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Was verbindet die russischen Heiligen mit den katholischen?

24. November 2017 in Spirituelles, keine Lesermeinung
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„Aus ihrer religiösen Haltung erwuchs in Heiligen die Kraft fürs Durchstehen in bedrohlichen Situationen, ohne dass sie ihren Glauben verleugneten.“ Gastbeitrag der Religionspsychologin Martha von Jesensky


Zürich (kath.net)
Einleitung: Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) hält im Dokument „Lumen Gentium“ fest, dass jeder Mensch Christus nachfolgen und den Willen Gottes erkennen kann. Dazu gibt es unterschiedliche Wege, doch alle führen über das Kreuz. In diesem Sinn erinnert uns Guiseppe Gracia, Medienbeauftragter des Bistums Chur, daran, dass heilig sein nicht, wie heute von vielen angenommen wird nur ein Symbolwort für gelungenes Leben sei – nämlich, dass „das moderne bürgerliche Leben mit all seinen Lauheiten und Mittelmässigkeiten genügt, es braucht auch kein altmodisches Sündenbewusstsein mit dem drohenden Höllenfeuer im Nacken“, sondern etwas ganz anderes. Mit Verweis auf den Schriftsteller Keith Chesterson, „ein Heiliger wisse, dass er ein Sünder ist“, sagt Gracia: „Ein heiliger Mensch ist jemand, der in eine grosse Nähe zu Gott gelangt und dadurch für Andere etwas von Gottes Gegenwart spürbar macht.“ (TZ, 31.10.2017)

Nicht anders ist es auch bei den russischen Heiligen. Ihnen schwebte, insbesondere im 11. Jahrhundert, das Ideal der Gewaltlosigkeit und einer duldenden Liebe um Christ willen vor, bis zur Bekämpfung der Eigenwilligkeit. Ihre Reden, Klagen, Dank- und Bittgebete waren von der Diktion der Bibel beherrscht, besonders des Psalters und des Neuen Testamentes.

Nach ihrer Auffassung war ein Mensch, der nach dem Bösen trachtet, schlimmer als der Teufel. Denn der Teufel fürchtet Gott, der böse Mensch aber fürchtet Gott nicht.

Die russische Literatur hebt vor, dass die Erzählungen über die Heiligen aus dem 11. Jahrhundert, die frühesten Ausdrücke einer religiösen Haltung sind, die die russische Rechtgläubigkeit des 19. Und 20. Jahrhunderts für das Charakteristische des russischen Christentums hält, und das von niemanden besser darstellt wurde als von F. M. Dostojewskij. (Vgl. Ernst Benz, 1983, S. 53)

Hinweis: Die wissenschaftliche Erschliessung der russischen Heiligen erfordert es, möglichst auf die ältesten und ursprünglichsten Texte der Überlieferung zurückzugreifen. Nun ist diese Überlieferung in Russland selbst für diese Zeit spärlich. Noch mehr gilt dies für Deutschland. Die meisten deutschen Bibliotheken haben entweder keine oder nur zufällige Bestände an russischen Heiligengeschichten aufzuweisen. – Als dann die slawistischen Bestände der ehemaligen Preussischen Staatsbibliothek in Marburg zur Aufstellung kamen, ergab sich die Gelegenheit, in die zahlreichen Texte dieser Bestände einzusehen. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter von Ernst BENZ, Herausgeber der „Russischen Heiligenlegenden“ (1983), auf dessen Buch ich mich beziehe, haben die Quellen (inklusive die Übersetzungen aus dem Russischen) besorgt.

Ist der gute Wille immer gut?

Am Anfang eines jeden heiligmässigen Lebens steht die Sehnsucht „neuer Mensch“ in Christus zu werden. So sagt auch PAULUS: „Ziehet aus den alten Menschen mit seinen Taten und ziehet an den neuen Menschen, der neu geschaffen wird zur Erkenntnis nach Bilde dessen, der ihn schuf.“ („…exspoliantes vos veterem hominem cum actibus suis et induentes novum eum, qui renovatur in agnitionem secundum imaginem eius, qui creavit illum. / Zitat nach P. Ott, 1940)

Dieses neue Leben erhalten wir zwar in der Taufe, doch seine Entfaltung geschieht nicht ohne unsere Mitwirkung. Es ist eben eine elementare Voraussetzung bei Umgestaltung in Christus, dass man die Bereitschaft mitbringt „abzunehmen“, damit Christus in uns „wachsen“ kann. Das ist aber nur möglich, wenn man sich seine Erlösungsbedürftigkeit bewusst wird.

