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Gott – ein Rad, bei dessen Drehung sich nichts mitdreht?

4. Juli 2018 in Kommentar, 1 Lesermeinung
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„Homo Deus, eine kurze Geschichte von Morgen“, das Buch des israelischen Autors Yuval Noah Harari macht Furore. Gott wird in der Sicht dieses Buches schlicht überflüssig. Gastkommentar von Helmut Müller


Vallendar (kath.net) Der Mensch wird in diesem Buch selbst zu seinem Gott. Nichts ist vor ihm, mit ihm, über ihm und nach ihm, überall begegnet Homo sapiens nur sich selbst, der Welt in der er lebt und immer mehr seinen Artefakten. Künstliche Intelligenz erfährt er zunehmend als ihm überlegene. Das ängstigt ihn. Er kann sie nur schwer einordnen: Er ist zwar ihr Schöpfer. Sie ist ihm inzwischen aber in beängstigender Weise entglitten. Dem Autor fehlt offenbar die Kategorie des Selbstseins, mit der man jedes Lebendige von Nichtlebendigem abheben kann. Kein Thermometer misst die Raumtemperatur in eigenem Interesse, sondern in unserem. Auch Computer bleiben somit „Denksklaven“, weil sie kein Selbstsein haben und wir ihnen prinzipiell auch keines geben können, weil wir gar nicht genau wissen was das ist, nur uns so erfahren. Über eine programmierte Simulation eines solchen kommen wir nicht hinaus. Selbstsein ist überhaupt ein Rätsel. Jeder kennt nur sein eigenes und fremdes nur durch Beschreibung. Kein Zahnarzt fühlt den Schmerz seines Patienten. Er „glaubt“ ihm oder eben nicht, dass er kein Simulant ist. Diese Kategorie des Selbstseins kennt der Autor offensichtlich philosophisch nicht, auch wenn er sicherlich weiß, dass man bloß den Stecker ziehen muss oder den Akku sich entleeren lässt, um einen eventuellen „Aufstand von Denksklaven“ niederzuschlagen. Man braucht eben einen Begriff von Gott um den Unterschied von Schöpfer und Geschöpf zu begreifen. Selbstsein als solches bleibt weiterhin rätselhaft. Jeder Einzelne kennt Selbstsein nur von sich selbst. Von allen anderen nehmen wir es bloß an. Selbstsein ist offensichtlich ein Geschenk, das wir ausschließlich durch den Geschlechtsakt weitergeben können, ohne dass das eigentlich Selbstsein Generierende in unserer Macht stünde. Das eben nennen wir Gott und Gott hat Harari aus seinem Denken und der Welt hinauskomplimentiert.

All dies ist eigentlich nichts wesentlich Neues; man könnte sagen: Ernst Blochs „Prinzip Hoffnung“ von spätestens 1959, jetzt mit einer Prise Pessimismus garniert. Hans Jonas hat darauf etwa 20 Jahre später mit seinem „Prinzip Verantwortung“ reagiert: Und zwar mit der Einsicht, dass das am Horizont vom Prinzip Hoffnung erscheinende „Summum bonum“ (Höchstes Wohl) nicht möglich ist. Jonas schlägt vor wenigstens das „Summum malum“ (Höchstes Übel) zu vermeiden. Alle drei jüdischen Denker schreiben also eine „Geschichte von morgen“, die vor unterschiedlich langer Zeit jeweils in einem Gestern geschrieben worden ist. Zwei kommen ohne Gott aus, einer, Hans Jonas mit einem, allerdings nicht allmächtigen Gott daher, dem der Homo sapiens „helfen“ muss, dass nicht alles in einem Supergau des summum malum endet. Im Grunde genommen wird der Mensch in allen drei Büchern zum Thronerben Gottes.


