Bischöfe als 'Porno-Produzenten'?

27. Oktober 2011 in Aktuelles


Bereits im Jahr 2008 erhielten alle am Verlag beteiligten deutschen Diözesanbischöfe eine 70seitige Dokumentation über das fragwürdige Angebot des Weltbildverlags. Ein Gastkommentar von Bernhard Müller / Pur-Magazin


Kißlegg (kath.net/pur-magazin.de)WELTBILD ist der größte deutsche Buchhändler. Was aufgrund des Verkaufsangebots nicht zu erkennen ist und daher viele nicht wissen: Dieser Medienkonzern gehört zu 100 Prozent der katholischen Kirche. Doch seit Mitte Oktober ist Feuer unter dem Dach, nachdem das Fachmagazin „buchreport“ berichtete, die katholische Verlagsgruppe beteilige sich am Geschäft mit Erotik. Man wolle, hieß es daraufhin eilig von Seiten der Bischöfe, den „Vertrieb möglicherweise pornografischer Inhalte“ durch den katholischen WELTBILD-Verlag unterbinden. Vermutlich habe ein Filtersystem versagt. Doch zahlreiche engagierte Katholiken, die schon seit mehr als zehn Jahren ihre Oberhirten so unermüdlich wie erfolglos auf den Skandal WELTBILD aufmerksam machen, sind ob solcher Scheinheiligkeit entsetzt. Die katholische Kirche steckt in der WELTBILD-Falle, weil sie hunderte Millionen Euro in das Augsburger Verlagshaus gesteckt hat, das aber Geschäfte betreibt, von denen Papst Benedikt sagt, sie gehörten zu den Gütern der Kirche, die ihr eigentliches Gut verdunkelten.

Im Frühjahr 2008 trafen sich in einer bayerischen Bischofsstadt einige entschlossene Katholiken und erstellten eine 70seitige Dokumentation über das fragwürdige Angebot des katholischen Weltbildverlages. Diese Dokumentation wurde allen deutschen Diözesanbischöfen zugeschickt, deren Bistümer Miteigentümer des Weltbild-Verlages sind. In der Informationsmappe wurde beispielhaft nachgewiesen, dass Weltbild mit der Verbreitung von Sexbüchern, Gewaltverherrlichung, Esoterik, Magie und Satanismus eine Menge Geld verdient.

Die Aktivisten nannten ihre Initiative „Katholisches! Weltbild“ und forderten die Bischöfe als verantwortliche Eigentümer in einem beigefügten Schreiben zum sofortigen Handeln auf. Erschüttert hat das die hohe Geistlichkeit kaum. Mehr als die Hälfte aller betroffenen Bischöfe ließ nicht einmal den Eingang bestätigen und beantwortete auch einen später nachgeschobenen Brief nicht. Die Antwort aus dem Erzbischöflichen Ordinariat in München war gar zynisch.

PUR magazin liegt der im Auftrag von Erzbischof Marx am 5.6.2008 an die Initiative „Katholisches! Weltbild“ geschriebene Antwortbrief vor, verfasst vom Erzbischöflichen Finanzdirektor, Dr. Sebastian Anneser. Darin heißt es: „Gestatten Sie mir aber dennoch eine kleine persönliche Anmerkung. Sie und die in der Anlage genannte Initiative „Katholisches! Weltbild“ haben verdienstvoller Weise mit viel Mühe alles Unkraut aufgestöbert. Als Priester, dem die Glaubwürdigkeit eines kirchlichen Unternehmens sehr wohl auch ein großes Anliegen ist, fällt es mir schwer, alle Energie ausschließlich darauf zu verwenden, noch das letzte Unkraut auszureißen, selbst wenn ich dabei wissentlich Gefahr laufe, den Weizen im Acker – zu vernichten. Und aus meiner und sicher auch Ihrer Kenntnis des Unternehmens wäre ich dankbar, wenn ich mit ebenso großem Engagement Bestätigung und Anerkennung erführe für den vielen Weizen, der beispiellos über Weltbild unter das Volk gestreut wird.“ Mit solch überheblicher Ignoranz hatten selbst die kampferprobten Streiter für ein katholisches Weltbild nicht gerechnet. Sie hatten daher wohl auch nicht zu Unrecht den Eindruck, dass die bischöflichen Gesellschafter „nicht wirklich ernsthaft bereit sind, umgehend Abhilfe zu schaffen“. Und irgendwie mögen sie den mehr als drei Jahre später eilig gesprochenen markanten Worten von Kardinal Marx nicht so recht glauben, wenn er jetzt in die Mikrofone der Journalisten ruft: „Wir wollen in unseren Verlagen weder Pornografie noch Gewaltverherrlichung. Wenn wir davon hören, gehen wir der Sache nach, und dann wird das unterbunden.“

