Fringsen auf Britisch: Ladendiebstahl in Not erlaubt

22. Dezember 2009 in Chronik


Der anglikanische Pfarrer Tim Jones riet verzweifelten Menschen in seiner Predigt dazu, in höchster Not auf Ladendiebstähle zurückzugreifen.


London (kath.net/KNA) Mit einer britischen Variante des «Fringsens» hat ein anglikanischer Pfarrer in York für Aufregung gesorgt. Tim Jones riet
verzweifelten Menschen in seiner Predigt dazu, in höchster Not auf Ladendiebstähle zurückzugreifen. Dafür solle man aber auf landesweite Supermarktketten und nicht auf kleine private Geschäfte zugreifen. So würden die Schäden durch höhere Preise auf die Gemeinschaft umgelegt.

Die Polizei in North Yorkshire sprach von einer «hochgradig unverantwortlichen Predigt». Auch in schwieriger Lage dürften Diebstahl und andere Delikte keine Lösung sein, so ein Sprecher: «Ein solches Verhalten würde unweigerlich in eine Abwärtsspirale führen, sowohl für das Individuum als auch die Gesellschaft als ganze.» Die Erzdiözese York erklärte, die Kirche von England rufe keinesfalls zum Diebstahl auf. Pfarrer Jones habe auf wichtige
Missstände in der Gesellschaft hingewiesen. Kriminelle Handlungen dürften aber nicht die Lösung sein.

«Ich gebe diesen Rat nicht, weil ich denke, dass Stehlen eine gute Sache ist, oder weil ich es für harmlos halte», erläuterte der Geistliche seinen Rat. Dem BBC-Radio York sagte er, er wolle auch nicht zum Diebstahl ermuntern, sondern zu mehr Mildtätigkeit, damit solche Fälle vermieden würden.

Wörtlich sagte Jones in seiner Predigt: «Wenn Menschen aus dem Gefängnis entlassen werden oder plötzlich ohne Arbeit oder familiäre Unterstützung sind, ist es eine riesige, katastrophale Dummheit, sie über Wochen und Wochen ohne jede soziale Hilfe zu lassen. So schaffen wir eine Situation, die manchen Menschen nur den Weg in die Kriminalität lässt.» Wenn jemand «jede legale Möglichkeit ausgeschöpft hat, an Geld zu kommen, und immer noch in verzweifelter Lage» sei, sei es nicht unmoralisch, sich «ausschließlich das zu nehmen, was man unbedingt nötig hat».

Der Pfarrer erläuterte, in verzweifelter Lage seien manche Menschen in der Versuchung, andere auszurauben; andere neigten dagegen zu Prostitution oder Selbstmord. Weiter heißt es: «Für viele an der untersten Stufe der sozialen Leiter kann ein gesetzestreues, ehrenhaftes Leben zur Unmöglichkeit werden.»

Jones' Ausführungen erinnern an die berühmten Worte des Kölner Kardinals Josef Frings (1887-1978) in seiner Silvesterpredigt 1946. Er erklärte mit Blick auf die verzweifelte wirtschaftliche Lage vieler Familien in der Nachkriegszeit: «Wir leben in Zeiten, da in der Not auch der einzelne das wird nehmen dürfen, was er zur Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit notwendig hat, wenn er es auf andere Weise, durch seine Arbeit oder durch Bitten, nicht erlangen kann.» Seine Äußerungen fügten das Verb «fringsen» (für Kohlenklauen) zum Vokabular des Deutschen hinzu. Weniger häufig zitiert sind die anschließenden Sätze: «Aber ich glaube, dass in vielen Fällen weit darüber hinausgegangen worden ist. Und da gibt es nur einen Weg: unverzüglich unrechtes Gut zurückgeben, sonst gibt es keine Verzeihung bei Gott.»

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