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Mama!!

28. September 2018 in Kommentar, 1 Lesermeinung
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Wir sind Meister des „Pokerface“ geworden, so gewohnt, unsere – teilweise notwendigen - Masken zu tragen, dass wir sie auch dort kaum mehr abnehmen können, wo es gut und heilsam wäre - BeneDicta am Freitag von Gudrun Trausmuth


Wien (kath.net)
Eine dieser tropischen Augustnächte, in denen der Dampf des Asphalts die Stadtluft mit Hitzenebel schwängerte. Die Müdigkeit wich untertags nicht mehr und in der Nacht der Schlaf war oberflächlich und hellhörig: Ich hatte den Eindruck eines schweren Traums, jemand schrie, laut und immer wieder. Dann, allmählich, das Erwachen meines Bewusstseins, das taumelnde Tasten durch Dunkelheit in der Meinung, eines der Kinder schreie nach mir. Denn immer wieder war der Schrei „Mama!“ zu mir gedrungen. Nein, die Kinder schliefen, schwitzend, wie in schwerer Arbeit, aber sie schliefen. Zurück durch den Gang, traf mich durch ein offenes Fenster wieder dieser verzweifelte, hilflose und zugleich unglaublich kraftvolle Schrei: „Mama!!“

Ein Kind um diese Zeit auf der Straße?! Lange starrte ich auf den stadtnachtfarbenen Platz hinunter - nichts zu sehen, nur der von Zeit zu Zeit dieser helle und mit bühnenreifer Stimmgewalt aufbrandende Schrei „Mama!, Wo ist meine Mama? Gebt mir meine Mama!“ Es erschütterte mich so, dass ich wie gebannt am Fenster stehenblieb, überlegend, ob ich dem seltsamen Schreien nachgehen solle. Plötzlich aber kam Bewegung in die Szenerie: Im gleichen Moment als eine junge Frau, wohl Mitte Zwanzig, mit ebenjenem Schrei, der mich so traf, die Straße überquerte, fuhr ein Polizeiauto auf die laut Klagende zu.

Während sich ihre zwei Kollegen im Hintergrund hielten, versuchte eine Polizistin unglaublich sanft und fast liebevoll, mit der jungen Frau zu sprechen. Teilweise schien dies zu gelingen, aber immer wieder unterbrochen von jener sehnsüchtigen Klage, die sich zu wütendem Fordern steigern konnte: „Gebt mir meine Mama, ich will meine Mama! Ruft meine Mama an, sie zahlt das Taxi, hat sie immer gemacht!“ – Schließlich, die Szene dauerte wohl eine halbe Stunde, die Rettung, welche die auch am Auge verletzte junge Frau in Begleitung der Polizistin ins Krankenhaus brachte … Aus meinem Blickfeld, aber tagelang in meinen Gedanken. So erschütternd, so kaputt, durch Drogen, Alkohol oder eine schwere psychische Erkrankung …? Und nicht mehr losgelassen hat mich das Vertrauen auf „Mama!“ - ich habe gebetet, dass es diese so beschworene, gütige, auffangende Mutter tatsächlich geben möge.


Wenige Tage später, las ich in einem Text von Jean Vanier, dem jetzt 90jährigen Gründer der „Arche“: „Der fundamentale Schrei eines Menschen ist ‚Mama‘, mag er vom Kind kommen, vom Sterbenden oder vom Mann in Todesangst auf dem Schlachtfeld. Unser fundamentalster Schrei gilt der Zärtlichkeit, Güte und Sicherheit der Mutter (…) nur eine mütterliche Liebe weiß, wie man den andern in all seiner Kleinheit und Schwäche auf eine Weise hält, die ihm zeigt, dass er geliebt wird, ganz gleich, ob es sich dabei um ein Kind oder um einen kranken und sterbenden Menschen handelt“

So einfach und so schwer. Denn für unsere verwundete Natur ist es gleichermaßen schwierig, unsere Sehnsucht nach Liebe einzugestehen und auszudrücken, wie es auch schwierig ist, auf genau diese Sehnsucht der Anderen so zu antworten, dass sie es verstehen. Wir sind Meister des „Pokerface“ geworden, so gewohnt, unsere – teilweise notwendigen - Masken zu tragen, dass wir sie auch dort kaum mehr abnehmen können, wo es gut und heilsam wäre.

