Abt Martin Werlen, (k)ein Dialog und 1. Petrus, Kapitel 3

29. November 2012 in Schweiz


KATH.NET bat Abt Martin Werlen um ein Interview über seine umstrittene Schrift. Nach seiner schriftlichen Zu- und späteren Absage macht die kath.net-Redaktion jetzt den Vorgang transparent.


Einsiedeln (kath.net/rn/pl/as)
Die vergangenen Tage hatte sich kath.net stark darum bemüht, mit dem Einsiedler Abt Martin Werlen OSB ein Interview zu machen. Anlass war dessen umstrittene Schrift „Miteinander die Glut unter der Asche entdecken“. Abt Werlen, der Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz und dort der „Medienbischof“ ist sowie an der klostereigenen Hochschule Entwicklungspsychologie und Religionspsychologie lehrt, teilte einem kath.net-Redakteur am 24. November per Email mit: „Selbstverständlich bin ich bereit, auch mit kath.net ein Interview zu machen.“ Der Abt schrieb weiter: „Ich gebe auch nicht vor, welche Fragen man mir stellen darf und welche nicht.“ In dieser Mail hatte Abt Werlen zudem geäußert: „Soweit ich mich erinnere, habe ich noch nie den Dialog verweigert mit Menschen, die meine Gedanken kritisch sehen.“

Auch in einem weiteren Email vom 26. November zeigte sich der Abt einverstanden, dass kath.net schriftlich Interviewfragen schicken werde. Daraufhin haben sich im Laufe des Montags kath.net-Mitarbeiter (darunter ausgewiesene Fachtheologen) noch einmal zeitintensiv mit dem Schreiben des Abtes auseinandergesetzt und dazu ihre Fragen erarbeitet, die dem Abt dann im Laufe des Montags übermittelt wurden.

Doch dann kam am Dienstag eine überraschende Antwort des Abtes. Auf die Interviewfragen ging er nicht im Einzelnen ein. Vielmehr schrieb er: „Ist unser Glaube nicht weit grösser und faszinierender, als Ihre Fragen verraten? Ihre Fragen sind eher Behauptungen, als dass sie auf den von mir verfassten Text eingehen würden.“

Weiter empfahl Abt Werlen kath.net in seiner Email die „aufmerksame Lektüre“ seiner Publikation und meinte: „Würde ich auf Ihre Fragen antworten, würde ich dazu beitragen, dass wir den bisherigen Weg einfach weitergehen und klagen. Das aber heisst: die Wahrheit besitzen; von oben herab die andern verurteilen; die reiche Tradition der Kirche nicht kennen; die Heiligen mit einer Brille wahrnehmen, die mir die Sicht auf Wesentliches verdeckt; dem Jesus nicht begegnen, der uns aufrichtet und uns die Augen des Glaubens öffnet. Ich müsste die Kirche verraten, die ich in der Feier der Sakramente, in der Geistlichen Lesung, in der Benediktsregel, in der reichen Tradition Tag für Tag erfahren darf.“

Nach dieser Kritik an den kath.net-Fragen betonte Abt Werlen noch einmal den Wert seiner Publikation: „Ganz offensichtlich bewirkt diese Schrift bei viel mehr Menschen als je erwartet, was Papst Benedikt XVI. ‚dem Jahr des Glaubens‘ mit auf den Weg gegeben hat.“

“Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt”: so heißt es in der Heiligen Schrift im 1. Petrus-Brief, Kapitel 3, Vers 15. Noch Fragen? Ja, hier sind die Fragen, die kath.net Abt Werlen gestellt hatte. Die Antworten kennen nur der Abt und der liebe Gott.

Die kath.net-Interviewfragen, deren Beantwortung Abt Martin Werlen mit seiner Mail vom 27.11.2012 abgelehnt hat:

1. „Selbstverständlich können wir nicht alle Fragen angehen. Vielleicht nicht einmal die Wichtigsten“, erklären Sie in Ihrer Schrift. Was sind für Sie wirklich die wichtigsten Fragen und warum wurden sie in Ihrer Veröffentlichung nicht thematisiert?

2. Sie schreiben: „Wer systematisch dafür sorgt, dass Kritiker verstummen…“ Die Realität scheint jedoch heute eine andere zu sein: jeder, der auf die Kirche verbal einschlägt, hat mit fast keinen Konsequenzen zu rechnen, ganz im Gegenteil, der mediale Applaus ist garantiert.
Daher unsere Frage: Wen meinen Sie hier genau? Und gibt es solche Bestrebungen nicht gerade in den Kreisen, die Sie „ernst zu nehmende Christen“ nennen, innerhalb derer Stimmen, die explizit römisch-katholisch auftreten, gar kein Gehör bekommen oder sogar lächerlich gemacht werden?

3. Sie beklagen die Polarisierung von „konservativ“ und „progressiv“. Doch nach dem medialen Beifall und Lob u.a. von Hans Küng und anderen „Kirchenkritikern“ bleibt die Frage, ob Sie mit Ihrem Text nicht gerade einen tatkräftigen Beitrag zur Polarisierung leisten, indem Sie diese von Ihnen so wahrgenommenen Strömungen recht horizontal und schwarzweiß malen, wenn Sie davon sprechen, dass „Konservative“ „krampfhaft“, mit „Angst“, ohne „Visionen“ und ohne „Kreativität“ handeln.
„Progressive“ Menschen dagegen versuchen einfach, „Menschen zu erreichen“?