Auch nicht religiöse Menschen, die sich sittlich verbessern wollen, kennen die Notwendigkeit einer Arbeit an sich selbst, nicht aber ihre Erlösungsbedürftigkeit. Sie verbleiben in ihrer naturimmanenten Entwicklung. Sie erkennen die tiefe Wunde der Erbsünde (Adams Ungehorsam) nicht, mit der unsere menschliche Natur geschlagen wurde und dass wir uns aus eigener Kraft nicht heilen können.

In einem neuerwachten Menschen lebt die Sehnsucht nach Reinigung, nach einer Umwandlung, die ihn befähigt vor Gottes Antlitz hinzutreten. Schon den ganzen Alten Testament hindurch klingt diese Sehnsucht: „O Gott, stelle uns wieder her: zeige uns dein Antlitz und wir werden gerettet sein.“ (Deus, converte nos.; et ostende faciem tuam, et salvi erimus. [Psalm 79,4])

Christus, der Messias ist nicht nur der Erlöser, der den Schuldbrief vernichtet hat, er ist auch der Spender dieses neuen Lebens. Das unerhörte Abenteuer eines solchen Lebens kann nur der wagen, der mit Paulus sagt: „Ich weiß, wem ich geglaubt“. (Scio enim cui credidi)

Nun, dass es gar nicht so einfach ist den „alten Menschen“ mit seiner an die Triebe gefesselten Neigungen „auszuziehen“, wissen wir nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern auch aus den Biografien zahlreicher Heiligen.

Beispiel
Die heilige Crescentia von Kaufbeuren war im Jahr 1741 zur Oberin des Klosters Mayrhof in Kaufbeuren gewählt worden. Das Ereignis hat sie fassungslos gemacht, denn noch ein Jahr zuvor war sie sterbenskrank. Schon im ersten Jahr ihrer Amtswaltung im Frühjahr 1742, wurde sie wieder krank. Eine Wassersucht, die sich allmählich gebildet hatte, nahm lebensgefährliche Formen an. Ihr Körper war so aufgerieben, dass sie weder sitzen noch liegen konnte, nur noch gegen einen Sessel gelehnt, zu stehen. Die Ärzte gaben sie auf. Dann aber, völlig überraschend, trat eine Gesundung ein.

Ihr Biograf Arthur Maximilian Miller (2002), schreibt: So erstaunlich diese Gesundung war, so segensreich sie sich im Wirken Crescentias als Oberin gestaltete, dennoch waren zwei ihrer letzen Unternehmungen zum Scheitern verurteilt. Denn es durfte kein Festhalten mehr an irgendeiner irdischen Sache geben, es mochten noch so fromme, religiöse und erbauliche Wünsche sein, „sofern sie das Herz noch fesselten, waren sie abzutun. Und da Crescentia sie nicht abtat, wurden sie ihr entrissen.“ (S. 365-366)


Was ist geschehen? Bei einer ihrer Wanderungen nach Obergermaringen, hatte Crescentia eine Kirche besichtigt. Ihre Augen fielen auf einen Kreuzweg, der von dem Maler Joseph Schwarz aus Eggenthal stammte. Er hatte um diese Zeit seine Werkstatt in Buchloe. Crescentia war von diesem Kreuzweg begeistert. Es stieg in ihr der Wunsch auf, den gleichen auch zu besitzen, und zwar in grösserer Dimension als die Zier der Wände im Schlafhausgang ihres Klosters. So würden die Nonnen, so oft sie von ihren Zellen kamen oder zu ihnen zurückkehrten, an den Leidensweg des Herrn erinnert. Sogleich suchte sie den zuständigen Pfarrer Erasmus Oxenreiter auf, um ihn für dieses Projekt zu gewinnen. Er aber wehrte energisch ab. Crescentia liess sich nicht von ihrem Wunsch abbringen, sie beharrte darauf. Schliesslich willigte der Pfarrer ein, unter einer Bedingung. Man dürfe ihm bei der Realisierung des Projektes nicht dreinreden. Crescentia gab ihr Einverständnis.

