Videospiele und Fernsehen: Weniger ist mehr

21. Jänner 2006 in Jugend


Aktuelle Trends im Medienkonsum und die Folgen auf Kinder und die Gesellschaft.


New York (www.kath.net /Zenit)
Dank neuer Techniken wird Gewalt in Videospielen und Videos immer realer und somit bedrohlicher. Die negativen Folgen für Kinder und Jugendliche sind wissenschaftlich erwiesen.

Die im vergangenen Jahr erstmals verkaufte Xbox 360-Videospiel-Konsole zeigt das klar. Laut „New York Times“ vom 4. September 2005 sind die Graphiken der neuen Konsole noch perfekter gestaltet und ihre Videokapazität um vieles größer, so dass noch lebensechtere Darstellungen erzielt werden.

Das Geschäft mit Videospielen sei inzwischen zu einer Branche mit gut 10 Milliarden Umsatz gewachsen, und es werde mehr Geld für Konsolen und Spiele ausgegeben als für Videofilme. Und nach einem Bericht von „Associated Press“ vom 30. November werden die Spiele selbst immer gewalttätiger.

Ein vom „Nationalen Institut für Medien und Familie“ herausgegebener Jahresbericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass einige Videospiele jetzt sogar Kannibalismus-Szenen enthalten. „Das hat es noch niemals zuvor gegeben“, erklärte Institutspräsident David Walsh. Die heutigen Spiele seien brutaler und zugleich für minderjährige Kinder leichter zugänglich als je zuvor.

Eine getarnt durchgeführte Käufererhebung dieses Instituts kam zu dem Ergebnis, dass 44 Prozent der Kinder jene Videospiele kaufen konnten, die erotische und gewalttätige Szenen enthalten und nach dem Gesetz Jugendlichen ab 17 Jahren und älteren Menschen vorbehalten sind.

Die meisten Untersuchungen über Gewalt in Videospielen stützen laut der „American Psychological Association“ (APA) die Annahme, dass es eine konkrete Verbindung zwischen Gewaltvideos und aggressivem Verhalten bei Kindern gibt. Deshalb rief die Organisation am 17. August dazu auf, Gewaltdarstellungen in Videospielen zu reduzieren.

Die APA ermahnte außerdem die Eltern und Erzieher, den Kindern dabei zu helfen, sich vor dem Spielkauf besser zu informieren. Diesem Aufruf liegt eine Studie zugrunde, aus der konkret hervorgeht, dass Kinder, die der Gewalt in Videospielen ausgesetzt sind, in Gedanken, Verhalten und Gefühlen zur Aggression neigen.

Interaktion bedeutet intensives Erleben

In der Studie des APA-Ausschusses wird aufgezeigt, dass die Verbrecher, die in den verschiedenen Videospielen auftauchen, in 73 Prozent aller Fälle unbestraft davon kommen. „Wenn man zeigt, dass Gewalt keine negativen Folgen hat, dann lernen die jungen Menschen, dass das ein Erfolg versprechendes Mittel der Konfliktbewältigung ist. Wenn die Folgen jedoch Schmerzen und Leiden sind und wenn das bewusst gemacht wird, kann aggressives Verhalten abgebaut werden“, erklärte die Psychologin Elizabeth Carll.

Gewalt in Videospielen ist nach Aussagen der stellvertretenden APA-Ausschussvorsitzenden aufgrund ihrer interaktiven Natur problematischer als in anderen Medien. „Wenn man Videospiele spielt, gehören Übung, Wiederholung und Belohnungen für viele gewalttätige Akte mit dazu“, gab Carll zu Bedenken.

Dorothy Singer, APA-Ausschussmitglied, leitende Forscherin an der Yale Universität und stellvertretende Direktorin des dort ansässigen Familien-Fernseh-Forschungs- und Beratungs-Zentrums, erklärte ihrerseits, dass man Kindern beibringen müsse, kritisch Fern zu sehen. Dadurch würden sie zwischen Phantasie und Wirklichkeit zu differenzieren verstehen und sich weniger mit aggressiven Charakteren identifizieren.

Am 18. Oktober berichtete der britische „Telegraph“ von einer Studie, die an der staatlichen Universität Michigan durchgeführt worden war. Die Wissenschaftler hatten die Gehirnaktivität freiwilliger Versuchspersonen während des Spielens von Videospielen mit Gewaltszenario aufgezeichnet und auf diese Weise die Besorgnis der APA zusätzlich untermauert.

Nach Aussagen René Webers, eines der Verantwortlichen, bestehe eine eindeutige Verbindung zwischen dem Gewinner eines „Abknallwettkampfs“ und einer Gehirnaktivität, wie man sie bei aggressiven Menschen vorfindet. „In Bezug auf Gewalt-Videospiele wurde oft die Kritik geäußert, dass sie aggressive Gefühle schüren und aggressives Verhalten fördern, also generell aggressive Reaktionen verstärken“, meinte Weber. „Auf neurobiologischer Ebene haben wir nun gezeigt, dass eine solche Verbindung tatsächlich besteht.“

Fernsehen: Sex als Dauerbrenner

Neben übertrieben deutlichen Darstellungen von Gewalttaten sind das Zeigen von Sexszenen ein weiterer Faktor, der auf die Jugend ungesunden Einfluss ausübt. Laut „Washington Times“ vom 10. November kamen mehrere Forscher an der Henry-J.-Kaiser-Familien-Stiftung zu dem Ergebnis, dass sich mehr als drei Viertel aller US-amerikanischen TV-Shows zur Hauptsendezeit mit Sex beschäftigen.

