Erzbischof von Sarajevo warnt vor radikalem Islamismus in Bosnien

25. Jänner 2012 in Weltkirche


Kardinal Puljic: Niemand in der Regierung hat den Mut, die Ausbreitung des Wahabismus zu stoppen - Katholiken werden systematisch benachteiligt


Sarajevo (kath.net/KAP) Der Erzbischof von Sarajevo, Kardinal Vinko Puljic (siehe Foto), warnt vor einer Zunahme des radikalen Islamismus in Bosnien. Bei einem Besuch in der Zentrale des katholischen Hilfswerks "Kirche in Not" in Königstein im Taunus (Hessen) kritisierte Puljic besonders das Verhalten der bosnischen Regierung.

Die Politiker ignorierten die Probleme. Der Bau immer neuer Moscheen und "islamischer Zentren" werde mit Geldern aus Saudi-Arabien finanziert, erklärte Puljic. Allein in Sarajevo seien in den letzten Jahren 70 neue Moscheen gebaut worden.

Der Kardinal zeigte sich sehr besorgt über den von Saudi-Arabien geförderten Wahabismus, der eine völlig andere Religionsauffassung vertritt als der traditionelle bosnische Islam.

Bei der Restaurierung der Husrev-Beg-Moschee in Sarajevo wurden die Mosaiken im Inneren entfernt, weil sie der puritanischen Auffassung der Wahabiten widersprechen.

Nach Angaben von Kardinal Puljic halten sich derzeit 3.000 bis 5.000 - zumeist aus dem Ausland stammende - Wahabiten in Bosnien auf und versuchten, Einfluss auf die Gesellschaft zu gewinnen, insbesondere auf die Jugend.

Mehr als 100.000 junge bosnische Muslime seien über Organisationen wie "Aktive Islamische Jugend", "Furqan" und den "Muslimischen Jugendrat" mit den Wahabiten in Kontakt gekommen.

"Niemand in der Regierung hat den Mut etwas zu unternehmen, um diese Entwicklung zu stoppen", betonte der Erzbischof von Sarajevo.

Während ständig Moscheen restauriert oder neu gebaut werden, gebe es bei den Baugenehmigungen für katholische Kirchen oft jahrelange Verzögerungen. Auch das von den Tito-Kommunisten beschlagnahmte Kirchenvermögen sei noch immer nicht zurückgegeben worden. Die Regierung habe offenbar kein Interesse daran.

Grund- und Immobilienbesitz der islamischen geistlichen Verwaltung und der Moscheegemeinden sei dagegen in den meisten Fällen bereits restituiert worden.

Kardinal Puljic bedauerte, dass die Katholiken in Bosnien "systematisch benachteiligt" würden. Er verlangte Gleichbehandlung aller Bürger in der Berufswelt, bei der Erziehung und in anderen Lebensbereichen.

Trotz dieser Probleme setze sich die katholische Kirche für mehr Zusammenarbeit zwischen den einzelnen konfessionellen Gruppen ein: "Wir sind eine Minderheit, aber wir sind eine konstruktive Kraft, die etwa zum Gelingen der Gesellschaft beitragen will."

Sr. Ivanka Mihaljevic, Provinzoberin der franziskanischen Christ-Königs-Schwestern, schilderte in Königstein das Dreijahres-Programm "Ich gebe dir meine Hand zum friedlichen Zusammenleben". Bei diesem Programm arbeiten Katholiken, Orthodoxe und Muslime zusammen, um Toleranz, Gewaltlosigkeit und gegenseitigen Respekt zu fördern.

40 Prozent der Bevölkerung Bosnien-Herzegowinas sind Muslime, rund 31 Prozent gehören der serbisch-orthodoxen Kirche an, 10 Prozent sind Katholiken.

Von den 820 000 Katholiken, die vor dem Krieg zwischen 1992 und 1995 in Bosnien-Herzegowina lebten, sind nur noch 460.000 übrig geblieben. Die Auswanderungswelle hält weiter an.

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Foto: (c) Kirche in Not Deutschland



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