Die nach außen getragene Überraschung vieler kirchlicher Entscheidungsträger, dass in ihrem Großverlag Pornografisches vertrieben wird, ist gespielt. Schlecht gespielt. Seit Jahren gehen bei den Bischöfen Beschwerdebriefe von Gläubigen ein, die stereotyp bischöflicherseits so oder ähnlich beantwortet werden: „Wir bestätigen den Eingang ihres Schreibens, das Herr Bischof … zur Kenntnis genommen hat. Ich darf Ihnen versichern, dass Herr Bischof … den darin geäußerten Fragen nachgehen wird.“

Seit 30 Jahren hantiert die katholische Kirche mit Weltbild. Seit 30 Jahren ein Flirt mit Geld und Macht. Unter Missachtung ethischer und moraltheologischer Verpflichtungen hat sich die Kirche mit ihrem hauseigenen Konzern zu einem „Major Player“ im Mediengeschäft hochgepuscht. Dieser Weg nach oben hat Millionen an Kirchensteuergeldern verschlungen. Heute hat das Unternehmen 6400 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von rund 1,7 Milliarden Euro. Im Onlinebuchhandel ist das Augsburger Verlagshaus die Nummer zwei nach Amazon. Im stationären Buchhandel hat WELTBILD rund 20 Prozent Marktanteil. Damit ist der Konzern der führende Buchverkäufer in Deutschland.

Wer so einen florierenden Großkonzern besitzt, der verdient auch einen Haufen Geld, denkt sich der einfache Katholik, und weil die Kirche wohl mit den Gewinnausschüttungen viel Gutes bewirkt, hat die ganze Sache auch ihre positive Seite. Doch genau darauf haben die Eigentümer offenbar regelmäßig verzichtet und die gesamten Gewinne re-investiert, um das kapitalistische Ziel, milliardenschwerer Marktführer zu werden, schneller zu erreichen.

Vor knapp drei Jahren versuchten die Bischöfe, Weltbild zu verkaufen. Die damals hereingebrochene Finanzkrise habe aber einen Verkauf unmöglich gemacht, hieß es. So konnte Weltbild-Geschäftsführer Carel Halff, übrigens konfessionslos, im April 2009 verkünden: Der Verkaufsverzicht der Kirche habe das Haus gestärkt und er könne davon ausgehen, dass diese Entscheidung „stabil“ sei. Was die Ausrichtung des Sortiments angehe, ließ Halff damals wissen, gebe es einen ständigen Dialog mit dem Aufsichtsrat. Direktiven, die sich auf die Katholizität des Programms auswirken, gibt es aber offenbar nicht. Entscheidend ist bei Weltbild nur der Geschmack der über 20 Millionen Kunden. Unter 2,5 Millionen Zuschriften 2008, so Halff, hätten sich nur 30 kritische Anfragen zum Angebot befunden. Eine so verschwindend geringe Zahl, dass sie sich nicht mehr in Prozenten ausdrücken lässt.

Die katholische Kirche steckt in der Weltbild-Falle. Der Marktführer unter Deutschlands Buchverkäufern kann nur Marktführer bleiben und seine Milliardenumsätze fortsetzen, wenn er weiterhin sein Geld auch mit Medien verdient, die mit dem katholischen Glauben nicht vereinbar sind. Ein Versandhandel in dieser Größenordnung kann nicht über Filtersysteme alle einschlägigen Bücher, CDs und DVDs aussortieren, ohne erhebliche Umsatzeinbußen hinzunehmen.

Immerhin bietet Weltbild heute etwa 2.500 erotische Titel in ihrem Online-Katalog an. Darunter sind auch Bücher des Verlages Blue Panther Books mit seiner Sex-Prosa der Reihen „Anwaltshure“, „Vögelbar“ und „Schlampeninternat“. Blue Panther Books gibt‘s zwar bei Weltbild zu kaufen, der Verlag war aber in diesem Jahr nicht einmal auf der Frankfurter Buchmesse vertreten, weil der Veranstalter für einen Verlag dieser Art „keinen passenden Standplatz anbieten konnte“. Untragbar ist freilich nicht nur das pornografische Angebot des Weltbildverlages.

Denn er bietet auch nahezu alle kirchenfeindlichen Schriften wie die Bücher des Gottleugners Richard Dawkins an. Und zum Aufspüren papst- und kirchengegnerischer Literatur gibt es bis heute nicht einmal einen brauchbaren Filter. Weiterhin sind Esoterik, Astrologie sowie gewaltverherrlichende und satanische Medien im Online-Angebot. Der monatlich in einer weit höheren Auflage als die drei führenden deutschen Nachrichtenmagazine SPIEGEL, STERN und FOCUS zusammen gedruckte 200seitige Werbekatalog von Weltbild kommt in etwa vier Millionen Haushalte. Dort werden zwar offen keine Pornos beworben, der Katalog zeigt ansonsten aber oft eine erschreckende Niveaulosigkeit und preist Bücher an, die jeder Seite des katholischen Katechismus Hohn sprechen.

