Ein Ave Maria für Alan Posener

27. Jänner 2010 in Weltkirche


Heute führt der Journalist aus Berlin einen Kreuzzug gegen den Papst. Doch er hat auch schon ganz anders geredet. Zum Beispiel in einem Interview mit dem PUR-magazin – Von Bernhard Müller / Vatican Magazin


Rom (kath.net/Vatican-Magazin)
Die praktische „BULLSHIT“-Taste unseres Kollegen Alan Posener steht diesem Magazin leider nicht zur Verfügung. Es ist der rote Leuchtknopf, mit dem Posener in seinem Büro in der Redaktion der WELT alle paar Wochen andere Kollegen in einer so genannten Blattkritik zu Boden schickt. Warum er den SHIT-Knopf ausgerechnet auf einer schönen Ausgabe der fünf Bücher Mose aufbaute, die er jetzt gegen die Bibel und den Koran ausgetauscht hat, weiß nur er allein. Doch egal, hätten auch wir dieses Ding, würden wir sein jüngstes Buch damit rasch abhaken. Es ist wirklich Bullshit.

Das Denken des Papstes sei „irregeleitet“ schreibt Posener zum Beispiel in dieser verdrehten Hetzschrift. Genau das aber, da kann ich leider nicht anders, muss auch ich ihm nicht vorwerfen, sondern nüchtern attestieren. Poseners Denken ist irregeleitet und wohl auch sein Fühlen.

Ich wurde zuerst vor zehn Jahren in einem schönen Artikel der WELT auf ihn aufmerksam, in dem Posener erzählte, dass sein Vater Julius, der als Jude vor den Nazis aus Deutschland geflohen war, einmal geschrieben habe: „Ich gestehe, dass es mir leid tut, Speers ‚Lichtdome' nicht gesehen zu haben.“ Ich fand
beeindruckend, wie freimütig Alan Posener die Faszination des Blendwerks sogar auf seinen Vater zugab, mit denen die Nazis damals die Deutschen zu verführen wussten.

Danach habe ich seinen Weg aufmerksam weiter verfolgt. Im Jahr 2000 bin ich sogar eigens von Kisslegg im Allgäu nach Berlin gefahren, um ein Interview mit ihm für das PUR-Magazin zu machen, nachdem er ein Buch über Maria geschrieben hatte. Dass ich danach seine Spur verloren hätte, kann ich nicht sagen.
Deshalb musste ich aber auch beobachten, wie er laufend seine Spur wechselte. Und jetzt, denkt Alan Posener wohl offensichtlich, ist er auf der sicheren Autobahn der Atheisten angekommen, denen er sich neuerdings als Schützenkönig andienen möchte – wobei er freilich immer mehr ins Blaue ballert.

„Besser wäre es gewesen, zu schweigen“ hat Posener dem Papst etwa nachträglich zu dessen Reise nach Auschwitz empfohlen. Tatsächlich würde ich wohl besser weiter über ihn schweigen. Doch seit er landauf landab die Deutschen gegen den Papst und die katholische Kirche aufzuhetzen versucht, ist die Zeit doch gekommen, dieses Schweigen über Posener kurz zu unterbrechen. Diese Rede des Papstes in Ausschwitz, hat er kürzlich in der WELT ja auch verbreitet, sei „ein Dokument des intellektuellen und moralischen Versagens – und der Versuch, aus Tätern Opfer zu machen und die Geschichte des Holocaust vollständig umzudeuten.“

Kurz und schlecht, die Deutschen als Verführte und Verblendete hinzustellen, sei unerhört, untragbar und so weiter. Deutsche waren und sind Täter und aus damit! Das hat gefälligst auch der Papst aus Deutschland so zu sehen!

Weil meine Tante aber, die Lieblingsschwester meiner Mutter, von den Nazis vergast wurde (weil sie als lebensunwert eingestuft wurde), will ich mich heute doch einmal dazu hinreißen lassen, Posener zumindest bei seinem Versuch entgegen zu treten, die Generation meiner Eltern für die Verbrechen der Nazis in Sippenhaft zu nehmen. Was die Verführbarkeit jeder Generation angeht, hätte er sich doch noch etwas mehr bei seinem Vater erkundigen sollen – obwohl er sich auch selbst schon von weniger raffinierten Ideologen hat verführen lassen, als die Nazis es waren.

