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Von einer Freundschaft auf den zweiten Blick

28. Juli 2017 in Kommentar, keine Lesermeinung
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Das Tagebuch als Begleiter eines inneren, geistigen Weges. Ein „Itinerarium“, also mehr ein Buch der Wege als der Tage, ein Buch unserer Lebensreise …. BeneDicta am Freitag mit Gudrun Trausmuth


Wien (kath.net)
Als Mädchen habe ich von mehreren verschiedenen Menschen irgendwann einmal ein Tagebuch geschenkt bekommen. Optisch ganz unterschiedlich, von kitschig bis edel-stilvoll. Jedenfalls aber immer besonderes, etwas dickeres, oft seitlich gewelltes Papier. Zwei der Tagebuch-Exemplare hatten sogar ein Schloss (das ihnen allerdings schnell zum Verhängnis wurde, da ich gut im Verlieren von Zugängen bin, früher Tagebuchschlüssel, jetzt Codes…) Da ich früh einen Hang zur Ästhetik im Hinblick auf alles, was mit Papier, Schreiben und Text zu tun hatte, entwickelte, zogen mich diese Tagebücher an, und ich nahm sie gerne in die Hand, hatte gerne Umgang mit ihnen. Und doch teilten sie alle ungefähr das gleiche Schicksal eines „unerfüllten Tagebuchlebens“ und wurden bald nach wenigen beschriebenen Seiten langfristig in eine Schublade verbannt.

Tatsächlich ergriffen mich – obgleich ich immer gerne schrieb – Verdruss und Langeweile, wenn ich mich abends der Verpflichtung ausgesetzt sah, meinen Tag zu rekapitulieren – denn so wörtlich fasste ich die Funktion dieses leeren Buches auf, das ich so nachdrücklich über Jahre hin immer wieder geschenkt bekam. Später überlegte ich, ob ich meinen Tagebuchanspruch dem meiner Freundinnen anpassen sollte: Schwärmereien, emotionale Achterbahnen aufschreiben? Auch das lag mir nicht: meine Gefühlswelt „Schwarz auf Weiߓ festzuhalten, widerstrebte mir zutiefst. Was ich sonst in keiner Schreibsituation kannte, vermittelte mir das Tagebuch, sobald ich es aufschlug: die von Mallarmé beschworene „Angst vor der weißen Seite“ (l’angoisse de la page blanche). Seltsam unfrei, scheiterte ich an dem, gar nicht von außen vermittelten, sondern empfundenen Anspruch, hier „mein Innerstes“ aufschreiben zu müssen – und das machte mich luft- und lustlos.


Als ich mich später, während meines Studiums, mit den Tagebüchern von Goethe, Schnitzler, Zweig u.a. auseinandersetzte, fand ich die tiefere Motivation für meinen Unwillen, denn offenbar geht die Tagebuchforschung davon aus, dass das Tagebuch in Wahrheit nicht „für sich“ geschrieben wird, sondern für einen potenziellen Leser. Wohl genau deshalb war mir das das „cahier intime“ suspekt
Allerdings führte und führe ich immer ein Notizheft, das sich schnell in ein Buch auswuchs, ohne Schloss, ohne besonderen äußeren Anspruch, aber mit anfangs vielen leeren weißen Seiten, die sich fleißig füllen …. Dahinein kam von Anfang an recht kunterbunt alles Mögliche, was ich „nicht verlieren wollte“, was mich intellektuell, ästhetisch, in seiner Bildhaftigkeit oder seiner sprachlichen Präzision ansprach.

Auch die eine oder andere Skizze oder Tuschezeichnung, oft Vortragsnotizen, manchmal eine Poesie, oft ein gedankliches Konzept, ein Entwurf, ein Aphorismus, Überlegungen, die sich aus Erlebten speisten, kaum aber „Erlebnisse“, noch seltener Zahlenbezogenes, nie Mathematisches oder gar Formeln, wie ich sie später in großem Erstaunen und Ehrfurcht etwa in den wunderbaren „Cahiers“ der Simone Weil (1909-1943) entdeckte.

