  6. 'Politische Einseitigkeit ist dem Gebetshaus fremd'
  7. Heiligenkreuz: Gänswein und Koch für Wiederentdeckung des Priestertums
  8. Der Münchner Pro-Life-Marsch UND was die deutschen Medien verschweigen
  9. Schweiz: Bischof Bonnemain bei Beerdigung von Bischof Huonder
  10. „Schwärzester Tag für die Frauen in der deutschen Nachkriegsgeschichte“
  11. Der Teufel sitzt im Detail
  12. Eine kleine Nachbetrachtung zu einer Konferenz in Brüssel
  13. Ablehnung von Fiducia supplicans: Afrikas Bischöfe haben ‚für die ganze Kirche’ gesprochen
  14. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie ,The Baxters‘ sehen‘
  15. Frankreich: „Inzwischen bedeutet Katholizismus, seinen Glauben erklären zu können“

© 2024 kath.net | Impressum | Datenschutz