Sodann stellte der Kunstmaler das Werk nach den Angaben des Pfarrers her. Da der Pfarrer Crescentia besonders verehrte, gab er dem Maler die Anweisung, ohne Crescentias Wissen, ihr Gesicht sollte auf den Tafeln des Kreuzweges zweimal erscheinen. Sie sollte die in Ohnmacht sinkende Mutter Jesu mit ihren Armen umfassen und so gleichsam ihre Qual auf sich zu nehmen.

Nun, als Crescentia ihre eigenes Bild unter dem Kreuz sah, empörte sie sich: wie konnte man ihre Person, die ja ein nichts ist, unter den frommen Frauen auf Golgotha aufstellen, damit alle Menschen es sehen können? Alles in ihr wehrte sich dagegen. In einer derben Sprechweise, wie das bei nicht so kultivierten Arbeiterfamilien üblich war, begann sie zu schimpfen: (Auszug aus dem Originaltext in damaliger Grammatikform) „O her Pfarrer, was ist dis? Ach, was haben sie gedenckht, das sie mein bildnus, disen vnflat, diese hessliche Larven, dis Muster, dis affengesicht, disen todtenkopf, dis abscheyliche thür (Tier) haben anmahlen lassen! O, wan ich nur alsogleich dis affengesicht kunte herunterreissen und in das feuer werffen…“ (Bemerkung: „Muster“ ist im Schwäbischen Sinn eine Bezeichnung für schlechten Charakter.)

Es ist richtig, wie Arthur Maximilian Miller schreibt, dass es bei den Heiligen vorkommt, dass ihre alte Natur, wie Zorn, Hass, Überdruss, Eigenwille, alles Eigenschaften, die sie geglaubt haben bereits überwunden zu haben, wieder in Erscheinung treten.

Miller: „Aber es ist nur ein letztes, leeres Aufbäumen, ein Phantom, das keine Wurzel mehr in der Seele hat, als würde einem sein eigenes leidenschaftliches Trugbild nochmals vor Augen gehalten, jenes Trugbild der Ichhaftigkeit, das einen einmal besessen hatte, sei es als schöne Maske oder Larve, sei es als Bild der Hübschheit oder als Affengesicht.“ (S. 369)

Wie man sieht, bei der heiligen Crescentia waren diese „Resten“ ihre Eigenwilligkeit, speziell ihre Neigung zu Trotzigkeit und Spuren eines noch in Jugendjahren verletzten Egos. (Man hat sie manchmal in der Familie wegen ihrem Aussehen verspottet)

Dass es nicht immer gut ist beim Vollbringen eines guten Werkes sich allein von Gefühlen leiten zu lassen, hat auch die heilige Maria Faustyna Kowalska (1905-1938) erfahren. Im Glauben, dass sie die Förderung der Verehrung der Barmherzigkeit Gottes zügiger realisieren könnte, wenn sie aus ihrem Kloster herausträte, schreibt sie im Mai 1937 in ihrem Tagebuch: „Heute ging ich kurz zur Mutter Generaloberin und fragte: ‚Hatte die liebe Mutter irgendeine Eingebung zur Frage meines Ausscheidens aus dem Kloster?‘ - Die Mutter Generaloberin entgegnete: Bisher habe ich Sie, Schwester, immer zurückgehalten, doch jetzt gebe ich Ihnen die Freiheit…Sie können den Orden verlassen und Sie können, wenn Sie es wollen, bleiben. - Ich sagte darauf: Also gut. Ich dachte sofort daran, an den Heiligen Vater zu schreiben, um ihn um meine Befreiung von den [ewigen] Gelübden zu bitten. - Als ich die Mutter Generaloberin verliess, kam in meine Seele irgendeine Dunkelheit – genau wie früher. Es ist sonderbar, so oft ich um das Ausscheiden bitte, wird meine Seele von solcher Dunkelheit erfasst und ich habe das Gefühl, als wäre ich mir selbst überlassen… In dieser geistigen Qual beschloss ich, sofort zur Mutter zu gehen und ihr meine sonderbaren Qualen und Kämpfe vorzutragen. Die Mutter entgegnete darauf: Ihr Ausscheiden, Schwester, ist eine Versuchung. Nach dem kurzen Gespräch spürte ich Erleichterung…“ (Heft III, S. 345)