Hararis „Homo“ ist s. E. mittlerweile erfolgreicher als Jesus. Auch nichts Neues. Das wusste schon die Aspirinwerbung, die vor Jahren mit „Etwas weniger Schmerz auf dieser Welt“ für ihr Produkt warb. Die heutige Medizin heilt mehr Menschen als damals in Palästina krank waren, die wenigen von Jesus geheilten inklusive. Die einzige Bedrohung – oder auch Chance nach Harari – sind die eigenen Schöpfungen dieses Homo sapiens, vor denen er zunehmend Angst haben muss. Er befindet sich mittlerweile in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. Wie Goethes Zauberlehrling die Zauberkunst aus dem Ruder lief, sind ihm seine Artefakte nicht nur einzeln, sondern als Systemganzes entglitten. Das System, das er mit mehr oder weniger Gewalt in die Natur hineingestemmt und geschaffen hat, degradiert ihn selbst zu einem Element in diesem. Computersysteme, die eigentlich als Denksklaven geschaffen wurden, drohen sich zu befreien, eigenständig zu werden und ihren ursprünglichen Herren selber zu versklaven. Der moderne Homo sapiens – der ach so kluge – wird offensichtlich nicht nur sein eigener „Deus“, sondern auch sein unerbittlicher „Diabolos“.

In einer Freiburger Podiumsdiskussion im Juni zum Buch wurde nach Lösungen im Buch selbst gefragt. Der Autor, so hieß es, vertröstet auf sein nächstes Buch, das schon in der Mache sei. Daraufhin richtet ein Teilnehmer der Veranstaltung die Frage an das Podium nach Lösungen, besetzt mit zwei Theologen und einem Philosophen. Antwort: Ein verlegenes, vielleicht auch nachsichtiges Lächeln, zumal in der Anmoderation schon darauf hingewiesen wurde, dass auf Gott, gleich welchen, wohl nicht rekurriert zu werden braucht, da beide Theologen Vertreter eines modernen Freiheitsbegriffs sind. Die sich als autonom verstehende Vernunft von Homo sapiens muss das schon alleine schaffen. Sie fühlt sich weder an Weisungen von woanders her gebunden, noch hat sie solche nötig. Ja, eine Weisung von jenseits menschlicher Vernünftigkeit würde das Autonomiekonzept sogar stören.

Überdies ist das Fatum des Buches nicht wegzudiskutieren, dass der Mensch sich in dem Gespinst, das er erschaffen, heillos verheddert hat. „Nur ein Gott kann uns noch retten“: Über diese Aussage des späten Heideggers nachzudenken war an diesem Abend offensichtlich nicht das Thema. Aber in einer Zeit, wo hohe Vertreter des christlichen Gottes am Ort, wo Christus das Kreuz auf sich genommen hat, es ablegen, was sogar der Bild-Zeitung aufgefallen ist und auch der Papst in Wim Wenders Film „Ein Mann seines Wortes“ ohne Not erklärt, auf gar keinen Fall jemanden bekehren zu wollen, kann das nicht verwunderlich sein. Man kann da schon fragen: Warum in aller Welt hat Gott sich das angetan, sich in die Knochenmühle der Welt zu begeben? Nur um zu erfahren, was Kinder in einem gewissen Alter ihren Eltern sagen: „Papa, alleine machen“ und dann geht’s oft daneben. Klar, man muss das Kind machen lassen, es muss ja selbständig werden, aber es sollte nicht alles vergessen, was es bis dahin gelernt hat oder das schon Bewährte bis zur Unkenntlichkeit verändern. Vertreter autonomer Vernunft sind rigoros: Nichts was eigener Vernunft uneinsichtig ist, hat letztlich Bestand.

