Ein Hoffnungsschimmer für die Union?

14. September 2007 in Deutschland


Reaktionen auf das Konservatismus-Papier von vier CDU/CSU-Politikern – Drei Kommentare von Martin Hohmann, Elisabeth Motschmann und Hartmut Steeb.


München (www.kath.net/idea)
Seit längerem wird der CDU – und zunehmend auch der CSU – von konservativer Seite wie von Christen vorgeworfen, so weit nach links gerutscht zu sein, dass für ihre Anliegen kaum noch Platz sei. Nun haben vier jüngere Politiker von CDU und CSU einen Vorstoß gewagt, damit wieder mehr konservative Positionen hervorgehoben werden.

In ihrem Papier unter dem Titel „Moderner bürgerlicher Konservatismus – Warum die Union wieder mehr an ihre Wurzeln denken muss“ erklären sie u. a.: - Bürgerliche und konservative Werte sind in Deutschland weiterhin ein Leitbild. Umfragen zeigen, dass nach wie vor neun von zehn Deutschen Tugenden wie Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Fairness, Fleiß, Disziplin, Treue, Respekt und Anstand für wichtig halten. Ein moderner, bürgerlicher Konservatismus ist im Kommen, auch und gerade unter Jüngeren (...).
- Grundlage unserer Politik ist das christliche Menschenbild (...).
- Die rot-grüne Multi-Kulti-Idee ist gescheitert (...).
- Die Familie ist und bleibt das Fundament unserer Gesellschaft (...).
- Die Ehe ist ein Erfolgsmodell und gelebtes Leitbild der Mehrheit. (...) Wer sein Kind zu Hause selbst betreut, soll sich dafür auch in Zukunft nicht rechtfertigen müssen. (...)
- Die Bewahrung der Schöpfung ist ein bürgerlich-konservatives Kernanliegen. (...)

Autoren sind der baden-württembergische CDU-Fraktionsvorsitzende Stefan Mappus, der CSU-Generalsekretär Markus Söder, der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, und der Generalsekretär der CDU Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst.

idea hat Stellungnahmen zu der Analyse eingeholt.

Ein noch sehr bescheidener Anfang zur Erneuerung

Die Analyse enthält wichtige Erkenntnisse, die ich teile: Auch meines Erachtens muss die CDU/CSU ihre Grundwerte neu klären, wenn sie nicht noch weiter das eher konservative Wählerklientel verlieren will. Dabei liegt die Problematik weniger – wie in der Analyse dargestellt – an Kompromissen, die in der Großen Koalition eingegangen werden mussten, sondern an der unklaren Ausrichtung an den Grundwerten innerhalb der CDU/CSU selbst. Und deshalb ist auch der Erneuerungsvorschlag zu zaghaft. Es ist zwar erfreulich, dass die verheerende Drogenpolitik der Freigabe von Heroin als Irrweg bezeichnet wird. Es ist auch erfreulich, dass die fatale Einseitigkeit der derzeitigen Familienpolitik gemildert werden soll, die außerfamiliäre Erziehung fördert und eigenständige Familienerziehung mit materieller Verachtung bestraft. Aber eine Gleichberechtigung der Eigenerziehung ist noch nicht erkennbar. Vergeblich sucht man auch Konkretionen, wie endlich mehr Lebensschutz für ungeborenes Leben verwirklicht werden soll (verbal sind immer fast alle dafür) und genauso fehlt das Nein zur menschenvernichtenden Forschung an Embryonen. Ein Anfang zur Erneuerung ist erkennbar. Aber noch sehr bescheiden.

Hartmut Steeb (Stuttgart), Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Vater von zehn Kindern

Ein überfälliges Signal

Es bewegt sich etwas in der CDU. Junge Spitzenpolitiker werben für das konservative Profil der Union. Sie beklagen den Profil- und Werteverlust der Partei. Sie plädieren dafür, dass die Union auch für den „überzeugten Christen“ die politische Heimat bleiben soll. Dem kann ich nur zustimmen. Es ist erfreulich, dass diese Forderung aus den Reihen der Jungen kommt, die mutig und klar ihre konservativen Positionen in einem 10-Seiten-Papier formuliert haben. Dazu gehört auch die Unterstützung von Eltern, die ihre Kinder insbesondere in den ersten Lebensjahren zu Hause betreuen möchten. Die Autoren fordern ein Betreuungsgeld: „Die Union muss allen Familien ein Angebot machen.“ Der Ruf nach einem Betreuungsgeld ist nicht neu. Bayerns CSU erhebt diese Forderung als Ergänzung bzw. Ausgleich für die Krippenpolitik der Bundesregierung. Hier vermisse ich die lautstarke Unterstützung für diese Forderung von Seiten der evangelischen Kirchen in unserem Land. Die Krippenpolitik der Bundesregierung kritisieren die jungen Unionspolitiker nicht. An dieser Stelle „schwächelt“ das Papier. Hier möchte man einwenden: Es mag sein, dass sich die Zeiten ändern, die Bedürfnisse eines Säuglings und Kleinkindes ändern sich nicht. Die individuelle Betreuung zu Hause ist und bleibt das Beste, was wir unseren Kindern geben können. Klar ist allerdings auch, dass eine nicht geringe Zahl von Eltern dies nicht leisten kann und darum staatliche Hilfe und Unterstützung braucht. Trotz einzelner Kritikpunkte bleibt das Papier ein positives und überfälliges Signal. Man kann nur hoffen, dass die CDU erkennt, dass sie diese Stimme aus dem Innersten der Partei nicht überhört, sondern sehr ernst nimmt, zumal kürzlich dieser Ruf auch von Wulf Schönbohm gekommen ist, der lange Jahre an vorderster Front und in verantwortlicher Position im Konrad-Adenauer-Haus gearbeitet hat.

Elisabeth Motschmann (Bremen), CDU-Mitglied der Bremischen Bürgerschaft, Staatsrätin a. D., Mutter von drei Kindern

Das Entscheidende fehlt

Mit lesenswerten Erwägungen zu bürgerlich –konservativer Politik und zur Bedeutung der „klassischen“ Familie will das Papier der Unions-Junioren dem Eindruck der ideologischen „Entkernung“ der Union entgegenwirken. Wenn jedoch die Autoren ausführen, daß „ungeborenes Leben … Anspruch … auf … Respekt“ habe, dann aber keine politischen Konsequenzen benennen, so ist das für Wähler mit christlicher Überzeugung enttäuschend. Beim zentralen moralischen und demografischen Problem unseres Volkes, der Massenabtreibung, versagt das jungkonservative Quartett. Es umgeht notwendige Erkenntnis, es hat keinen Willen zur Abhilfe, es verlängert die Agonie.

Martin Hohmann (Neuhof bei Fulda), aus der CDU ausgeschlossener, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Bürgermeister, Vater von drei Kindern.


© 2007 www.kath.net