In der angeführten Studie heißt es, dass die Wirkung der ständigen Aussendung sexueller Botschaften an Jugendliche noch nicht eingehend untersucht worden sei. Allerdings sei die „RAND Corporation“ im Jahr 2004 in einer Studie zu dem Schluss gekommen, dass ein häufiges Sehen von Sexdarstellungen im Fernsehen den Beginn sexueller Aktivität unter Teenagern beschleunigen kann. Die Untersuchung ergab zudem, dass das Reden über Sex im Fernsehen genauso stark beeinflusse wie das Ansehen von Sexszenen.

Nach einem Bericht, der am 16. November des Vorjahrs im „Wall Street Journal“ veröffentlicht wurde, hat sich die US-Regierung mit der derzeitigen Situation abgefunden. Im vergangenen Jahr habe die Bundeskommission für Kommunikationsmittel („Federal Communications Commission“, FCC) für anstößige Produkte Geldbußen in der Rekordhöhe von 7,9 Millionen Dollar verhängt.

Einige TV- und Rundfunkstationen hätten daraufhin Änderungen in ihrem Programm vorgenommen. Im vergangenen Jahr seien bei der Behörde allein im Monat September zwar mehr als 189.000 Beschwerden eingegangen, Geldstrafen seien aber im gesamten Jahr 2005 nicht verhängt worden. Die Anzahl der Beschwerden sei im Jahr 2005 insgesamt niedriger als 2004, aber die Zahl jener Shows, über die man sich beschwert hatte, habe stark zugenommen. Bis zum Juni gab es demnach Beschwerden über mehr als 500 Fernseh- und Rundfunkshows. 2004 seien es insgesamt „nur“ 314 gewesen.

Aktuelle Zahlen und eine Reaktion

Die vielen Stunden, die Kinder und Jugendliche damit zubringen, verschiedene Medienangebote zu konsumieren, ist ebenfalls besorgniserregend. Die Henry-J.-Kaiser-Familien-Stiftung ermittelte diesbezüglich, dass Jugendliche gleichzeitig mehr als eine Medienquelle benutzen. Und die Inhalte, die tatsächlich achteinhalb Stunden ausmachten, würden sie jeden Tag in etwas weniger als sechseinhalb Stunden in sich hineinsaugen. Das berichtete die „Chicago Tribune“ am 10. März 2005.

In diesen achteinhalb Stunden – vor fünf Jahren waren es immerhin „nur“ siebeneinhalb – ist allerdings noch nicht der Kontakt der Jugendlichen mit den Massenmedien oder anderen Kommunikationsmitteln in der Schule berücksichtigt. Täglich werde 49 Minuten lang ein Videospiel gespielt, etwas mehr als eine Stunde verbringe man am Computer.

Ein weiteres Ergebnis der angeführten Studie ist, dass in 66 Prozent der Kinderzimmer ein Fernseher steht und in 54 Prozent ein Videorecorder oder DVD-Player. Vor fünf Jahren waren es 36 Prozent. Im Jahr 2005 hatten 37 Prozent der Kinder Kabel- oder Satellitenfernsehen in ihrem Zimmer. Was den Bereich außerhalb des Kinderzimmers angeht, so gaben beinahe zwei Drittel der befragten Kinder an, dass das Fernsehen normalerweise während der Mahlzeiten läuft.

Eine andere Studie, die von Forschern an der Stanford- und an der Johns Hopkins-Universität durchgeführt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass Kinder, die viel fernsehen und ein Fernsehgerät in ihrem Zimmer stehen haben, in der Schule merklich schlechter abschneiden.

Diese Studie wurde im Juli des vergangenen Jahres in der Zeitschrift „Archives of Pediatric and Adolescent Medicine“ („Archive für Kinder - und Jugendmedizin“) veröffentlicht. Im gleichen Heft werden auch zwei andere Untersuchungen angeführt, die in Neuseeland beziehungsweise an der Washington-Universität im US-Bundesstaat Seattle durchgeführt worden waren.

Nach einem Bericht er Londoner „Times“ vom 5. Juli waren diese drei Studien unabhängig voneinander zu dem Ergebnis gekommen, dass ein exzessiver Fernsehkonsum die schulischen Erfolge beeinträchtigt. Thomas Robinson vom Lucile-Packard-Kinderkrankenhaus in Stanford erklärte in diesem Zusammenhang: „Diese Studie liefert noch mehr Beweismaterial dafür, dass die Eltern den Fernseher aus dem Zimmer ihres Kindes entfernen oder ihn erst gar nicht hineinstellen sollten.“

Die Beunruhigung über den Einfluss des Medienkonsums auf Kinder habe sogar Menschen veranlasst zu reagieren, von denen man dies am wenigsten erwartet hätte, berichtete die „Sunday Times“ am 16. Oktober. Popstar Madonna wird dort mit den Worten zitiert: „Fernsehen ist Gift!“, und es wird berichtet, dass sie ihren Kindern das Fernsehen zur Gänze verboten habe. Am Sonntag erlaube sie ihnen aber, sich ein Video anzusehen.


© 2006 www.kath.net