Über den christlichen „Deus“ ist im „Wesen des Christentums“ in den letzten fast zweihundert Jahren mehrfach nachgedacht worden: Feuerbach hat in „Das Wesen des Christentum“ selbiges – man könnte sagen als Hirngespinst, verabschiedet, Harnack hat es auf das bloße Humanum reduziert, Bultmann mythologisch entwirklicht: Seine zentrale Gestalt, der Nazarener, wurde auf sein pures Menschsein reduziert. Eine kritische Antwort darauf gaben u. a. aber Barth, Guardini und Ratzinger, die doch noch seinen Wesenskern herausgeschält haben: Der Mann aus Nazareth hat statt eines besseren „Homo“ „Gott gebracht“ (Benedikt XVI.). Denn dann brauchen wir keine Angst mehr zu haben vor den Maschinen. Sie sind uns nichts Ebenbürtiges, nur unserem Können partiell überlegen, nicht in unserem Sein. Wenn die „Weisheit der Vernunft“, mit Paulus gesprochen, an ihr Ende kommt, das kann man in dem Buch und konnte man an dem Abend in Freiburg mit Händen greifen, kann nur noch die „Torheit des Glaubens“, bzw. des Bekenntnisses im Heideggerschen Sinn „retten“. Wenn man Gott ausklammert in der Rede über den Menschen, wie Harari und leider auch an besagtem Abend in Freiburg, spricht man wie ein Blinder über Farben. Möglicherweise hat das der späte Heidegger in den 70er Jahren begriffen, so wie der kanadische Philosoph Charles Taylor in der Gegenwart, wenn er von einem „[Gott] ausgrenzenden Humanismus“ spricht. Anselm von Canterbury im hohen Mittelalter wusste es noch ganz sicher, wenn er die Frage „Cur Deus homo“ – warum ist Gott Mensch geworden - stellte und damit Heidegger in erweitertem Sinn recht gab: Nur ein Gott kann uns retten. So wird notwendig jeweils in einem Gestern in aller Ungewissheit über ein Morgen nachgedacht. Geradezu bedrängend wird dieses Nachdenken, wenn das eigene Selbstsein endgültig zu verlöschen droht und die mit diesem verbundene Vernunft nicht verlustfrei in ein Transhumanes gerettet werden kann. So ist auf der Todesanzeige vom Juni dieses Jahres über ein Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der antitheistisch ausgerichteten Giordano Bruno Stiftung zu lesen, dass „Prof. Dr. Franz Manfred Wuketits“ […] versehen mit den heiligen Sterbesakramenten selig entschlafen ist.“ Der Glaube an einen „Deus“, nicht von Homos Gnaden war damit irgendwann für ihn offensichtlich nicht mehr bloß eine auf „Illusion beruhende Gehirnakrobatik“, wie er sich einmal äußerte. Auch dem klügsten Professor bleibt es nicht erspart, letztlich doch zum Confessor, so oder so, zu werden.

Vorankündigung: Neues Buch des Autors!
In aphoristisch zugespitzten Texten nimmt Helmut Müller kontroverse Ereignisse im Wechselspiel zwischen Kirche und Gesellschaft des letzten Vierteljahrhunderts in den Blick.

Für ihn haben Hoffnungsträger verschiedener Couleur den Ordo amoris, die Ordnung der Liebe, verletzt. Das kann in zweifacher Weise geschehen, entweder offenherzig oder engherzig. Hillary Clinton, Angela Merkel aber auch Papst Franziskus sind Kandidaten für eine offenherzige Verletzung. Donald Trump dagegen für eine engherzige. Beide Weisen von Verstößen gegen den Ordo amoris haben sich mittlerweile in Wähler- und Sympathieverwerfungen bemerkbar gemacht.

Pointiert und mit spitzer Feder wird zwischen musealem Bewahren und tradiert Bewährtem unterschieden und ein Verlust der Mitte konstatiert.

kath.net-Buchtipp – Lieferung voraussichtlich ab Ende August möglich
Zeitgerecht statt zeitgemäß
Spurensuche nach dem Geist der Zeit im Zeitgeist
Von Helmut Müller
Hardcover, 180 Seiten
2018 Bonifatius-Verlag
ISBN 978-3-89710-790-8
Preis Österreich: 15.40 EUR

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Symbolbild: Fragezeichen und Kreuz



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Lesermeinungen

 Mmh 4. Juli 2018 
 

Allein den Betern ...

vergelt`s Gott für diesen Kommentar. Der Finger liegt auf der Wunde; die Entscheidung jedes Einzelnen ist gefragt. Wer denkt, auf eine Richtungskorrektur der "Entscheidungsträger" warten zu können, wird ein jähes Erwachen erleben.

Am Beispiel Prof. Wuketits dürfen wir lernen und uns mahnen lassen:

"Du bist weder kalt noch heiß. Wärest du doch kalt oder heiß! Weil du aber lau bist, weder heiß noch kalt, will ich dich aus meinem Mund ausspeien."

Ein Glück, dass die Zeiten eines "Er hat gelebt wie ein Hund, nun soll er auch verrecken wie ein Hund" vorbei sind.

Möge er ruhen in Frieden!


4
 

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