Vom ‚Geist der Leitung’

9. September 2008 in Schweiz


Aufgabe des Bischofs und der Priester ist es, das Volk Gottes zu leiten, erinnert Bischof Huonder am Jahrestag seiner Bischofweihe. "Eben diese Aufgabe ist heute sehr stark gefährdet."


Chur (kath.net) Vitus Huonder, Bischof des Bistums Chur, hat am Montag zum Fest Mariae Geburt und am ersten Jahrestag seiner Bischofsweihe mit rund hundert Priestern und in Anwesenheit des emeritierten Diözesanbischofs Amédée Grab die heilige Messe in der Kathedrale Chur gefeiert. KATH.NET dokumentiert die Predigt im Wortlaut:

„Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienste, ich möchte die Worte des Propheten Michäas an den Anfang der folgenden Gedanken setzen. Der Gottesmann stellt dem hart geprüften und sozusagen führungslosen Volk einen neuen König, einen Messias in Aussicht, einen Herrscher, der vom Geiste Gottes ganz besonders geleitet und erleuchtet ist:

"Er wird auftreten und ihr Hirte sein in der Kraft des Herrn, im hohen Namen des Herrn, seines Gottes" (Mi 5,3). Der Herrscher Israels, der Lenker des Volkes Gottes ist nicht nur vom Geist und von der Kraft Gottes erfüllt. Er führt das Volk im hohen Namen des Herrn. Er ist Stellvertreter des Herrn.

Nun, in der Geburt Jesu Christi löst Gott dieses Versprechen, das er durch seinen Propheten gegeben hat, ein. Der Hirte Israels, der das Volk im hohen Namen des Herrn leitet, ist das Kind, das Maria jungfräulich empfängt und gebiert. Das geht deutlich aus den Worten hervor: "Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete - durch das Wirken des Heiligen Geistes" (Mt 1, 18). Und hernach sagt der Evangelist durch den Engel: "Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen" (Mt 1,21). Das zeigt uns die Bedeutung dieses Hirten an.

Die Brücke nun, zwischen der alt-bundlichen Ansage und dem neu-bundlichen Messias macht Maria. Durch sie verwirklicht Gott seinen Plan und schenkt der Welt den Hirten, der im hohen Namen des Herrn das Volk weidet. So wird ihre Geburt zur Voraussetzung für die Erfüllung der Verheißung. Deshalb feiert die Kirche diesen Tag mit besonderer Freude. Maria vermittelt den neuen Herrscher, den Messias.

Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienste, ich habe euch heute zum Jahrestag meiner Weihe eingeladen, um euch ins Bewusstsein zu rufen, dass die Priester zusammen mit dem Bischof eine besondere Bedeutung für ein Bistum haben, eine besondere Bedeutung bei der Leitung des Bistums.

Das Dekret "Presbyterorum Ordinis" des Zweiten Vatikanischen Konzils - am 7. Dezember 1965 feierlich verkündet - sagt: "Die Bischöfe sollen ... die Priester, denen in der Weihe die Gabe des Heiligen Geistes verliehen wurde, als ihre notwendigen Helfer und Ratgeber im Dienstamt der Belehrung, der Heiligung und der Leitung des Gottesvolkes betrachten ...

Wegen dieser Gemeinschaft ... im gleichen Priestertum und Dienst sollen die Bischöfe die Priester als ihre Brüder und Freunde betrachten. Sie seien nach Kräften auf ihr leibliches Wohl bedacht, und vor allem ihr geistliches Wohl sei ihnen ein Herzensanliegen" (PO 7). Das ist denn auch der Grund, weshalb ich euch, die Priester, zu dieser Feier eingeladen habe.

Auf Grund des priesterlichen Dienstes, der in der Kirche seine eigene Bedeutung hat, müssen wir, die wir im Priestertum miteinander verbunden sind, eigene Gelegenheiten suchen, um uns in der priesterlichen Spiritualität zu fördern und für unseren priesterlichen Auftrag gegenseitig zu unterstützen.

In diesem Sinn möchte ich euch die Anregung geben, in regelmäßigen Abständen mit mir zusammenzukommen - zum Gebet, zur Betrachtung, zum Gedankenaustausch, zum richtungweisenden Wort des Bischofs, zur Pflege der Brüderlichkeit, zur unkomplizierten Begegnung. Für das kommende Jahr 2009 habe ich drei Daten vorgesehen. Sie bedürfen noch der genaueren Abklärung, werden aber bald bekannt gegeben.