Dass ich also doch auch eine Art Tagebuch führe, war mir lange nicht bewusst - obwohl meine Einträge häufig mit Ort und Datum versehen sind: einer tagebuchtypischen Konstante, die sonst wohl nur der von vorneherein adressierte, also an jemand Bestimmten gerichtete, Brief kennt. Entscheidend war, dass ich meine Art des Tagebuchs entwickelte, die mit dem früher empfundenen Anspruch, wenig zu tun hat: es sind eher Notizen, im Sinne von „das muss ich mir aufschreiben“, Sprossen innerer Entwicklung, Wurzelngebendes, Zurufe, Begegnungen, Handzeichen und Wegweisungen, die mich treffen und denen ich folgen möchte.

Mein (rotes) Buch ist ein ständiger Begleiter, macht meine Tasche schwer, entlastet dafür aber Kopf und Herz.

Mittlerweile genieße ich es auch, andere Tagebuch-, Markierungs- oder Notizsysteme kennenzulernen und dadurch Anregungen für meine Aufzeichnungen zu bekommen. Gelegentlich lese ich aus diesem Grund gerne sogenannte literarische Tagebücher, die – deshalb das Attribut „literarisch“ – eben explizit im Hinblick auf eine Veröffentlichung geschrieben wurden.

Was schreibt dieser und was notiert ein anderer Mensch? Welche Koordinaten, welche Topoi des Schreibens gibt es da? - In Ernst Jüngers (1895-1998) faszinierenden Tagebüchern aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs fällt mir die kontinuierliche Traumerzählung auf, seine Farbenleidenschaft, aber auch seine sehr speziellen ästhetischen Erfahrungen, selbst im Grauen des Krieges. Und die Metaebene, d.h. das Nachdenken über das Tagebuch im Tagebuch: „Über das Tagebuch. Es trifft doch immer nur eine gewisse Schicht von Vorfällen, die sich in der geistigen und der physischen Sphäre vollziehen. Was uns im Innersten beschäftigt, entzieht sich der Mitteilung, ja fast der eigenen Wahrnehmung (Paris, 18.November 1941)“. Dann die Erfahrung in Ernst Jüngers Tagebuch, dass hier jemand in der Lage ist, etwas adäquat und bestechend klar zu beschreiben, was ich, mehr als 70 Jahre später, freilich dunkel und ohne Kontur genauso empfinde, und wo das treffende Wort eines sprachlich Vollmächtigen ein implizites Wissen gleichsam ins Licht des klaren Bewusstseins hebt: „Das Neue wirkt immer so, dass es zunächst ans Gültige sich anfügt, als zarter Widerspruch, als Schatten einer Möglichkeit. Dann dringt es in die Gegenstände ein. (…) Das Neue siedelt erst lange in Reflexionen und an fabulösen Rändern; es wirkt in geistigen Spielen, Utopien, Philosophemen, Theorien – und langsam dringt es dann in das Reale vor, zunächst osmotisch einsickernd. Die Nachen, die Schicksalsfiguren bringen, landen im Zwielicht, am abgelegenen Ort (16. Sept. 1942)“.

Das Tagebuch als Begleiter eines inneren, geistigen Weges. Ein „Itinerarium“, also mehr ein Buch der Wege als der Tage, ein Buch unserer Lebensreise …. Vielleicht ist es ja heute – in welcher Form und mit welchen Akzenten auch immer es geführt wird – wichtiger als noch vor ein paar Jahrzehnten. Das Tagebuch sei ausgerufen und empfohlen als Gegengewicht zur Dominanz des elektronischen „Gesichtsbuchs“ (manche Begriffe muss man übersetzen um ihre Seltsamkeit wieder zu empfinden), welches nicht nur das reichlich schrille Verb „liken - gelikt“ geprägt hat, sondern ohne das man tatsächlich nicht mehr im „inner ring“ des sozialen Spiels mitspielt. Dem stressigen Sozialbuch gegenüber präsentiert sich das Tagebuch als ein sinnlicher (handschriftlich!) freier, gestaltbarer Rückzugsraum des stillen, kreativen Nachdenkens und Unterscheidens.

P.S.: Einer der jüngsten Einträge in meinem Buch ist ein Satz des verstorbenen Kardinals Joachim Meisner, den er 1987 bei einem „DDR“-weiten Katholikentreffen, auf die omnipräsenten Leuchtsterne des Sozialismus zielend, gesagt hatte. Ein Satz wie ein Fanal, Orientierung gebend, zugkräftig und scharf wie ein Schwert, dabei subtil und klug in seiner mehrfach allusiven Stoßrichtung: „Wir wollen keinem anderen Stern folgen, als dem Stern von Bethlehem!“ – Wieder ein Wegweiser im Buch meiner Wege.


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