Wie kam das Christentum nach Russland?
Auch die russischen Heiligen gingen ähnliche Wege wie Crescentia und Schwester Faustyna bei der Aufdeckung ihrer Fehler. Dazu dienten ihnen die Sprache der Heiligen Schrift und die Liturgie, das heisst, die Ordnung der religiösen Zeremonie. Nicht nur die Heiligen, sondern auch ihre Verfasser, die Mönche, verbrachten den grössten Teil ihrer Zeit mit Gebeten, Gottesdiensten, Schriftlesungen, Psalmensingen und Meditationen. Sie haben die Worte Jesu, der Apostel, Märtyrer und der Propheten immer wieder betend und meditierend wiederholt. Das war die Richtschnur ihres christlichen Lebens und Denkens.

Die Heilige Schrift erschien ihnen als Urbild und Abbild der irdischen Wirklichkeit, das irdische Leben wurde im Licht dieses biblischen Modells gesehen. So verliefen die Reflexionen der Autoren in Form einer Aneinanderreihung von Worten der Heiligen Schrift, wenn zum Beispiel die Heiligkeit (Tugend) einer Tat oder eines Leidens gezeigt werden sollte. Es ist also nicht so, wie es heute üblich ist, dass durch eine nachträgliche theologische Reflexion biblische Ereignisse und Gestalten interpretiert werden, sondern umgekehrt: Das Urbild, das heisst, die Heilige Schrift war der Ausgangspunkt ihrer Beschreibungen und zwar so, dass die Heilige Schrift bereits die Deutung der Ereignisse sowohl bei den Heiligen als auch im persönlichen Leben der Autoren bestimmt hat. So war es gewissermassen selbstverständlich, dass auch der erste bedeutende russischer Heiliger, der Fürst und Herrscher Wolodimer, genannt Wladimir, bei seiner Taufe (990?) auch die Taufe Russlands vollzog. Das bezeugt seine Taufliturgie. Siehe hierzu einen Auszug: (Zitat)

„…Wie der menschenfreundliche Gott ihn liebte, der jeglichen Menschen erretten und zur wahren Erkenntnis führen will…Wie der Hirsch dürstet nach den Wasserquellen, so dürstete der gläubige Wolodimer nach der heiligen Taufe, und Gott erfüllte seinen Wunsch…So liess sich Fürst Wolodimer taufen, und seine Kinder und das ganze russische Land von einem Ende bis zum andern…und der Davidsfürst Wolodimer freute sich, wie der heilige Prophet Habakuk…“

Ein Hinweis: Die Sprache der Liturgie, an deren Ausgestaltung schon die bekanntesten Frommen der Alten Kirche, wie der Heilige Chrysostomus, Basilius, Ephräm der Syrer, Simeon der Neue Theologe, mitgewirkt haben, war durch den Gedanken vom Urbild und Abbild bestimmt. Ständig nahm die Liturgie bei allen Vorgängen Bezug auf die Urbilder des Alten und Neuen Testamentes.