Damit möchte ich zurückkommen auf die anfänglichen Gedanken, auf den Hirten, der im hohen Namen Gottes das Volk weidet. Die Bischöfe insbesondere, und die Priester durch ihre ganz eigene Verbundenheit mit dem Bischofsstand, haben durch die Priesterweihe sakramentalen Anteil an der Hirtenaufgabe Jesu Christi.

Sehr deutlich kommt das in der Bischofsweihe zum Ausdruck, wo für den Kandidaten der Geist der Leitung erfleht wird. Der Ausdruck ist dem Psalm 50 (51), 14 entnommen. "Mit einem willigen Geist rüste mich aus", lesen wir im Text der Einheitsübersetzung. Der griechische Text spricht hier vom Geist der Herrschaft: "Festige mich mit dem Geist der Herrschaft". "Festige mich mit dem Geist der Führung". Im Lateinischen lautet der Vers: "Spiritu principali confirma me." "Bestärke mich mit dem fürstlichen Geist." "Festige mich mit einem herrschaftlichen Geist."

Diese Bitte kann ganz verschieden ausgelegt werden. So etwa: Gott soll dem Beter die Herrschaft über sich selber verleihen. Er soll ihm in diesem Sinn Beherrschung schenken. Oder, er soll ihm die Herrschaft über die Macht des Bösen geben. Er möge dem Bösen nicht unterliegen. Allenfalls, wenn der Psalm auf David angewendet verstanden wird, bittet der König um die Kraft, seine Aufgabe als Herrscher erfüllen zu können.

In der Liturgie der Bischofsweihe wird der Psalmvers auf das bischöfliche Amt angewendet: Der Bischof soll den Geist der Herrschaft, das heißt, der Leitung erhalten, die Kraft zu leiten. Er soll das Volk Gottes führen, er soll dem Volk Gottes ein guter Hirte sein und von ihm das Böse - den Wolf - abwenden, und so Christus, dem guten Hirten, folgen können.

Von hier aus möchte ich auch auf die Leitungsaufgaben der Priester aufmerksam machen. Eben diese Aufgabe ist heute sehr stark gefährdet, und dies auf vielfältige Weise. Beim Priester selber oft durch zu wenig Selbstbeherrschung, zu wenig Herrschaft über sich selbst, oder durch zu wenig Klugheit, zu wenig Ausgewogenheit; manchmal auch durch zu große Ängstlichkeit, oder durch einen mangelnden Willen zu leiten, durch zu wenig Arbeit an sich selber, um der Leitung gerecht zu werden.

Dazu kommen die äußeren Umstände wie Übergriffe von Laien, von Räten, Verdrängen des priesterlichen Leitungsauftrages bis hin zu Verboten, in unseren Kirchen priesterliche Aufgaben frei ausüben zu können.

Diesen inneren und äußeren Schwierigkeiten wollen wir mit Entschiedenheit und Entschlossenheit gemeinsam begegnen. Wir sollen doch als Priester zusammen mit dem Bischof den guten Hirten nachahmen und im hohen Namen des guten Hirten Jesus Christus die Menschen im Glauben führen und leiten.

Beten wir heute ganz besonders, in Erinnerung an die Bischofsweihe, in Erinnerung an die Priesterweihe, welche uns Anteil gegeben hat am Auftrag des Bischofs: "Spiritu principali confirma me." Bestärke mich mit dem fürstlichen Geist. Festige mich mit dem herrschaftlichen Geist, nämlich:

Gib mir Selbstbeherrschung; gib mir Ausgewogenheit im Umgang mit anderen; mach mich frei von jedem autoritären Dünkel, der eben nicht dem Geist der Herrschaft entspricht. Aber mach mich beherzt, den Menschen den rechten Weg zu weisen und sie im Sinne des guten Hirten zu leiten.

Gib mir Mut, mich nicht um die Führungsaufgabe, welche die Kirche mir anvertraut, herumzudrücken und nicht Entscheidungen zu vertagen, weil sich so bequemer leben lässt. Lass mich aber in allem von der Liebe, von der göttlichen Liebe, getragen und geleitet sein, damit in mir der gute Hirt ein Stück weit Gestalt annehmen kann.

Meine lieben Mitbrüder, in diesem Sinn wollen wir immer wieder beten. Wir wollen dies tun mit Blick auf Maria, die uns jenen geboren hat, der aus göttlicher Vollmacht das Volk Gottes leitet und lenkt, und der auch uns für seinen Leitungsauftrag auszustatten vermag.

So dürfen wir zuversichtlich und unablässig unser Priestertum erneuern: "Spiritu principali confirma me." Mach mich stark mein Herr, damit ich in deinem Sinn als guter Hirte zu wirken vermag, um dein Volk zu führen. Amen.


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