'Sind Sie weltfremd, Herr Bischof Huonder?'

5. April 2012 in Interview


„Ich habe nichts anderes gemacht als festzuhalten, was weltkirchlich nach wie vor gilt. Doch manche haben es wohl nicht so gern, wenn man darauf hinweist.“ Mit dem Churer Bischof Vitus Huonder sprach Christian Ruch / Bündner Woche


Chur (kath.net/BüWo) Der Churer Bischof Vitus Huonder (Foto) gilt als sehr konservativ und sorgt deshalb immer wieder für Aufregung. Unlängst hat er in seinem Hirtenbrief darauf aufmerksam gemacht, dass wiederverheirateten Geschiedenen der Gang zur Kommunion verwehrt ist. Große Empörung war die Folge, kath.net hat mehrfach berichtet. Jetzt nimmt der Bischof in einem Büwo-Interview Stellung zu seinen umstrittenen Aussagen.


Bündner Woche: Herr Bischof, Sie haben in Ihrem Hirtenbrief zu Ehefragen darauf hingewiesen, dass die Katholische Kirche wiederverheiratete Geschiedene von der Kommunion ausschliesst. Darauf erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Wie erklären Sie sich das?

Vitus Huonder: Die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen habe ich nur gestreift, sie wird schon länger weitherum diskutiert. Schon vor 15 Jahren gab es ein ausführliches Schreiben der Glaubenskongregation in Rom. Manche meinen wohl, man müsse nur immer wieder daran rütteln, dann werde sich schon etwas ändern.

Ich habe nichts anderes gemacht als festzuhalten, was weltkirchlich nach wie vor gilt. Doch manche haben es wohl nicht so gern, wenn man darauf hinweist.

Bündner Woche: Was sagen Sie zu dem immer wieder erhobenen Vorwurf, Sie seien weltfremd?

Huonder: Es geht um Fragen des Glaubens, die man nicht einfach nach dem «Mainstream» der Meinungen entscheiden kann. Insofern müsste man sagen, dass vieles im Glauben weltfremd ist, das mag schon sein.

Der Glaube kann sich jedoch nicht an der Weltmeinung orientieren, sich einfach aus der Welt heraus entwickeln, sondern aus dem Glauben heraus, aus dem Evangelium und der kirchlichen Tradition.

Bündner Woche: Nun gibt es aber Gläubige, die sagen, Jesus habe doch auch mit Sündern gegessen, deshalb sei es unbarmherzig, wenn die Katholische Kirche wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion verweigere.

Huonder: Das hört man oft. Da wird das tägliche Mahl aber mit der Eucharistie verwechselt. Ja, es stimmt, Jesus ist mit Sündern an einen Tisch gesessen, um sie zur Umkehr zu bewegen. Aber Jesus hat mit ihnen nicht Eucharistie gefeiert. Das ist ein großer Unterschied!

Bündner Woche: Liegt das Problem nicht auch darin, dass viele Gläubige den Kommunionempfang nur als eine Art Dienstleistung sehen, auf die man dank Kirchensteuer Anspruch hat?

Huonder: Ja, da hat sich vieles gewandelt. Auch hier verwechselt man die Kommunion mit einer Teilnahme an einem Mahl, fast so als wäre man bei einem Picknick. Aber die Kommunion ist kein Picknick, sondern das Allerheiligste, das wir in der Kirche haben. Sprechen Sie mal mit orthodoxen Mitchristen: Da gehen die Leute sehr wenig zur Kommunion und verbinden das meistens mit der Beichte. Zuerst geht man beichten, dann zur Kommunion.

Bei uns wurde der Zugang zur Kommunion in den letzten Jahrzehnten sehr erleichtert.

Früher musste man niederknien und hat die Kommunion nicht mit der Hand, sondern auf der Zunge empfangen. Das waren Elemente, um die große Ehrfurcht vor der Kommunion zum Ausdruck zu bringen.

Davon kam man mehr und mehr weg. Man überlegt sich leider oft zu wenig, was man eigentlich empfängt. Das fängt schon bei der Erstkommunion der Kinder an, wenn nur noch vom «heiligen Brot», aber nicht mehr vom Leib Christi die Rede ist. Und das kann Konfusion mit sich bringen.

Bündner Woche: Angenommen, ein wiederverheirateter Geschiedener kommt zur Kommunion und der Priester weiß von seiner Situation. Wie soll er sich verhalten?

Huonder: Der Priester muss sich diskret verhalten. Keinesfalls darf er den Betroffenen in der Öffentlichkeit bloßstellen und ihm die Kommunion verweigern, das ist ganz klar. Er soll aber danach mit ihm in Kontakt treten und das Problem besprechen.

Ich weiß, dass das schwierig ist. Aber der Priester muss die Situation schon deshalb klären, weil auch er durch ein solches Verhalten in Verlegenheit gebracht wird.

Bündner Woche: Damit es erst gar nicht zu solchen Problemen kommt, fordern manche Priester, bei den Brautpaaren genauer hinzuschauen und kirchliche Trauungen gegebenenfalls zu verweigern. Sehen Sie das auch so?

Huonder: Diese Frage habe ich ebenfalls in meinem Hirtenbrief angesprochen. Die Leute werden zu wenig geprüft, ob es ihnen wirklich um das Ehesakrament oder nur um eine schöne Feier in einer romantischen Umgebung geht.

