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Das Schweigen Gottes und die Gottesfinsternis

15. April 2017 in Aktuelles, 2 Lesermeinungen
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Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: Besuch in Auschwitz, der finsteren Schlucht der Menschheit. ‚Immer wieder ist da die Frage: Wo war Gott in jenen Tagen? Warum hat er geschwiegen?’. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Karsamstag, der Tag der Tag des „Begräbnisses Gottes“, der Tag der Leere, nachdem der Vorhang des Tempels von oben bis unten entzwei gerissen ist. Karsamstag – er verdichtet das Drama der Menschheit und das Drama der Selbsthingabe Gottes für sie. Die Finsternis des Grabes – sie verweist auf die Hoffnung des Lichts, auch wenn dieses in weiter Ferne, ja vielleicht sogar völlig verstellt zu sein scheint. Der Karsamstag verdichtet Geheimnis und Wesen des Christentums.

Am Karsamstag 1927 wurde der kleine Joseph Ratzinger geboren. Trotz der Kälte des Tages brachte sein tieffrommer Vater den Neugeborenen zur Feier der Messe der Osternacht, damit er mit dem frisch geweihten Wasser getauft werden konnte. Der Karsamstag und dessen Wesen – er sollte den Priester, Bischof, Kardinal und Papst sein ganzes Leben lang begleiten.

Im Rahmen seiner Apostolischen Reise nach Polen besuchte Papst Benedikt XVI. am 28. Mai 2006 das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau – ein finsterer Ort, gleichsam das Monument des gestorbenen Gottes, den wir getötet haben. Seine dichte Ansprache stellte der Papst in den Rahmen dessen, worüber der Theologe bereits in seinen „Drei Meditationen zum Karsamstag“ im Jahr 1969 nachgedacht hatte. Es ging ihm damals wie im Jahr 2006 um das Geheimnis der Gottesfinsternis und des Schweigens Gottes. Dieser Abgrund führte dann Ratzinger wie Benedikt XVI. wieder hin zur Erfahrung des Abgrunds der Größe Gottes des Abgrunds unserer Nichtigkeit, der sich dann auftun würde, wenn Gott nicht wäre:

„Karsamstag, Tag des Begräbnisses Gottes - ist das nicht auf eine unheimliche Weise unser Tag? Fängt unser Jahrhundert nicht an, zu einem großen Karsamstag zu werden, einem Tag der Abwesenheit Gottes, an dem auch den Jüngern eine eisige Leere ins Herz steigt, so dass sie beschämt und verängstigt sich zum Heimweg rüsten und auf ihrem Emmaus-Gang dumpf und verstört sich in ihre Hoffnungslosigkeit hineinbohren, gar nicht bemerkend, dass der Totgeglaubte in ihrer Mitte ist? Gott ist tot, und wir haben ihn getötet: Haben wir eigentlich bemerkt, dass dieser Satz fast wörtlich der Sprache der christlichen Überlieferung entnommen ist, dass wir oft genug in unseren Kreuzweggebeten schon Ähnliches gelallt haben, ohne den erschreckenden Ernst, die unheimliche Wirklichkeit des Gesagten zu gewahren? Wir haben ihn getötet, indem wir ihn ins Gehäuse veralteter Denkgewohnheiten einschlossen, indem wir ihn in eine Frömmigkeit verbannten, die wirklichkeitslos war und immer mehr zur devotionellen Phrase oder zur archäologischen Kostbarkeit wurde; wir haben ihn getötet durch die Zweideutigkeit unseres Lebens, die ihn selbst verdunkelte, denn was könnte Gott fragwürdiger machen in dieser Welt als die Fragwürdigkeit des Glaubens und der Liebe seiner Gläubigen?

