Als ein Papst 'den Weltuntergang verkündete'

15. Dezember 2012 in Chronik


Wiener Kirchenhistoriker Prügl entzaubert oft beschworene Massenhysterie am 31. Dezember 999 und Rolle von Papst Silvester II. dabei


Wien (kath.net/KAP) Eine im Internet kursierende Weltuntergangsprophezeiung mit einem Papst als unrühmlichem Hauptdarsteller hat der Wiener Kirchenhistoriker Prof. Thomas Prügl als schlichtweg falsch bezeichnet. Es geht um die Wende vom ersten zum zweiten Jahrtausend, die gerade jetzt im Vorfeld des "Maya-Termins" am 21. Dezember 2012 wieder gerne bemüht wird.

"Der damalige Papst Silvester II. verkündete, dass um Mitternacht des 31. Dezember 999 die Welt untergehen würde. In der christlichen Welt brach eine Massenhysterie aus. Als sich die Erde am nächsten Tag noch immer drehte, behauptete der Papst, nur seine Gebete hätten dendrohenden Weltuntergang verhindert" - so oder ähnlich lautet die auch bei sonst seriösen Medien beliebte Darstellung.

Prügl "entzaubert" dies im Gespräch mit "Kathpress" als eine jener "legendenhaften Ausschmückungen", die Unwissenden "spannender als die dürre Historie" vorkämen. Wahr sei vielmehr, dass die Jahrtausendwende im Mittelalter keine Rolle spielte und an einer "Massenhysterie" über das nahende Weltenende "historisch nichts dran" sei. Heute habe jeder einen Kalender, im Unterschied zu damals, als sich nur eine kleine Elite mit Chronologie befasste.

Auch auf eine bald nach seinem Tod einsetzende "Diabolisierung" Papst Silvesters wies Prügl hin. Dieser sei vom deutschen Kaiser Otto III. als Mann seines Vertrauens nach Rom "mitgebracht" worden, Silvester - geboren als Gerbert von Aurillac in Aquitanien - sei als erster Franzose auf dem Stuhl Petri selbst "Ausländer" gewesen, der damit den sonst zum Zug kommenden römischen Stadtadel ausstach. Zudem habe er sich als Gelehrter mit herausragenden Kenntnissen in Mathematik und Astronomie "verdächtig" gemacht und sei bald als mit dunklen Mächten im Bunde diffamiert worden, wie der Kirchenhistoriker ausführte.

Der Kirchenvater Augustinus vertrat die Auffassung, mit dem ersten Erscheinen Jesu Christi sei ein dem Weltende vorausgehendes Millennium angebrochen. Die mit dem Weltenende verbundene Wiederkunft des Jesu Christi ist nach den Worten Prügls im Mittelalter zwar erwartet worden, aber eher im Sinn eines Achtens auf Zeichen gemäß den Schilderungen der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament - und im Sinn der Endzeitrede Jesu mit einer biblischen Mahnung, die durchaus auch heute noch aktuell ist: "Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde." (Mt 25,13)

"Keine Angst vorm Weltuntergang"

Auch der Berliner Historiker und Journalist Jan von Flocken befasste sich in seinem Sammelband "111 Geschichten zur Geschichte" (Kai Homilius Verlag, Berlin 2009) mit dem Thema - und kommt zum selben Ergebnis wie Thomas Prügl. Im Kapitel "Keine Angst vorm Weltuntergang" lautet die Antwort auf seine Frage, wie wahrscheinlich es sei, "dass die Christenheit 999/1000 vor dem Weltuntergang zitterte": "Alle Fakten sprechen dagegen."

Von Flocken ortet nach genauem Quellenstudium keinerlei Anzeichen, dass Otto III. und der Papst mit Besorgnis oder gar Angst auf das Jahr 1000 geblickt hätten. Dasselbe gelte für das einfache Volk: "Der mittelalterliche Mensch lebte in dem Glauben, Weltuntergang, Jüngstes Gericht oder Apokalypse könnten jeden Tag hereinbrechen, nicht an einem ganz bestimmten Datum." Die fast ausschließlich auf dem Lande lebende, meist analphabetische Bevölkerung rechnete laut dem Historiker weniger in Kalenderjahren als in Jahreszeiten. Eine Zählung nach Christi Geburt hatte sich überdies in weiten Teilen Europas - so in Spanien und im orthodoxen Osten - noch nicht durchgesetzt.

Was die Sache laut dem mehrfachen Buchautor weiter kompliziert: Wann genau fing das Jahr 1000 an? "Heute ist es selbstverständlich der 1. Januar", so von Flocken. "Aber dieses Datum wurde allgemein verbindlich erst 1691 durch Papst Innozenz XII. festgelegt. Zuvor begann das Kirchenjahr in der Adventszeit Ende November/Anfang Dezember. Im Bereich der Ostkirche war es der 1. September, nach römischem Kalender der März." All dies weist für von Flocken darauf hin, "dass es eine allgemeine Furcht vor dem Weltuntergang 999/1000 nicht gegeben hat".

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