Zu seinem Kreuzzug fühlt er sich nun gerufen, weil „Auschwitz für das Selbstverständnis Europas und des Westens von so zentraler Bedeutung ist“, wie er sagt. Doch dabei bleibt er nicht stehen. Seine letzte Konversion nämlich hat er am 11. September 2001 erlebt. Seitdem sind die brennenden Türme aus Manhattan zu einem Menschen verschlingenden Moloch für ihn geworden, zu einem Furcht erregenden Götzen, vor dem er sich dauernd neu in den Staub wirft. Von diesem Monstrum leitet er auch seine Lizenz ab, in einem Ein-Mann-Krieg wie Sylvester Stallone die Taliban zu jagen. So ist er auf den Papst gekommen (nachdem der von ihm schwer bejubelte Krieg im Irak, vor dem Johannes Paul II. so leidenschaftlich gewarnt hatte, in einer Katastrophe mündete). Es ist ein Wahn, über den sich Alan Posener am liebsten zum Propagandaminister des nächsten ideologischen Projekts empor schwingen möchte, das er als „Zivilreligion der Demokratie“ verklärt. Darum versucht er auch immer verzweifelter, sich in dieser After-Religion als Blockwart des korrekten Denkens zu profilieren. Poor boy!

Der Maoist ist Demokratist geworden: ein Moralist vom Schlag Robespierres, als zorniger Streithammel. Vor allem aber, ich kann es kaum anders sagen, ist Alan Posener ein armer Kerl. Einladen möchte ich deshalb herzlich, für seine Seele zu beten. Maria hat doch schon so oft geholfen, dann soll sie es hier bitte noch einmal tun! Statt des Schlags auf die BULLSHIT-Taste rufe ich alle Leser also zu einem Ave Maria für den irregeleiteten Alan Posener auf, und den guten Kern, der auch heute noch irgendwo in ihm schlummert. Denn lesen Sie selbst, was aus ihm hätte werden können. Es ist ein wirkliches Drama. O Maria, hilf!

Auszug aus dem Interview mit Alan Posener PUR-Magazin 12/2000

PUR-Magazin:Wie kommt man als Autor von Biographien über Musiker wie John Lennon und Elvis Presley oder über Politiker wie Roosevelt, Kennedy und Stalin dazu, ein Buch über die Gottesmutter Maria zu schreiben?

Alan Posener:Als ich eine Biographie über Wilhelm Shakespeare machte, stellte ich fest, dass man die Zeit Shakespeares und damit auch sein Werk nicht verstehen kann, ohne Maria zu verstehen und den Verlust zu begreifen, den es für Europa bedeutet hat, Maria, die die Leitfigur der Kultur des gesamten Mittelalters gewesen war, plötzlich aus dem Himmel zu verstoßen und ihre Standbilder und Statuen aus den Kirchen verschwinden zu lassen. Bei meiner Arbeit über Shakespeare wurde ich von der Figur der Maria fasziniert.

Was reizte Sie noch an der Mariengestalt?

All die Figuren, die ich bis dahin als Biograph behandelt hatte, waren eigentlich zugleich lebende Gestalten. Überlebensgroße Gestalten freilich, wenn man so will sogar Mythen. Bei der Muttergottes ist es so, dass es zunächst einmal diese sehr junge Frau, die in Palästina lebte, wirklich gegeben hat. Gleichzeitig ist ihr außergewöhnliches Leben eine Glaubenswahrheit für Katholiken, aber auch für jene, die die marianischen Dogmen nicht akzeptieren
können oder areligiös sind, ist sie ein Mythos von solcher Kraft, wogegen andere Mythen wie etwa Elvis Presley oder Madonna einfach verblassen. Sie ist der Ur-Mythos. Und schon allein das wäre ein Reiz für mich gewesen, mich mit ihr zu befassen, auch wenn ich sonst keinen Bezug zu ihr gehabt hätte.

Sie haben das Thema Maria nicht theologisch, sondern historisch und phänomenologisch angepackt. Sind Sie beim Schreiben des Buches in Konflikt geraten mit theologischen Dogmen und kirchlichen Aussagen über Maria?

Nur in einem Fall, der Aussage „semper virgo“ – „immerwährende Jungfräulichkeit“, was ja ausschließen würde, dass es Brüder und Schwestern Jesu gegeben hätte. Hier habe ich ein Problem mit der Aussage der katholischen Kirche. Doch kann ich mich sogar auf eine frühe Schrift von Kardinal Ratzinger beziehen, in der er sinngemäß sagt, dies sei für das theologische Verständnis von Jesus und Maria nicht wesentlich. Also wie gesagt, in diesem Punkt habe ich ein Problem mit der Lehre der Kirche, weil ich die immerwährende Jungfräulichkeit Mariens metaphorisch auffasse. Es ist aber auch nicht so, dass ich sie für völlig ausgeschlossen halte. Wir wissen nicht, wer die „Brüder und Schwestern“ Jesu sind, von denen in der Bibel die Rede ist. Die katholische Kirche interpretiert das im Katechismus so, dass das entfernte Verwandte oder Kinder Josefs aus der ersten Ehe sind – und das ist immerhin möglich. Ich habe zum Glück sonst keine Punkte gefunden, in denen ich in Konflikt komme mit der Theologie.