Die Gottesfinsternis dieses Tages, dieses Jahrhunderts, das mehr und mehr zum Karsamstag wird, redet uns ins Gewissen. Sie hat auch mit uns zu tun. Aber sie hat trotz allem etwas Tröstendes an sich. Denn Gottes Sterben in Jesus Christus ist zugleich Ausdruck seiner radikalen Solidarität mit uns. Das dunkelste Geheimnis des Glaubens ist zugleich das hellste Zeichen einer Hoffnung, die ohne Grenzen ist. Und noch eins: Erst durch das Scheitern des Karfreitags, erst durch die Todesstille des Karsamstags hindurch konnten die Jünger zum Begreifen dessen geführt werden, wer Jesus wirklich war, was seine Botschaft in Wahrheit meinte. Gott musste sterben für sie, damit er wahrhaft leben konnte in ihnen. Ihr Bild, das sie von Gott geformt hatten, in das sie ihn einzuzwängen versuchten, musste zerstört werden, damit sie über den Trümmern des zerstörten Hauses den Himmel sehen konnten, ihn selbst, der immer der unendlich Größere bleibt.

Wir brauchen die Gottesfinsternis, wir brauchen das Schweigen Gottes, um wieder den Abgrund seiner Größe zu erfahren, den Abgrund unserer Nichtigkeit, der sich auftun würde, wenn er nicht wäre“.

Der älteste Bericht über das dann leere Grab ist der des Markusevangeliums (Mk 16). Drei Frauen machten sich frühmorgens bei Sonnenaufgang auf, um den Leichnam Jesu zu salben. Verstört, wie sie von den tragischen Ereignissen waren, hatten sie nicht einmal daran gedacht, wer ihnen denn nun den Stein vor der Grabhöhle wegwälzen soll. Maria von Magdala war sogar so erschüttert, dass sie den Auferstandenen dann vor dem Grab nicht erkannte und ihn für einen Gärtner hielt (Joh 20,15).

Der Schriftsteller Gilbert K. Chesterton beschreibt dies so am Ende des Kapitels „The Strangest Story in the World“ (Die merkwürdigste Geschichte in der Welt) in seinem Werk „The Everlasting Man“ (Der Ewige Mensch): „Am dritten Tag kamen die Freundinnen Christi bei Tagesanbruch zu jenem Ort; dort fanden sie das Grab leer und den Stein weggerollt. In verschiedener Weise begriffen sie das neue Wunder; doch sogar für sie war es schwer zu begreifen, dass die Welt in der Nacht gestorben war. Was sie sahen, war der erste Tag einer neuen Schöpfung, mit einem neuen Himmel und einer neuen Erde; und in der Gestalt eines Gärtners ging Gott wieder durch den Garten, in der Kühle nicht des Abends, sondern der Morgendämmerung.“


Nach dem Sündenfall, dem Beginn der Nacht der Menschheit, als Gott im Paradiesgarten einher schritt, neigte sich der Tag zu seinem Ende (vgl. Gen 3,8), der Mensch versteckte sich unter den Bäumen. Jetzt ist „der Erstgeborene von den Toten“ der Gärtner der neuen Schöpfung. Der erlöste Mensch trifft ihn am Morgen des neuen Tages. Die Geschichte der Menschheit hat sich in Christus vollendet: das Grab ist leer.


Worte von Papst Benedikt XVI. beim Gedenken an die Opfer des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau am 28. Mai 2006:

An diesem Ort des Grauens, einer Anhäufung von Verbrechen gegen Gott und den Menschen ohne Parallele in der Geschichte, zu sprechen, ist fast unmöglich – ist besonders schwer und bedrückend für einen Christen, einen Papst, der aus Deutschland kommt. An diesem Ort versagen die Worte, kann eigentlich nur erschüttertes Schweigen stehen – Schweigen, das ein inwendiges Schreien zu Gott ist: Warum hast du geschwiegen? Warum konntest du dies alles dulden? In solchem Schweigen verbeugen wir uns inwendig vor der ungezählten Schar derer, die hier gelitten haben und zu Tode gebracht worden sind; dieses Schweigen wird dann doch zur lauten Bitte um Vergebung und Versöhnung, zu einem Ruf an den lebendigen Gott, daß er solches nie wieder geschehen lasse.

