In der ‚Schule des Gebets’: Stille, Schweigen und Beten

7. März 2012 in Aktuelles


Benedikt XVI.: Die Notwendigkeit der Erziehung zur Stille in einer Zeit, die die Sammlung nicht begünstigt und Angst aufkommen lässt, vom die Tage erfüllenden Fluss der Worte und Bilder Abstand zu nehmen. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, die meinen, sie werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen“ (Mt 6,7): Schweigen, Stille und Gebet standen im Mittelpunkt der Katechese bei der Generalaudienz am heutigen Mittwoch – der ersten, die im Jahr 2012 auf dem Petersplatz stattfand. Vor rund 10.000 angemeldeten Pilgern und Besuchern beschloss Papst Benedikt XVI. den Teil seines Katechesenzyklus zur Schule des Gebets, der sich mit dem Beten Jesu auseinandersetzte, und konzentrierte sich auf die Rolle des Schweigens und der Stille für das Gebet als unverzichtbarem Moment des Einhaltens.

Bei Christus selber gehörten Sprechen und Stille zusammen und bildeten eine innere Dynamik, die für sein Beten charakteristisch sei. „Das Wort Gottes können wir hären, nur wenn wir dafür offen sind und wenn wir gesammelt und schweigend sind“, so Benedikt XVI. Der Papst erinnerte an das Wort des heiligen Augustinus: „Wenn das Wort Gottes wächst, werden die Menschenworte weniger“.

Ganz in diesem Sinne ziehe sich Jesus selbst immer wieder die Einsamkeit zurück, um einfach im Innern einsam mit dem Vater in der Stille ohne viele Worte zu beten. Auch im Menschen schaffe die Stille einen tiefen inneren Raum, „damit sich etwas für die Anwesenheit Gottes in uns auftut, damit das Wort Gottes in uns eindringen und uns langsam durchdringen kann“.

Neben dieser ersten Stille gebe es dann eine „zweite, dunkle und schwierigere“ Stille: auch Gott könne dem Menschen gegenüber schweigen: „Es gibt das Schweigen Gottes. Der Herr selbst hat es dramatisch erfahren am Kreuz: ‚Warum hast du mich verlassen?’. Und im Menschenleben wiederholt es sich immer wieder, dass Gott schweigend ist, dass er uns nicht zu hören scheint. Und gerade da will uns Jesus lehren, dass hinter dem Schweigen Gottes seine größere Weisheit und Güte stehen, dass wir dieses Schweigen aushalten und damit dann auch fähig werden, inwendig seine Antwort und seine Anwesenheit wahrzunehmen“. Gott schweige nicht, weil er nicht mehr da wäre, sondern weil er größer sei. Er wolle den Menschen über seine Worte ins Größere hineinführen.

„So wollen wir den Herrn darum bitten, dass wir selber still werden können und damit fähig, einen Raum für Gottes Wort in uns zu haben und dass wir das Schweigen Gottes ertragen können und immer wieder wahrnehmen: ja , er ist da“. Benedikt XVI. betonte ausgehend vom Wort des Psalms: „Der, der den Mund gemacht hat, die Zunge und Redeorgane – sollte er nicht reden können? Der die Ohren gemacht hat – sollte er nicht hören können? Er hat überhaupt Reden, Schweigen und hören geschaffen“. Der Mensch müsse immer wieder durch das Schweigen Gottes hindurch ins Größere seines Wortes und seiner Wahrheit hinaufgezogen werden“.

Der Mensch sorge sich oft zu sehr um Wirksamkeit und Ergebnisse. So zeige das Beten Jesu, dass es für den Menschen notwendig sei, einzuhalten, einen Augenblick der Intimität mit Gott zu leben und sich vom alltäglichen Lärm abzusetzen, um an die Wurzel dessen zu gehen, was das Leben trage und nähre. Unsere Zeit begünstige kaum die Sammlung. Es entstehe vielmehr der Eindruck, dass es eine Angst gebe, sich auch nur für einen Augenblick vom Fluss der Worte und Bilder abzusetzen. Daher betonte der Papst die Notwendigkeit, zum Wert der Stille zu erziehen und den Sinn der Sammlung und inneren Ruhe neu zu entdecken.