Nie wurde Gott abstrakt, das heisst, ohne Bezug auf die Wirklichkeit, beispielweise als Vater der Verzeihung angerufen, sondern, wie in der Liturgie des Busssakramentes als derjenige Gott, der David, (Zitat) „da er seine Schandtaten bekannte, durch den Propheten Nathan Verzeihung gewährte…der, der dem Petrus, da er sein Leugnen bitter beweinte… und dem Zöllner, wie auch dem verlorenen Sohn verzieh.“

Das Christentum hat aber schon früher in Russland Fuss gefasst. In Vertragsurkunden des 10. Jahrhunderts werden russische Christen und sogar eine Kirche des heiligen Elias in Kiew genannt. Auch hatte bereits Wladimirs Grossmutter Olga die Taufe empfangen – doch allzu grosse Bedeutung kann diesen Anfängen nicht gemessen werden, denn Olgas erster Versuch, Russland zu christianisieren, scheiterte.

Der erste Missionsversuch kam im 9. Jahrhundert aus Byzanz, dann, aus dem im gleichen Jahrhundert christianisierten Bulgarien, und schlussendlich aus dem Westen, dem ebenfalls im 9. Jahrhundert christlich gewordenen Böhmen. Welchem dieser drei Wege die erste Stelle gebührt, lässt sich bis heute nicht genau sagen. Wladimir selbst tauschte mehrfach Gesandtschaften mit der römischen Kirche aus, hatte sich dann für Byzanz entschieden - vielleicht aus politischen Gründen. Bereits 993 führte Wladimir eine kirchliche Gesetzgebung ein, sogenanntes „Nomokanon“, dessen russische Fassung westlichen Einfluss zeigt.

Sein Sohn, der heilige Jaroslaw, liess die Ausbreitung geistiger Bildung intensiv fördern. In Nowogrod gründete er eine Schule mit dreihundert Schülern, in Kiew legte er eine Bibliothek an, für die er einen ganzen Stab Übersetzer arbeiten liess. Unter ihm erhielt Russland im Jahre 1037 auch einen Metropoliten griechischer Herkunft, der seinen Sitz in Kiew hatte.

Die Suche nach dem Geheimnis des Glaubens

Die heilige Crescentia von Kaufbeuren entwickelte schon als Kind einen Hang zur Einsamkeit. Sie zog sich in die verborgenen Ecken ihres elterlichen Hauses zurück, errichtete auf dem Dachboden eine bis heute erhaltene Klause, wo sie sich unbefugten Blicken entziehen konnte. Hier kniete sie lange und betete.

Die Sakramente der Kirche übten einen tiefen Einfluss auf sie aus, insbesondere die Eucharistie. Zwar konnte sie die Vorgänge noch nicht deuten, aber aus einem starken Impuls heraus verlangte sie die Eucharistie zu empfangen. Oft fand man sie, wenn sie zu Hause vermisst wurde, in der Kirche. Je mehr sie heranwuchs, desto deutlicher wurde, dass sie aus einem „Zentrum“ heraus lebte, das alles in ihr ordnete, ihr überraschende Erkenntnisse gab – gleichzeitig sie aber zur höchsten Hingabe aufforderte. Der Magnet ihres Lebens blieb aber immer die Eucharistie. Sie war ihr geheimes Zentrum, das sie lehrte, dass ein Wissen in ihr verborgen war, dessen Wirksamkeit sie - wenn sie Gebrauch davon macht -, auf allen Gebieten ihres Lebens sichtbar machen könne. Zu diesem verborgenem Wissen gehörte zum Beispiel die Bedeutung des Gehorsams gegen die Eltern, Lehrer, Priester und in vernünftigen Dingen selbst gegen die Geschwister. Es handelte sich, so ihr Biograf Miller, um ein „eingegossenes Wissen“ und nicht um Erkenntnisse durch die Anstrengung des Verstandes.

(Zur Erinnerung: Dieses „eingegossene Wissen“ empfangen wir nach Ezechiel [27-28] von Gott, damit wir seine Gebote erkennen und erfüllen können. „Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet…“ Der international bekannte Erbgut-Forscher S. COLLINS (64) nennt das „Gottes Software des Lebens“)

Das „eingegossene Wissen“ kam auch der heiligen Crescentia zugute, insbesondere als sie Oberin wurde. Zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten ihrer Zeit, aber auch einfache Menschen, suchten Rat bei ihr. Darunter Kurfürstin Maria Amalia von Bayern, Kaiser Karl VII., Kaiserin Maria Theresia (sie stand in Briefwechsel mit ihr), Erzbischof Leopold von Firmian von Salzburg, Dekan Adalbert von Falkenstein, Kardinal Theodor, Clemens August und viele andere.

