Der Guru vor dem Altar

28. Juli 2005 in Deutschland


Die Vermietung einer Kirche an einen Hindu-Guru zeigt die Selbstaufgabe des eigenen, christlichen Profils. Ein Kommentar von Benjamin Lassiwe / idea.


Berlin (www.kath.net / idea) Mit einem langen „Ommmm“ begrüßten rund 400 Anhänger fernöstlicher Meditation am 26. Juli in Berlin ihren Meister Krishna Das. Der zum Hinduismus konvertierte Amerikaner sang im Wechsel mit den Besuchern Anbetungslieder für die Götter Shiva, Kali und Krishna. „Das Singen der göttlichen Namen ist eine Praxis, die das Herz reinigt und uns hilft, uns unserer inneren Liebe und einer wahren Natur zuzuwenden“, erklärte der Guru, bevor er seinen Auftritt mit Gebet begann.

Hätte Krishna Das seine Jünger im Berliner Hindutempel Mayurapathy Sri Murugan begrüßt, hätte sich niemand aufgeregt. Doch Veranstaltungsort war die Passionskirche am Marheineckeplatz, eine regelmäßig für Gottesdienste und Konzerte genutzte evangelische Kirche im Szenebezirk Kreuzberg. Singend und meditierend saß der Guru vor dem Altar, an dem die Gemeinde sonntags Abendmahl feiert.

Ein Alptraum – und das, obwohl die Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Friederike von Kirchbach, und der Sektenbeauftragte Pfarrer Thomas Gandow schon Tage zuvor vor dem Missbrauch der Kirche für einen „fremdreligiösen Gottesdienst“ gewarnt hatten. Doch alle Versuche, das Konzert abzusagen, scheiterten – zuletzt an möglichen Regressforderungen des Gurus.

Zu große Naivität

Nun steht die Kirche vor einem Scherbenhaufen. Denn deutlicher als mit der Vermietung einer Kirche an einen Guru kann man die Selbstaufgabe des eigenen Profils nicht illustrieren. Speziell, wenn Naivität der Hauptgrund dafür ist. Denn die Kirchengemeinde beteuert, nichts Böses geahnt zu haben, als sie den Mietvertrag unterzeichnete. Dabei hätte man hellhörig werden müssen.

Denn schon 2002 zog dieselbe Gemeinde massive Kritik auf sich, als sie ihr zweites Gotteshaus, die Heilig-Kreuz-Kirche, an den Guru Sri Sri Ravi Shankar vermietete. Da drängt sich die Frage auf, warum Gemeindekirchenräte nicht von selbst auf die Idee kommen, dass ein Künstler, der sich nach einem Hindu-Gott benennt, etwas mit Religion zu tun haben könnte?

Verbindliche Richtlinien

In der Landeskirche sollte die Vermietung kirchlicher Räume noch einmal gründlich diskutiert werden. Denn die bisherigen Vorkehrungen haben sich als zahnlos erwiesen. Zwar gibt es seit 1999 eine Orientierungshilfe zu diesem Thema, aber keine verbindliche Richtlinie. Was nützt das, wenn selbst der Protest der Pröpstin, also der Stellvertreterin des Bischofs, nicht verhindern kann, dass Krishna Das in einer Kirche auftritt?

Dass eine Gemeinde schnell überfordert sein kann, hat der vorliegende Fall gezeigt. Vielleicht sollte die Vermietung kirchlicher Räume künftig von professionellen Experten übernommen werden. Denn schließlich sind die Gotteshäuser die auffälligsten Aushängeschilder der Kirche in einer weithin säkularisierten Stadt wie Berlin.

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