Wie das Kreuz Christi zeige, spreche Gott auch durch sein Schweigen und zeige das Schweigen Jesu als dessen letztes Wort an den Vater. Die Erfahrung Jesu am Kreuz offenbare zutiefst die Situation des Menschen, der betet, und den Höhepunkt des Gebets: „Nachdem wir das Wort Gottes gehört und erkannt haben, müssen wir uns auch mit dem Schweigen Gottes messen, das wichtiger Ausdruck des Wortes Gottes ist“.

Das innere und äußere Schweigen ist für Benedikt XVI. Grundvoraussetzung dafür, dass das Wort Gottes vernommen werden könne. Hierzu erinnerte der Papst an seine Worte aus dem nachsynodalen Schreiben „Verbum Domini“: „Die große patristische Überlieferung lehrt uns, dass die Geheimnisse Christi an die Stille gebunden sind, und nur in ihr kann das Wort Raum in uns finden, wie in Maria, die zugleich Frau des Wortes und der Stille ist – diese Aspekte sind in ihr nicht voneinander zu trennen. Unsere Gottesdienste müssen dieses wahre Hören erleichtern: Verbo crescente, verba deficiunt“ (Nr. 66). Dieses Prinzip gelte für das persönliche Gebet, aber auch für die Liturgien: „Um ein echtes Hören zu erleichtern, müssen diese auch reich an Momenten der Stille und der nichtverbalen Aufnahme sein“.

Jesus lehre das Beten, so der Papst abschließend, der die Worte des „Kompendiums des Katechismus der Katholischen Kirche“ in Erinnerung rief: „Jesus lehrt uns beten nicht nur durch das Gebet des Vaterunser, sondern auch durch sein eigenes Beten. Auf diese Weise zeigt er uns neben dem Inhalt auch die Haltungen, die für das wahre Gebet erforderlich sind: ein reines Herz, welches das Reich Gottes sucht und den Feinden vergibt; das kühne, kindliche Vertrauen, das über unser Fühlen und Verstehen hinausgeht; die Wachsamkeit, die den Jünger vor der Versuchung bewahrt“ (Nr. 544).

Das Gebet Jesu erreiche den höchsten Punkt seiner Tiefe im Augenblick des Leidens und Sterbens, als er sein äußerstes „Ja“ zum Plan Gottes spreche und zeige, dass der menschliche Wille seine Erfüllung in seiner vollen Zustimmung zum göttlichen Willen finde:

„Im Gebet Jesu, in seinem Schrei zum Vater am Kreuz „liegt alles Elend der Menschen aller Zeiten, von Sünde und Tod geknechtet, und jede Bitte und Fürbitte der Heilsgeschichte. Der Vater nimmt sie alle an und erhört sie in einer Weise, die über alle menschliche Hoffnung hinausgeht, durch die Auferweckung seines Sohnes. Darin erfüllt und vollendet sich der Weg des Gebetes in der Schöpfungs- und der Erlösungsordnung“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2606).

Die Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum begrüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Ganz herzlich grüße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher. Nehmen wir uns in dieser österlichen Bußzeit wirklich Zeiten der Stille, um auf dem Weg des vertrauensvollen Gebetes voranzuschreiten und um uns wirklich mit der Liebe Christi zu verbinden und in die Nähe von Gottvater zu kommen. Der Herr schenke euch allen eine gesegnete Fastenzeit.

Nach der Generalaudienz empfing Benedikt XVI. den Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland, Wolfgang Schäuble, in Privataudienz. Schäuble überreichte dem Papst die Sonderbriefmarke „500 Jahre Sixtinische Madonna“, die von der Bundesrepublik gemeinsam mit dem Vatikanstaat herausgegeben wird. Die deutsche Version der Sondermarke kostet 55 Cent. Die motivgleiche vatikanische Ausgabe trägt den Aufdruck „500 Anni Madonna Sistina“ und hat einen Wert von 240 Cent.




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