Ihren Dienst im Sprechzimmer des Klosters empfand sie aber als eine harte Pflicht, da die Zuwendung der „Grossen“ beschämte sie. Anderseits erkannte sie ihren „Weltauftrag“, dass sie dem „absolutistischen Eigenwillen der geistlichen und weltlichen Landesherren“ eine Korrektur erteilen sollte. (Miller)

Ihre ganze Theologie - so sehe ich – könnte man auf eine einzige Metapher zurückführen, die sie einmal einer Nonne (Bernardina) in die Hand drückte: „Bernardina, schauen Sie her, ich schenke Ihnen ein Stücklein der göttlichen Allmacht.“ Was sie aber ihr reichte, war nichts anders als ein Baumblatt. Und sie fügte hinzu:

„Sehen Sie doch, da können Sie die göttliche Vollkommenheit betrachten, die göttliche Allmacht und Weisheit! So nämlich, wie hier aus der einen Hauptader alle übrigen kleineren hervorkommen, ebenso fliesst alles aus Gott heraus. Und wie die kleinen Adern ihren Saft nur aus der grossen haben, aus der sie entstehen, so kann im Menschen nichts Gutes gefunden werden ausser durch die Gnade Gottes.“

Konkret verstand sie darunter auch ihre Fähigkeit Menschen, mithilfe göttlicher Eingebungen zu beraten.

Ein Beispiel: Der Kemptener Fürstabt Rupert von Bodmann hatte seit Langem Probleme mit seinem Konvent. Er hatte gegen das Wahlrecht desselben verstossen, als er 1722 den Dekan Adalbert von Falkenstein zu seinem Coadjutor ernannte und ihm die Nachfolge in der Abtwürde versprach. Der Streit dauerte schon sechs Jahre. Weder der Papst noch der Kaiser konnten eine Schlichtung erreichen. Es ging darum, die Ernennung Adalberts für nichtig zu erklären um die Neuwahl eines Coadjutors zu ermöglichen. Da der Fürstabt Crescentia verehrte und ihr vertraue, bat er sie sie in dieser Sache zu vermitteln. Crescentia schrieb an den Fürstabt: (Auszug) „Aus Gehorsam gegen meine Oberin habe ich Unwürdige die göttliche Güte gebeten, Euerer Hochfürstlichen Gnaden nochmals gnädig seinen heiligen Willen zu eröffnen, und also gefragt, ob es noch nach dem Sinn und dem heiligen Willen Gottes sei, was er mir früher angezeigt habe: Darauf hat mir die göttliche Liebe folgende Worte geantwortet: ‚Ich verändere meinen Sinn und Willen nicht so leichthin, wie es die Menschen tun, sondern was ich geredet und was ich habe schreiben lassen, das rede ich noch und das wird mein unabänderlicher Wille sein…Wenn er je einen Coadjutor haben will, so ist es mein Wille, dass es auf keine andere Weise geschehe, als durch eine freie Wahl…Doch es bleibt, wie ich schon zum erstenmal gesagt habe, dass ich es seinem freien Willen überlasse.“ (S. 301-302)

Der heilige Feodossij aus Kiew (11. Jahrhundert)
Feodossij wurde in Wassiljew, nicht weit von Kiew, geboren. Seine Eltern waren wohlhabende Christen. Die Mutter, eine resolute Frau mit besitzergreifenden Charakterzügen, zum Zorn neigend, versuchte Feodossij, der sich schon in Kindheit aus Liebe zu Jesus zu Schweigsamkeit hingezogen fühlte, zu einem weltlichen Leben zu erziehen. Dagegen wehrte sich Feodossij vehement. So wollte er unter anderem, zum Ärger seiner Mutter, anstatt Kleider aus feinem Stoff, nur einfache Sachen aus grobem Material tragen. Auch ging er freiwillig mit den Knechten auf dem Acker, um ihnen zu helfen. Die Mutter sagte: „Mit solchem Wandel bringst du Schande auf dich und dein Geschlecht“.

