Gott will die Reichen vor ihrem Reichtum retten

30. September 2007 in Spirituelles


Kommentar von P. Cantalamessa zum XXVI. Sonntag im Jahreskreis.


Rom (www.kath.net/ Zenit)
Der Prediger des päpstlichen Hauses, Pater Raniero Canalamessa OFM Cap., weist in seinem Kommentar zum Evangelium des XXVI. Sonntags im Jahreskreis darauf hin, dass sich Gott nicht nur der Armen annimmt, sondern auch der Reichen. Diese will er aus den Gefahren retten, die Reichtum mit sich bringt.

Ein reicher Mann kleidete sich in Purpur und feines Leinen

Das Entscheidende an diesem Gleichnis vom reichen Prasser, das im heutigen Sonntagsevangelium verlesen wird, ist seine Aktualität, also die Tatsache, dass sich dieses Geschehen heute mitten unter uns wiederholt – auf internationaler Ebene genauso wie auf lokaler Ebene.

Was die internationale Ebene angeht, stehen die beiden Hauptpersonen sogar für zwei Hemisphären: Der reiche Prasser repräsentiert die nördliche Hemisphäre (Westeuropa, Amerika, Japan), der arme Lazarus mit wenigen Ausnahmen die südliche Hemisphäre. Zwei Personen, zwei Welten – die Erste und die Dritte Welt. Zwei Welten von ungleicher Größe, denn das, was wir „Dritte Welt“ nennen, repräsentiert zwei Drittel der Erde. Deshalb wird sie auch immer häufiger nicht mehr „Dritte Welt“ genannt („third world“), sondern „Zweidrittel-Welt“ („two-third world“).

Der Gegensatz, der zwischen dem reichen Prasser und dem armen Lazarus besteht, wiederholt sich auch in jeder der beiden Gruppen. Es gibt die reichen Prasser, die in den Ländern der Dritten Welt gleich neben den armen Lazarussen leben (dort sticht ihr einsamer Luxus inmitten der allgemeinen Misere der Massen noch stärker hervor), und dann gibt es auch die armen Lazarusse, die in den Ländern der Ersten Welt direkt neben den reichen Prassern leben.

In allen so genannten „Wohlstandsgesellschaften“ zählen einige Menschen des Showbusiness, des Sports, der Hochfinanz, der Industrie, des Handels ihre Einkünfte und ihre Arbeitsverträge nur in Millionen von Euro, und all das vor dem Blick von Millionen von Menschen, die nicht wissen, wie sie mit ihrem mageren Lohn oder ihrer Arbeitslosenhilfe die Miete, die Medikamente, das Studium ihrer Kinder bezahlen sollen.

Das, was einem in der Geschichte, die Jesus erzählt, am stärksten missfällt, ist die Zurschaustellung des Reichen, sein Prahlen mit dem Reichtum, ohne sich vor dem Armen zu schämen. Sein Luxus zeigt sich vor allem in zwei Bereichen, beim Essen und bei der Kleidung: Der Reiche aß reichlich und kleidete sich mit Purpur und feinem Leinen, was damals königliche Stoffe waren. Ein Kontrast besteht nicht nur zwischen dem, der vor Essen platzt, und dem, der vor Hunger stirbt, sondern auch zwischen dem, der jeden Tag seine Kleider wechselt, und dem, der nichts zum Anziehen hat.

Es wurde einmal bei uns in Italien auf einer Modenschau ein Kleid vorgestellt, das ganz aus Feingold-Plättchen gemacht war, mit einem Preis von über 500.000 Euro. Ohne zu zögern müssen wir da sagen: Der Welterfolg der italienischen Mode und das damit verbundene Business sind uns zu Kopf gestiegen; wir achten auf nichts anderes mehr.

Alles, was in diesem Bereich getan wird – auch die offensichtlichsten Exzesse –, genießen eine Art Sonderbehandlung. Die Modenschauen, die in gewissen Perioden die Tagesschauen zu Ungunsten von bedeutend wichtigeren Nachrichten überfluten, sind gleichsam in Szene gesetzte Aufführungen des Gleichnisses vom reichen Prasser.

Aber soweit ist das im Grunde noch nichts Neues. Die Neuheit und die Einzigartigkeit der Anklage des Evangeliums hängen ganz vom Blickpunkt des Geschehens ab. Im Gleichnis vom reichen Prasser wird alles wie in einer Retrospektive vom Epilog der Geschichte aus gesehen: „Als nun der Arme starb, wurde er von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Auch der Reiche starb und wurde begraben.“

Wollte man die Geschichte verfilmen, so könnte man gut von diesem Finale im Jenseits ausgehen (wie es ja im Film oft getan wird) und die ganze Angelegenheit im Rückblick zeigen.

Viele ähnliche Anklagen von Reichtum und Luxus sind im Lauf der Jahrhunderte gemacht worden, aber heute klingen sie alle entweder rhetorisch und unrealistisch oder aber frömmelnd und anachronistisch. Nach zwei Jahrtausenden hat diese Anklage nichts an ihrer Schärfe eingebüßt.

Der Grund hierfür ist, dass sie nicht von einem Mann ausgesprochen wird, der auf einer der beiden Seite steht, der für die Reichen oder eben für die Armen eintritt, sondern von einem, der über den Parteien steht und sich sowohl um die Reichen als auch um die Armen sorgt. Ja, mehr noch: Vielleicht kümmert er sich sogar mehr um die Ersteren als um die Letzteren (denn diese sieht er weniger in Gefahr!).

Das Gleichnis vom reichen Prasser entspringt keinem Hass gegen die Reichen oder dem Wunsch, ihren Platz einzunehmen, wie so viele menschliche Anklagen, sondern einer aufrichtigen Sorge um ihr Heil. Gott will die Reichen vor ihrem Reichtum retten.


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