Ich lese weiter in Jean Vaniers Texten: Wenn er im Folgenden von „enger Gemeinschaft“ spricht, geht meint dies wohl nicht mehr nur die „Arche“, also die von ihm gegründete Gemeinschaft, in der kranke, behinderte und gesunde Menschen zusammenleben, sondern jede Art von Beziehung oder Freundschaft:

„Nur Gott kann voll und ganz auf unseren Schrei nach enger Gemeinschaft eingehen und uns dazu berufen, in enger Gemeinschaft miteinander zu leben. Denn obwohl wir uns nach dieser engen Gemeinschaft sehnen, haben wir vor diesem engen Bund Angst, weil wir befürchten, wir könnten wieder aufs Neue verletzt werden.“ Es kommt hier– und das ist entscheidend - ein „Dritter im Bunde“ ins Spiel: Gott, unsere letzte, oft so verschüttete und verkannte Sehnsucht, der ganz Treue und Allmächtige. Treuer noch als „Mama“: Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, / eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: / ich vergesse dich nicht ... (Jes 49,15) Der ganz Treue allein kann zu tiefer Gemeinschaft (was mir besser gefällt als „enge Gemeinschaft“) berufen und befähigen. In Seinem Licht, in einer tiefen Bindung an Ihn, können wir uns ohne Angst und in Freiheit jemand Anderen schenken, ohne uns selbst zu verlieren und zu verraten.

„Wir müssen einander unsere Geschichte erzählen und können mit diesem Gespräch nur dort anfangen, wo Vertrauen herrscht“, beschäftigt mich ein weiterer Satz von Jean Vanier. Diese Offenheit, auch einem Freund gegenüber, ist eine Herausforderung, es ist schwer, den Schutz unserer Rollen und Masken fallenzulassen, wir werden dann nämlich klein und schwach - aber auch schön und wahr. Wohlgemerkt, das meint keinen peinlichen psychischen und emotionalen Exhibitionismus, kein ständiges Kreisen und Verbalisieren, wie es „mir dabei geht“, sondern das kann und soll wohl nur ganz selten, und nur wirklich Vertrauten gegenüber geschehen. Aber tatsächlich kann es helfen, seine Geschichte, mit ihren Wunden und Wundern und einem Freund zu erzählen, weil er sie dann kennt, darauf Rücksicht nehmen, sie der Zärtlichkeit Gottes ans Herz legen kann.

„Zeig mir deine Wunden“, heißt eine Ausstellung im neu gestalteten Wiener Diözesanmuseum, die ich dieser Tage gesehen habe. Ja, manche Wunden sind offensichtlich, wie jene in den erschütternden Ausstellungsobjekten, andere Wunden, tief in uns vergraben, haben Wurzeln geschlagen und uns geprägt, unsere Wege gelenkt. Manche Wunden sind auch zu goldenen Gründen geworden, zu Wundern, zu fruchtbarem Land. Ein Schmerz kann sich in Schönheit verwandeln, das sollten wir nie vergessen. Dennoch, die „wunden Punkte“ bleiben empfindlich, aber vielleicht ist das ja auch ein Ruf, eine Sehnsucht, eine wichtige Erinnerung, dass hier auf Erden nicht alles schon „in Ordnung“ ist?
„Unser fundamentalster Schrei gilt der Zärtlichkeit, Güte und Sicherheit der Mutter (…) nur eine mütterliche Liebe weiß, wie man den andern in all seiner Kleinheit und Schwäche auf eine Weise hält, die ihm zeigt, dass er geliebt wird…“ Welch ein Geschenk, dass wir uns mit diesem unseren „fundamentalsten Schrei“, auch an Maria wenden dürfen, an jene Frau, deren mütterliche Liebe den Sohn Gottes selbst begleiten durfte.


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Lesermeinungen

 lesa 28. September 2018 

Danke

Ist das ein schöner Text! Ohne "Psycho-blabla" Diskret und offen - Gott und der Mensch ...


5
 

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