Als er dreizehn Jahre alt war starb der Vater. Einmal kam eine Pilgergruppe in seine Stadt, sie war unterwegs nach Jerusalem. Er bat sie mitgehen zu dürfen. So schlich er eines Nachts aus dem Elternhaus und gesellte sich zu ihnen. Nach drei Tagen erfuhr die Mutter, dass er mit den Pilgern fortgezogen war. Sie eilte ihnen nach und fand den Sohn. Zuhause angekommen warf sie ihn zum Boden (sie war körperlich stark), zog ihn an den Haaren und schlug ihn, heute würde man sagen, spitalreif. Danach fesselte sie seine Füsse und gab ihm erst nach zwei Tagen zum Essen. Nach diesem Vorfall nahm aber Feodossij seinen alten Kampf wieder auf, ging täglich in die Kirche, bis er eines Tages wieder aus dem Haus floh. Er suchte das „Höhlenkloster“ in Kiew auf und bat dort um Aufnahme. Die Mönche nahmen ihn auf.

Wie kam es zum Namen Höhlenkloster?
Im Gegensatz zu allen andern Klostergründungen dieser Zeit, war dieses Kloster nicht aus der Stiftung eines Fürsten oder Bischofs hervorgegangen, sondern aus einer freien Vereinigung gottbegeisterter Menschen, die im Verborgenen zu Gott beten wollten. Die Benennung „Höhlenkloster“ stammt von dem Kiewer Metropolit ILARION, der, noch als Priester, auf einem Hügel am Fluss Dnjerp eine Höhle grub, um dort im Schweigen und Beten Gott zu suchen.

Diese Neigung zu Schweigsamkeit und Beten war allen russischen und katholischen Heiligen gemeinsam. So schreibt zum Beispiel die heilige Faustyna in ihrem Tagebuch: (Auszug)

„Das Schweigen ist ein Schwert im geistigen Kampf. Schwatzhafte Seelen gelangen nie zur Heiligkeit. Dieses Schwert des Schweigens schneidet alles ab, was sich der Seele anheften will. Wir sind gewohnt auf Sprache zu reagieren und meinen immer gleich antworten zu müssen… Eine schweigsame Seele ist stark; alle Widerwärtigkeiten schaden ihr nicht, wenn sie im Schweigen ausharrt…sie lebt fast immer unter der Eingebung des Heiligen Geistes.“ (Heft I, Paragraph 477)

Aus dieser religiösen Haltung erwuchs in Heiligen auch die Kraft fürs Durchstehen in bedrohlichen Situationen, in die sie oft geraten sind, ohne ihren Glauben zu verleugnen. Ihr verborgenes Zentrum war Christus, den sie in der Eucharistie real zu begegnen glaubten. In diesem Sinn lehrt das Zweite Vatikanische Konzil:

Jesus ist das Wort Gottes, das für das Heil aller Mensch geworden ist. Der Herr ist das Ziel der menschlichen Geschichte, der Punkt auf den hin alle Bestrebungen der Geschichte und Kultur konvergieren…die Freude aller Herzen und die Erfüllung ihrer Sehnsüchte. Ihn hat der Vater von den Toten auferweckt, erhöht und zu seiner Rechte gesetzt…Gerade diese Einzigartigkeit Christi ist es, die ihm eine absolute und universale Bedeutung verleiht.“ (Offb. 22,13 / Auszug aus dem „Dominus Jesus“, 2005)

Ohne Zweifel: Menschen die diesen Glauben verinnerlicht haben, strahlen eine geheimnisvolle Freude aus und können, wie Guiseppe Gracia sagt, „etwas von Gottes Gegenwart für Andere spürbar machen.“

Dr. phil. Martha von Jesensky (Foto) ist Religionspsychologin und praktizierende Katholikin. Die Schweizerin führte lange eine eigene Praxis in Zürich, ihren (Un-)Ruhestand verbringt sie in Matzingen TG

Foto (c) Martha von Jesensky


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