Weltbild ist für die deutschen Bischöfe so etwas wie eine Bank. Sie haben dort über die Jahre knapp 182 Millionen Euro Kirchensteuergelder einbezahlt. Jetzt stehen sie vor der alten Frage: Geld oder Moral? Die ohnehin schwierige Situation verschärften die geschäftstüchtigen Kirchenleute 1998 noch dramatisch dadurch, dass Weltbild sieben eigene Buchverlage mit fünf Buchverlagen der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck zur Verlagsgruppe Droemer Knaur mit Sitz in München fusionierte.

Bei dieser Aktion versenkte die Kirche nicht nur mal schnell 25 Millionen, sondern seither ist sie mit ihrem 50prozentigen Anteil an Droemer Knaur nicht bloß mehr Verkäufer, sondern auch Produzent von pornografischen Büchern. Die Bischöfe werden somit indirekt zu Verlegern von Pornoartikeln. Man fragt sich, warum Medienbischof Gebhard Fürst, der sich aus der brisanten Diskussion öffentlich weitgehend heraushält, als Hirte nichts dagegen unternimmt, wenn die katholische Kirche das Werk „Sündige Spiele“ mitproduziert? Manchem bleibt nur noch die Polemik: Wozu braucht Weltbild-Aufsichtsrat und Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Langendörfer, „Meine feuerroten Stilettos?“. Muss Bischof Mussinghoff wissen „Warum Männer so schnell kommen und Frauen nur so tun als ob“. So könnte man fortfahren.

Die quälende Frage bleibt, warum die Bischöfe als Miteigentümer ihrer persönlichen Verantwortung nicht gerecht werden und Bücher produzieren lassen wie: „Nimm mich hier und nimm mich jetzt!“, „Sex für Könner“, „Handbuch für Sexgöttinnen“, „Schmutzige Geschichten“, „Der perfekte Verführer“, „Sag Luder zu mir!“.

Bei Droemer-Knaur, zu dem die deutschen Bischöfe neben Carel Halff einen eigenen katholischen Aufsichtsrat, den Kölner Bildungsdirektor Erwin Müller-Ruckwitt entsandt haben, betreibt man darüber hinaus auch einen der bekanntesten buddhistischen Verlage in Deutschland, den O.W. Barth-Verlag. Auch daran sind die Bischöfe zur Hälfte beteiligt.

Aber auch weitere Firmenbeteiligungen sind problematisch. So gehört dem Weltbild-Konzern zu einem Drittel das Internet-Portal buecher.de. Dort werden Bücher wie „Graf Porno“ und „Porno für Paare“ beworben. In der Selbstdarstellung „Wer wir sind – Über Weltbild“ heißt es auf der Homepage des Augsburger Verlagshauses: „Wir erfinden uns jeden Tag neu. Der Geschmack unserer Kunden ändert sich beinahe täglich. Daher gibt es für uns keine unumstößlichen Regeln oder festgeschriebene Strategien. Wir erfinden uns permanent neu … Fehler sind erlaubt – denn was zählt ist der Erfolg.“ Man würde nicht unbedingt vermuten, dass dies katholische Unternehmensphilosophie ist. Daher bleibt bei vielen Gläubigen die Sorge, alles könnte so weiterlaufen wie bisher, sobald sich der kurze Sturm in den Medien wieder gelegt hat. „Business as usual“ eben.

Die Glaubwürdigkeit der Kirche steht auf dem Spiel. Bekannte Vorurteile gegen die Amtsträger finden durch den Skandal um Weltbild eine traurige Bestätigung: Wasser predigen und Wein trinken. Auf die aktuelle Situation übersetzt: Keuschheit predigen und Pornos verkaufen.

Wenn ein kirchliches Unternehmen es aufgegeben hat, nach christlichen Gesichtspunkten zu arbeiten, dann gerät es an vielen Fronten in Widerspruch. Das zeigt ein Beispiel aus einer württembergischen Kleinstadt. Dort kämpft ein ortsansässiger katholischer Buchhändler seit Jahren um seine Existenz, seit Weltbild ein Ladengeschäft in seiner Straße eröffnet hat. Aus einem Fastenhirtenbrief seines Ortsbischofs, der zugleich Medienbischof ist, weiß er, dass er sich zur Heiligung des Herrentags nicht am verkaufsoffenen Sonntag beteiligen soll. Er hält sich daran.

Andere nicht. Der erste Laden, der aufmacht und der letzte der zumacht, ist das katholische Weltbild-Geschäft in seiner Straße. „Bigott“ nennt der Buchhändler die Bischöfe deshalb, zumal nicht bekannt ist, dass irgendeiner von ihnen Weltbild schon mal aufgefordert hätte, sonntags ihre Buchläden geschlossen zu lassen, oder auf die 24 Stunden-Bestellhotline zu verzichten. Deshalb fordern Leser auf der Internet-Plattform kath.net nicht nur eine „Entweltlichung“ der Kirche, wie sie der Papst angemahnt hat, sondern gleich eine „ganze Tempelreinigung“.

Die katholische Kirche in Deutschland ist jedenfalls in ziemliche Erklärungsnot geraten.

Der Beitrag erschien ursprünglich im Pur-Magazin November 2011

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