4. Sie fordern in Ihrem Schreiben mehr Demokratie und weniger Hierarchie in der Kirche, Öffnung des Amtes auch für Verheiratete und für Frauen, flexiblere Antworten auf Zeit- und Mainstreamfragen. Die evangelischen Christen haben vieles davon, dass es dort besser läuft, lässt sich jedoch kaum behaupten. In der letzten EKD-Synode beklagten sich mehrere Delegierte über eine zunehmende Aggression allen christlichen Inhalten gegenüber. Zudem kämpfen gerade auch die evangelischen Christen mit hohem Mitgliederschwund und einer stark rückgehenden Zahl von Theologiestudentinnen und –studenten.
Ist hier bei unseren Geschwistern ebenfalls alles „Asche“?

5. Sie kritisieren Papst Benedikt XVI., weil er den von den deutschen Bischöfen initiierten Dialogprozess bei seinem Deutschlandbesuch im September 2011 „weder angesprochen noch dazu ermutigt hat“. Es gehe aber darum, so formulieren Sie, dass man „miteinander – alle Getauften – um den richtigen Weg“ ringe. Während aber der Dialog mit progressiven Bereichen und Randbereichen gesucht wird, äußern jene Katholiken des gesamten deutschen Sprachraums, die Sie mit dem Begriff „konservativ“ zusammenfassen, eine wachsende Frustration darüber, dass sie in diesen Dialog nicht mit eingebunden werden und ihr Recht auf Meinungsäußerung mühsam erkämpfen müssen. Was sagen Sie dazu?

6. Nochmals zum Papst. Sie schreiben: „Es gibt kirchliche Kreise, in denen alles, was der Papst sagt oder tut, nur gelobt werden darf. Sie sind darin päpstlicher als der Papst“. Mal ehrlich: Glauben Sie wirklich, dass dies wirklich ein ernsthaftes Problem jener Kirche ist, in der sich seit Jahren bekannte „Traditionalisten“ und „Progressive“ wie „Wir sind Kirche“ gerne durch ihre Anti-Rom- und Anti-Papst-Haltung profilieren? Sind Menschen, die treu und vernünftig zu Papst und Kirche stehen, nicht eher Mangelware?

7. Sie möchten die Mitbestimmung der Diözese bei der Wahl eines Bischofs? Meinen Sie ernsthaft, dass dies zum Wohle der Kirche ist, wenn dann – von Medien angefeuert – jener Kandidat Bischof wird, der möglichst am beliebtesten ist? Ist so eine Forderung nicht unrealistischer Populismus?

8. Sie sprechen von einem dramatischen Rückgang der Priesterberufe. Fakt ist aber, dass die römisch-katholische Kirche eine Weltkirche ist und es weltweit mehr als 410.000 katholische Priester gibt, deren Zahl jedes Jahr global ansteigt. Auch bei uns gibt es – insbesondere bei Klöstern und Orden, die treu zur römisch-katholischen Kirche stehen – genügend Seminaristen. Warum wollen Sie hier nicht etwas über den Tellerrand der Schweiz hinaussehen?

9. Sie behaupten, dass sich die Kirche mit dem „Ja zur Frau“ immer noch schwer tue und sich in der Geschlechterfrage unbeholfen und ratlos zeige. Doch wird beispielsweise die Ausbildung für die Berufe Pastoralreferentin und Gemeindereferentin kirchlicherseits intensiv gefördert und beworben. Warum zählt bei Ihnen dieses hauptamtliche, gut qualifizierte und deshalb auch gut entlohnte Engagement von vielen Frauen so wenig?

10. Spätestens mit dem Erscheinen des Apostolischen Schreibens „Ordinatio sacerdotalis“ (1994) über die „nur Männern vorbehaltene Priesterweihe“ ist das Thema der Frauenpriesterweihe eindeutig geklärt. Der Papst hatte erläutert, dies sei keine rein disziplinäre Frage: „Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“.
Frage: Warum relativieren Sie diese höchste Ausübung des päpstlichen Lehramts mit der Frage: „Ist das Geschlecht der Person je eine Glaubensfrage? Gehört das zum unveränderbaren Glaubensgut?“ und warum wollen Sie hier nicht die klare Lehre der Kirche zur Kenntnis nehmen?

11. Abschließende Frage: Sie haben sehr viele Fähigkeiten, die Sie ja auch medial einsetzen. Doch hat man das Gefühl, dass Sie Ihre Fähigkeiten in den letzten Jahren vor allem dann verwenden, wenn es darum geht, der Kirche etwas auszurichten oder auch die Lehre der Kirche in Frage zu stellen und zu relativieren. Aber warum erklären Sie den Menschen nicht die wunderbare Frohbotschaft der Kirche, aber ohne Wenn und Aber?

Kontakt-E-mail Kloster Einsiedeln: [email protected]

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Foto Abt Martin Werlen: © www.kloster-einsiedeln.ch


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