Vor 27 Jahren, am 7. Juni 1979, stand hier Papst Johannes Paul II. Er sagte damals: „Heute komme ich hierher als Pilger. Es ist bekannt, daß ich viele Male hierher gekommen bin… Wie oft! Und oft bin ich hinabgestiegen in die Todeszelle von Maximilian Kolbe und bin stehengeblieben vor der Todesmauer, durch die Trümmer der Krematorien von Birkenau gegangen. Ich konnte als Papst unmöglich nicht hierherkommen. “ Papst Johannes Paul II. stand hier als Kind des Volkes, das neben dem jüdischen Volk am meisten an diesem Ort und überhaupt im Laufe des Krieges hat leiden müssen: „6 Millionen Polen haben ihr Leben während des Zweiten Weltkriegs verloren, ein Fünftel der Nation“, sagte der Papst damals erinnernd. Er hat hier den Mahnruf zur Achtung der Rechte des Menschen und der Nationen erhoben, den zuvor seine Vorgänger Johannes XXIII. und Paul VI. vor der Welt erhoben hatten, und hat hinzugefügt: „Ich verkündige diese Rechte als Sohn der Nation, die in ihrer entfernten und jüngeren Geschichte vielfältige Qualen durch andere erlitten hat. Ich sage dies nicht, um anzuklagen, sondern um zu erinnern. Ich spreche im Namen aller Nationen, deren Rechte verletzt und vergessen werden…“

Papst Johannes Paul II. stand hier als Sohn des polnischen Volkes. Ich stehe hier als Sohn des deutschen Volkes, und gerade deshalb muß ich, darf ich wie er sagen: Ich konnte unmöglich nicht hierherkommen. Ich mußte kommen. Es war und ist eine Pflicht der Wahrheit, dem Recht derer gegenüber, die gelitten haben, eine Pflicht vor Gott, als Nachfolger von Johannes Paul II. und als Kind des deutschen Volkes hier zu stehen – als Sohn des Volkes, über das eine Schar von Verbrechern mit lügnerischen Versprechungen, mit der Verheißung der Größe, des Wiedererstehens der Ehre der Nation und ihrer Bedeutung, mit der Verheißung des Wohlergehens und auch mit Terror und Einschüchterung Macht gewonnen hatte, so daß unser Volk zum Instrument ihrer Wut des Zerstörens und des Herrschens gebraucht und mißbraucht werden konnte. Ja, ich konnte unmöglich nicht hierherkommen.

Am 7. Juni 1979 hatte ich als Erzbischof von München und Freising unter den vielen Bischöfen hier gestanden, die den Papst begleiteten, auf ihn hörten und mit ihm beteten. 1980 war ich dann noch einmal mit einer Delegation deutscher Bischöfe an diese Stätte des Grauens gegangen, erschüttert ob des Bösen und dankbar dafür, daß über dieser Finsternis der Stern der Versöhnung aufgegangen war. Dazu bin ich auch heute hier: die Gnade der Versöhnung zu erbitten – von Gott zuerst, der allein unsere Herzen auftun und reinigen kann; von den Menschen, die hier gelitten haben und schließlich die Gnade der Versöhnung für alle, die in dieser unserer Stunde der Geschichte auf neue Weise unter der Macht des Hasses und der vom Haß geschürten Gewalt leiden.

Wie viele Fragen bewegen uns an diesem Ort! Immer wieder ist da die Frage: Wo war Gott in jenen Tagen? Warum hat er geschwiegen? Wie konnte er dieses Übermaß von Zerstörung, diesen Triumph des Bösen dulden? Die Worte des Psalm 44 kommen uns in den Sinn, die Klage des leidenden Israel: „… Du hast uns verstoßen an den Ort der Schakale und uns bedeckt mit Finsternis… Um deinetwillen werden wir getreten Tag für Tag, behandelt wie Schafe, die man zum Schlachten bestimmt hat. Wach auf, warum schläfst du, Herr? Erwache, verstoß uns nicht für immer! Warum verbirgst du dein Gesicht, vergißt unsere Not und Bedrängnis? Unsere Seele ist in den Staub hinabgebeugt, unser Leib liegt am Boden. Steh auf – hilf uns! In deiner Huld erlöse uns! “ (Ps 44,20.23-27). Dieser Notschrei des leidenden Israel an Gott in Zeiten der äußersten Bedrängnis ist zugleich der Notruf all derer in der Geschichte – gestern, heute und morgen –, die um Gottes willen, um der Wahrheit und des Guten willen leiden, und das sind viele, auch heute.