Vielleicht müsste man auch mehr zwischen der Trauung und der oft damit verbundenen heiligen Messe unterscheiden. Mit der Trauung muss nicht unbedingt eine heilige Messe verbunden sein. Es kann sogar Situationen geben, in denen ich davon abraten würde. Das heißt, man sollte die Trauung vornehmen, aber auf die heilige Messe verzichten, wenn es in der Hochzeitsgesellschaft keinerlei Verständnis für die Eucharistie gibt. Wir müssen uns sicher darüber Gedanken machen, wie wir dieses Problem in Zukunft lösen wollen und besser die religiöse Motivation der Brautpaare abklären können.

Bündner Woche: Nun sind wir kurz vor Ostern. Wir leben in einer Zeit, in der viele mit Ostern, mit Auferstehung nicht mehr viel anfangen können. Was würden Sie solchen Menschen sagen? Wo liegt der Sinn von Ostern – jenseits von Schoggi und Hasen?

Huonder: Ostern ist die Botschaft, dass wir zum Leben berufen sind und durch das Geheimnis der Auferstehung ein neues Leben in Empfang nehmen dürfen.

Etwas profan ausgedrückt würde ich sagen: Ostern ist die Zukunft unseres Leben. Der Mensch trägt doch stark das Verlangen nach dem Leben in sich. Was machen die Menschen heutzutage nicht alles, um ihr Leben zu verlängern – manchmal Unsinniges.

Bündner Woche: In wenigen Wochen werden Sie 70 Jahre alt. Darum eine ganz persönliche Frage: Was wünschen Sie sich zum Geburtstag?

Huonder: Mein größter Wunsch ist natürlich eine gläubige Diözese (lacht).

Bündner Woche: Und? Ist das ein realistischer Wunsch?

Huonder: (lachend) Also bei Gott ist alles möglich. Oder um mit dem heiligen Augustinus zu sprechen: Gott schreibt auch auf krummen Zeilen gerade.

Bündner Woche: Wenn man sieht, wie Sie angegriffen werden, frage ich mich manchmal, woher Sie eigentlich die Kraft und die Motivation für Ihren «Job» nehmen. Sie sind ja zu allem auch noch ein Frühaufsteher ...

Huonder: (lachend) Ja, das stimmt.

Ich versuche einfach, den Weg der Kirche und unseres Glaubens zu gehen. Wenn das nicht angenommen wird, kann ich nichts machen, aber mir gibt es Sicherheit. Die Kraft, jeden Morgen neu anzufangen, bekomme ich im Gebet, im Dialog mit dem Meister selber. Ich setze mich mit ihm schon sehr auseinander. Er hat es ja auch nicht immer leicht gehabt. Das tröstet einen Bischof dann schon (lacht). Im wunderschönen Johannes-Evangelium heißt es über Jesus: «Er brachte Spaltung.» Jesus ist also auch nicht nur bejubelt worden. Es gab auch für ihn ganz schwierige Momente, doch gerade das kann all denen, die sich auf dem Weg seiner Nachfolge befinden, viel Kraft schenken.


EDITORIAL von Christian Ruch: Eine zutiefst gespaltene Kirche

Derzeit gerät der Churer Bischof Vitus Huonder ungefähr im Monatsrhythmus in die Schlagzeilen. Und das in aller Regel so, dass ihm nicht gerade schmeichelhafte Kommentare zuteil werden. Wobei die heftigste Kritik meistens von der sogenannten Basis, also aus den Kirchgemeinden kommt. Mit seinen Äußerungen zur Verweigerung der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene hat der Konflikt nun aber nochmal eine neue Dimension erreicht: Der Basler Bischof Felix Gmür hat es offenbar für nötig befunden, sich mehr oder weniger öffentlich von seinem Churer Amtsbruder zu distanzieren, und eine Kirchgemeinde am Bodensee wirbt mit einem Plakat, auf dem steht: «Wir schließen niemanden aus. Bei uns sind auch geschiedene Wiederverheiratete willkommen. Auch wir sind entsetzt über den Hirtenbrief von Bischof Huonder.»

Einmal mehr zeigt sich, dass die Katholische Kirche in der Schweiz zutiefst gespalten ist. Während der Unterschied zwischen den beiden großen Konfessionen in der öffentlichen Wahrnehmung immer mehr an Bedeutung verliert, werden die innerkirchlichen Gräben immer tiefer. Da ist die Frage, wie mit wiederverheirateten Geschiedenen umzugehen sei, nur ein Streitpunkt von vielen. Die Themen Frauenordination, Zölibat und Sexualmoral sind ebenfalls Dauerbrenner, bei denen mit unschöner Regelmäßigkeit die Fetzen fliegen.

Eine Ursache dafür ist der Umstand, dass vielen Gläubigen oft nicht mehr klar ist, was es eigentlich heißt, katholisch zu sein. Eine andere Ursache, dass die Kirchenspitze oft zu weit entfernt von der Lebenswirklichkeit der Menschen mit all ihren Nöten zu sein scheint. Dass sich viele wiederverheiratete Geschiedene von der Kirche ausgestoßen fühlen und dementsprechend harsch auf Huonders Worte reagieren, ist daher kein Wunder. Allerdings sollten sie und all die anderen Bischofskritiker sich einmal die Mühe machen, im Internet den ganzen Hirtenbrief zu lesen. Dann würden sie merken, dass dem Churer Bischof Menschen mit einer gescheiterten Ehe alles andere als egal sind. Und dass auch sie zur Kirche gehören.

Foto Bischof Vitus Huonder: (c) Bistum Chur


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