Sie tun sich also mit den anderen kirchlichen Aussagen über Maria und der Marienverehrung nicht besonders schwer?

Überhaupt nicht. Die Marienverehrung beginnt sozusagen bei den ersten Christen. Und Maria wird in der Bibel ja vielfach genannt. Wenn Sie nicht wichtig wäre, würde nicht so ausführlich über sie berichtet. Es ist doch ganz klar: Wenn man akzeptiert, dass Jesus der Sohn Gottes war, dann ist die Frau, durch die Gott selbst geboren wurde, von großer Bedeutung. Ich verstehe mein Buch nicht als eine Erklärung der Dogmen, so dass man an sie glauben müsste, sondern als Erklärung der Dogmen, so dass ihre innere Konsistenz klar wird – auch für den Nichtgläubigen. Also warum man von Voraussetzung A zu Folgerung B kommt. Warum die Frau, in der Gott seine Wohnung nahm, um es einmal so auszudrücken wie es die frühen Kirchenväter taten, etwas Besonderes sein musste. Warum es einen Sinn macht, sich vorzustellen, dass die Kette der Erbsünde unterbrochen wurde für sie; warum daraus folgt, dass ihr Körper nicht der Verwesung anheim
fallen kann, weil nicht sündig. Der Tod ist der Sünde Lohn.

Warum das alles eine innere Konsistenz und eine innere Schönheit hat, auch für denjenigen, dem die Gnade des Glaubens nicht gegeben ist. Es gibt heute eine gewisse hämische Art über die Dogmen der katholischen Kirche herzuziehen. Aber ich glaube, man muss zunächst einmal ihre Schönheit und Folgerichtigkeit
begreifen, bevor man sagt – gut das glaube ich oder glaube ich nicht.

Sie selber sind aber nicht katholisch.

Nein.

Das heißt, für Sie selber gelten letztlich diese Dogmen nicht, obwohl Sie in ihrem Buch nahezu eine Liebeserklärung an die marianischen Glaubenssätze verfasst haben.

Ich bin der Sohn eines deutschen Juden und einer englischen Anglikanerin. Ich war als Kind eher protestantisch veranlagt, wurde dann rabiater Atheist und Marxist in der Studentenbewegung. Eine Haltung, die ihre eigene Würde hat, die mir aber zunehmend unhaltbar vorkommt. Es gibt von Bob Dylan, den ich sehr
verehre, eine grundsätzliche Aussage zum Thema Glauben: „Wer nicht an Wunder und an Gott glaubt, hat seine Augen nicht aufgetan.“ Und das stimmt. Die Welt, wie sie um uns ist, ist einfach ein Wunder.

Alan Posener, heute ein Marienfreund,wo er doch früher mal ein
Sozialist war …

… Marxist, Leninist, sagen Sie’s ruhig …

… der gesellschaftliche Strukturen radikal verändern wollte. Kann man Ihnen heute nicht vorwerfen, so wie andere ihrer Weggefährten der Esoterik ins Netz gegangen sind, hätten Sie sich ins Katholisch-spirituelle geflüchtet?

Ich stehe mitten im Leben und schwebe nicht im siebten Himmel. Als Journalist bin ich vor allem mit handfesten Alltagssachen befasst und nicht mit irgendwelchen Wolkenkuckucksheimen. Ich bin ja nicht über Nacht vom Atheisten zum Katholiken geworden, ganz abgesehen davon, dass ich ja noch gar nicht katholisch bin, obwohl ich mir wünschte, katholisch werden zu können. Ich habe schon 1977 mit dem Marxismus gebrochen und habe 20 Jahre lang die Würde des Atheismus ebenso wie die Würde der Religion vertreten.

Worin zeigt sich für Sie die religiöse Würde?

Als ich mit dem Marxismus brach, las ich Alexander Solschenizyns Archipel Gulag, was ich mir vorher verbeten hatte. Solschenizyn schildert darin, dass diejenigen, die in den Gulag-Lagern nicht zerbrachen, vor allem die Christen waren. Die, die keine metaphysische Rechtfertigung für ihre Leiden hatten, die keinen Sinnzusammenhang sahen, die darin nur ein reines Unglück sehen konnten, sind zerbrochen.


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