Wir können in Gottes Geheimnis nicht hineinblicken – wir sehen nur Fragmente und vergreifen uns, wenn wir uns zum Richter über Gott und die Geschichte machen wollen. Dann würden wir nicht den Menschen verteidigen, sondern zu seiner Zerstörung beitragen. Nein – im letzten müssen wir bei dem demütigen, aber eindringlichen Schrei zu Gott bleiben: Wach auf! Vergiß dein Geschöpf Mensch nicht! Und unser Schrei an Gott muß zugleich ein Schrei in unser eigenes Herz hinein sein, daß in uns die verborgene Gegenwart Gottes aufwache – daß seine Macht, die er in unseren Herzen hinterlegt hat, nicht in uns vom Schlamm der Eigensucht, der Menschenfurcht und der Gleichgültigkeit, des Opportunismus verdeckt und niedergehalten werde. Wir stoßen diesen Ruf an Gott, diesen Ruf in unser eigenes Herz hinein, gerade auch in dieser unserer gegenwärtigen Stunde aus, in der neue Verhängnisse drohen, in der neu alle dunklen Mächte aus dem Herzen des Menschen aufzusteigen scheinen – auf der einen Seite der Mißbrauch Gottes zur Rechtfertigung blinder Gewalt gegen Unschuldige, auf der anderen Seite der Zynismus, der Gott nicht kennt und den Glauben an ihn verhöhnt.

Wir rufen zu Gott, daß er die Menschen zur Einsicht bringe, damit sie erkennen, daß Gewalt keinen Frieden stiftet, sondern nur wieder Gewalt hervorruft – eine Spirale der Zerstörungen, in der alle am Ende nur Verlierer sein können. Der Gott, dem wir glauben, ist ein Gott der Vernunft – einer Vernunft, die freilich nicht neutrale Mathematik des Alls, sondern eins mit der Liebe, mit dem Guten ist. Wir bitten Gott, und wir rufen zu den Menschen, daß diese Vernunft, die Vernunft der Liebe, der Einsicht in die Kraft der Versöhnung und des Friedens die Oberhand gewinne inmitten der uns umgebenden Drohungen der Unvernunft oder einer falschen, von Gott gelösten Vernunft.

Der Ort, an dem wir stehen, ist ein Ort des Gedächtnisses, ist der Ort der Schoah. Das Vergangene ist nie bloß vergangen. Es geht uns an und zeigt uns, welche Wege wir nicht gehen dürfen und welche wir suchen müssen. Wie Johannes Paul II. bin ich die Steine entlanggegangen, die in den verschiedenen Sprachen an die Opfer dieses Ortes erinnern: in weißrussisch, tschechisch, deutsch, französisch, griechisch, hebräisch, kroatisch, italienisch, jiddisch, ungarisch, niederländisch, norwegisch, polnisch, russisch, roma, rumänisch, slowakisch, serbisch, ukrainisch, jüdisch-spanisch und englisch. All diese Gedenksteine künden von menschlichem Leid, lassen uns den Zynismus der Macht ahnen, die Menschen als Material behandelte und sie nicht als Personen anerkannte, in denen Gottes Ebenbild aufleuchtet. Einige Steine laden zu einem besonderen Gedenken ein. Da ist der Gedenkstein in hebräischer Sprache. Die Machthaber des Dritten Reiches wollten das jüdische Volk als ganzes zertreten, es von der Landkarte der Menschheit tilgen; auf furchtbare Weise haben sich da die Psalmworte bestätigt: „Wie Schafe werden wir behandelt, die zum Schlachten bestimmt sind. “ Im tiefsten wollten jene Gewalttäter mit dem Austilgen dieses Volkes den Gott töten, der Abraham berufen, der am Sinai gesprochen und dort die bleibend gültigen Maße des Menschseins aufgerichtet hat.

