Unterwegs zur liturgischen Erneuerung

22. Oktober 2012 in Aktuelles


Zwei Besonderheiten bei der feierlichen Papstmesse zur Heiligsprechung von sieben Glaubenszeugen am 21. Oktober 2012. Die Symbolik des ‚Fanon’. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Zwei liturgische „Neuheiten“ bot die heilige Messe mit Papst Benedikt XVI. am gestrigen Sonntag zur Heiligsprechung von sieben Glaubenszeugen: der Ritus der Kanonisierung wurde nicht mehr wie bisher während der Eucharistiefeier vollzogen, sondern vor dem Beginn der heiligen Messe, wie dies nunmehr auch bei den Riten des Resurrexit am Ostersonntag, beim Konsistorium zur Kreierung neuer Kardinäle sowie bei der Übergabe der Pallien an die neuen Erzbischöfe der Fall ist. Mit dieser neuen Stellung soll nach den Worten des Päpstlichen Zeremonienmeisters, Prälat Guido Marini, erreicht werden, dass es innerhalb der Feier der Eucharistie keine Elemente gibt, die im eigentlichen Sinn nicht zu ihr gehören und die Einheit des Messritus stören würden. Zu den Neuheiten gehörte auch das „Te Deum“, das wieder bei der Prozession mit den Reliquien der neuen Heiligen neben den Altar sowie zu deren Verehrung angestimmt wurde, wie dies bis zum Jahr 1969 üblich war.

Eine für alle in dem Moment, da der Papst zu Beginn der Feier die Basilika St. Peter verließ und auf den Sagrato trat, sichtbare Neuheit war, dass Benedikt XVI. wieder ein ausschließlich dem Papst vorbehaltenes liturgisches Kleidungsstück trug: den „Fanon“. Sein Vorgänger Johannes Paul II. hatte sich dieses der Papstliturgie eigenen Elements zum letzten Mal am 22. November 1984 bei einem Pontifikalamt in der römischen Basilika Santa Cecilia in Trastevere bedient, was sehr große Überraschung provozierte. Angebliche Auseinandersetzungen zwischen den damaligen Zeremoniären sollen dann dazu geführt haben, dass dies auch die einzige Gelegenheit bleiben sollte, bei der man in den letzten dreißig Jahren einen Papst mit diesem besonderen liturgischen Kleidungsstück sehen konnte. Papst Paul VI. hatte bereits im ersten Jahr seines Pontifikats auf den Gebrauch des Fanon verzichtet.

Was ist der Fanon? Worin besteht seine Symbolik? Der Fanon symbolisiert den „Schild des Glaubens“ (vgl. Eph 6,16), der die Kirche schützt: den Papst.

Wie der Theologe und Vatikanexperte Ulrich Nersinger in seinem umfangreichen zweibändigen Werk „Liturgie und Zeremonien am Päpstlichen Hof“ erklärt (Band I., nova&vetera, Bonn 2010, S. 376 ff.), besteht der Fanon aus einem doppelten Humerale aus Seidenstoff, das Ähnlichkeit mit einem Schulterkragen aufweist: „Sein Durchmesser betrug ungefähr 92 cm, die Länge 50 cm. Die beiden Teile des Fanon waren mit weißen und goldenen, rot eingefassten Parallelstreifen versehen. Auf dem oberen Teil des Fanon war zumeist ein goldgesticktes Kreuz angebracht. Die zwei Teile des Gewandes lagen übereinander und waren in der Mitte, in der sich die Öffnung für den Kopf befand, aneinandergenäht; unter Papst Pius X. (Giuseppe Sarto, 1903-1914) kam der Brauch auf, die beiden Stücke mit einem Knopf zu verbinden“. Die vertikalen goldenen und silbernen Streifen symbolisieren einer liturgischen Interpretation nach auch die Einheit und Untrennbarkeit der lateinischen und orientalischen Kirche, was jedoch nicht durch die alte Tradition bezeugt ist.

Bereits im 8. Jahrhundert trug der Papst den Fanon, „ohne dass es aber damals schon ein päpstliches Sondergewand war“, so Nersinger. Aus jenem ursprünglichen Kleidungsstück habe sich dann im 11. oder 12. Jahrhundert der päpstliche Fanon entwickelt.

Seit dem Pontifikat Innozenz’ III. (1198-1216) erscheint der Fanon dem Papst vorbehalten zu sein: „Der Papst aus dem Grafengeschlecht der Segni gibt auch erstmals eine Deutung des nunmehrigen Pontifikalgewandes: 'Romanus Pontifex post albam, et cingulum assumit orale, quod circa caput involvit, et replicat super humeros legalis Pontificis ordinem sequens, qui post lineam strictam et zonam induebatur ephod – Der römische Bischof legt nach der Albe und dem Zingulum das Orale an, welches er um den Kopf wickelt und auf die Schultern zurückschlägt; er folgt hierbei der Gepflogenheit des alttestamentlichen Hohenpriesters, welcher über die Linnentunika und den Gürtel das Ephod anzog'“.

Spätere liturgische Kommentatoren „gehen nur selten auf diese Interpretation ein (vereinzelt werden die drei Farben des Fanon den drei Erscheinungsbildern der Kirche zugeordnet: die goldene Farbe der ‚ecclesia triumphans’, die weiße der ‚ecclesia militans’ und die rote der ‚ecclesia patiens’)“.

Gerade im Moment einer Heiligsprechung – hoher Akt des päpstlichen Lehramtes und Geschenk an die universale Kirche – wurde am gestrigen Sonntag so die besondere Aufgabe des Papstes betont, der der Beschützer der Kirche und der Fels ist, auf dessen Boden die Gläubigen bei allen Stürmen ihren festen Grund finden können. Die von ihm in das Verzeichnis der Heiligen eingeschriebenen Glaubenszeugen werden durch diese Symbolik noch deutlicher als Beispiele für die ganze Kirche erkennbar, auf die der Papst verweist.


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