Wenn dieses Volk einfach durch sein Dasein Zeugnis von dem Gott ist, der zum Menschen gesprochen hat und ihn in Verantwortung nimmt, so sollte dieser Gott endlich tot sein und die Herrschaft nur noch dem Menschen gehören – ihnen selber, die sich für die Starken hielten, die es verstanden hatten, die Welt an sich zu reißen. Mit dem Zerstören Israels, mit der Schoah, sollte im letzten auch die Wurzel ausgerissen werden, auf der der christliche Glaube beruht und endgültig durch den neuen, selbstgemachten Glauben an die Herrschaft des Menschen, des Starken, ersetzt werden. Da ist dann der Stein in polnischer Sprache: Man wollte zunächst und zuerst die geistige Führung Polens auslöschen und damit das Volk als eigenes geschichtliches Subjekt austilgen, um es, soweit es weiter bestand, zu einem Volk von Sklaven zu erniedrigen. Dann lädt besonders der Stein zum Nachdenken ein, der in der Sprache der Sinti und Roma geschrieben ist. Auch hier sollte ein ganzes Volk verschwinden, das quer durch die einzelnen Völker wandert und lebt. Es wurde zu den unnützen Elementen der Weltgeschichte gerechnet, in einer Weltanschauung, in der nur noch der meßbare Nutzen zählen sollte; alles andere wurde nach deren Vorstellungen als lebensunwertes Leben eingestuft. D

a ist dann der Gedenkstein in russisch, der uns an die ungeheuren Blutopfer der russischen Soldaten im Kampf gegen das nationalsozialistische Terror-Regime erinnert und freilich zugleich an die tragische Doppelbedeutung ihres Einsatzes denken läßt: Während sie Völker von der einen Diktatur befreiten, haben sie doch auch dieselben Völker einer neuen Diktatur, derjenigen Stalins und der kommunistischen Ideologie, unterworfen. Auch alle anderen Steine in den vielen Sprachen Europas sprechen uns von dem Leiden der Menschen aus diesem ganzen Kontinent; sie würden erst vollends zu unserem Herzen sprechen, wenn wir nicht mehr nur der Opfer im großen und ganzen gedächten, sondern die einzelnen Gesichter von Menschen sehen würden, die hier im Dunkel des Terrors endeten. Es war mir eine innere Pflicht, auch vor dem Gedenkstein in deutscher Sprache besonders innezuhalten. Von dort tritt das Gesicht von Edith Stein, Theresia Benedicta vom heiligen Kreuz, auf uns zu – Jüdin und Deutsche, die zusammen mit ihrer Schwester im Grauen der Nacht des nazideutschen Konzentrationslagers verschwunden ist, die als Christin und als Jüdin mit ihrem Volk und für ihr Volk sterben wollte.

Die Deutschen, die damals nach Auschwitz-Birkenau verbracht wurden und hier gestorben sind, wurden als Abschaum der Nation hingestellt. Aber nun erkennen wir sie dankbar als die Zeugen der Wahrheit und des Guten, das auch in unserem Volk nicht untergegangen war. Wir danken diesen Menschen, daß sie sich der Macht des Bösen nicht gebeugt haben und so als Lichter in einer dunklen Nacht vor uns stehen. Wir beugen uns in Ehrfurcht und Dankbarkeit vor all denen, die wie die drei Jünglinge angesichts der Drohung des babylonischen Feuerofens geantwortet haben: „Wenn überhaupt jemand, so kann nur unser Gott… uns retten. Tut er es aber nicht, so sollst du, König, wissen: Auch dann verehren wir deine Götter nicht und beten das goldene Standbild nicht an, das du errichtet hast“ (Dan 3,17f).

Ja, hinter diesen Gedenksteinen verbirgt sich das Geschick von unzähligen Menschen. Sie rütteln unser Gedächtnis auf, sie rütteln unser Herz auf. Nicht zum Haß wollen sie uns bringen: Sie zeigen uns, wie furchtbar das Werk des Hasses ist. Sie wollen uns zur Einsicht bringen, die das Böse als Böses erkennt und verneint; sie wollen den Mut zum Guten, zum Widerstand gegen das Böse in uns wecken. Sie wollen uns zu jener Gesinnung bringen, die sich in den Worten ausdrückt, die Sophokles der Antigone angesichts des Grauens um sie herum in den Mund gelegt hat: „Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da. “

Gottlob wachsen im Umkreis dieser Stätte des Grauens mit der Reinigung des Gedächtnisses, zu der sie uns drängt, vielfältige Initiativen, die dem Bösen eine Grenze setzen, dem Guten Kraft geben wollen. Eben durfte ich das Zentrum für Dialog und Gebet segnen. Ganz nah dabei vollzieht sich das verborgene Leben der Karmelitinnen, die sich besonders dem Geheimnis des Kreuzes Christi verbunden wissen und uns an den Glauben der Christen erinnern, daß Gott selbst in die Hölle der Leiden abgestiegen ist und mit uns leidet. In Oświęcim besteht das Zentrum des heiligen Maximilian und das Internationale Zentrum für die Erziehung über Auschwitz und den Holocaust. Es gibt das Internationale Haus für Jugendbegegnungen. Bei einem der alten Gebetshäuser besteht das Jüdische Zentrum. Schließlich ist die Akademie für die Menschenrechte im Aufbau begriffen. So dürfen wir hoffen, daß aus dem Ort des Grauens Besinnung wächst und daß das Erinnern hilft, dem Bösen zu widerstehen und der Liebe zum Sieg zu verhelfen.

Die Menschheit hat in Auschwitz-Birkenau eine „finstere Schlucht“ durchschritten. So möchte ich gerade an dieser Stelle mit einem Gebet des Vertrauens schließen – einem Psalm Israels, der zugleich ein Gebet der Christenheit ist: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er läßt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen. Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht… Im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit“ (Ps 23,1-4.6).

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Lesermeinungen

 Federico R. 18. April 2017 
 

Ein Glaubenszeuge für Karfreitag und Ostern - Teil 2

In der Todeszelle hatte Metzger eine Woche vor seiner Hinrichtung ein Osterlied geschrieben und vertont, das die Aufnahme ins neue Gotteslob durchaus verdient hätte. Im fränkischen Marienwallfahrtsort „Maria im Grünen Tal“, einer Gebetsstätte auch für die Einheit der Christen, wird sein Gedächtnis wachgehalten. Dort singt man in der Osterzeit immer wieder aus voller Kehle sein wunderbares Osterlied. Hier die 2. Strophe:
„Tod, wo ist dein‘ Macht geblieben? /
Höllenfürst, wie bist du klein! /
Alles Dunkel muß zerstieben /
Vor der Ostersonne Schein. /
Trutz dem Teufel! Trutz dem Tod! /
Christus überwand die Not. /
Alleluja! Alleluja!


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 Federico R. 18. April 2017 
 

Ein Glaubenszeuge für Karfreitag und Ostern - Teil 1

Jesus Christus ist auch für und mit den Opfern des Nationalsozialismus gestorben, für und mit allen. Und er hatte auch in den KZs und Nazi-Haftanstalten viele bewusste Nachfolger gefunden: Märtyrer, Glaubenszeugen. Einer von ihnen war Dr. Max Josef Metzger. In einem von Roland Freisler vor dem sog. Volksgerichtshof höhnisch geführten Verfahren war der Priester des Erzbistums Freiburg am 14. Oktober 1943 zum Tod verurteilt und am 17. April 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden enthauptet worden. Als Metzger im Schauprozess die Bewegung Una Sancta erwähnte, schrie Freisler: „Una Sancta, Una sancta – una sanctissima – Una – das sind wir, und weiter gibt es nichts!“.


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