Ecce sacerdos magnus

8. Jänner 2013 in Aktuelles


Erzbischof Georg Gänswein – eine Nachlese im Licht der Wahrheit. Die Lehre des Papstes und das Fundament des treuen Dieners. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Ecce sacerdos magnus, qui in diébus suis plácuit Deo et invéntus est iustus: et in témpore iracúndiae factus est reconciliátio“ – „Seht den hohen Priester, der in seinen Tagen Gott gefallen hat und gerecht gefunden war: zur Zeit des Zornes trat er als Mittler der Versöhnung auf“.

„Ecce sacerdos magnus, qui in diébus suis plácuit Deo: Ideo iure iurando fecit illum Dóminus crescere in plebem suam. Benedictiónem ómnium géntium dedit illi, et testaméntum suum confirmávit super caput eius“ – „Seht den hohen Priester, der in seinen Tagen Gott gefallen hat: deshalb erhöhte ihn der Herr durch einen Eid unter seinem Volk. Den Segen aller Völker hat er ihm gegeben und über seinem Haupt seinen Bund bestätigt.

„Ecce sacerdos magnus“ – so erklingt es in der Antiphon und im Antwortgesang des Stundengebets sowie im Graduale Romanum für einen Bekennerbischof, ein hymnischer Gesang, der in der Geschichte oft vertont wurde. Der „hohe Priester“ ist Jesus Christus, er, der den Menschen mit all seinen Leiden und Problemen auf die Ebene Gottes hinaufziehen soll und an dessen Stelle der Bischof als Nachfolger der Apostel steht.

Viel wurde über die Bischofsweihe Georg Gänsweins – Sekretär Benedikts XVI. und Präfekt des Päpstlichen Hauses – geschrieben, interpretiert, spekuliert und in verschiedenster Weise kommentiert. Der „mächtigste Diener des Papstes“ wurde er genannt, die „Machtfülle“ hervorgehoben, die mit der Doppelaufgabe des Präfekten und persönlichen Sekretärs verbunden ist: keiner, sei es ein Kardinal, ein Bischof, ein Staatsmann oder ein Staatsoberhaupt, kommt an Gänswein vorbei, wird betont, wenn es um den Zugang zum Heiligen Vater geht. Zurecht wurde herausgestellt: war Georg Gänswein bisher eine Schlüsselfigur für alles, was den Papst betrifft, der Mann, der der Person, dem Willen und dem Denken des Papstes am nächsten stand, so gab Benedikt XVI. nun dem Erzbischof Gänswein darüber hinaus auch eine Schlüsselgewalt, die bisher einzigartig in der Kirchengeschichte ist. So kam jemand nicht umhin, vom „Erzbischof-Präfekten-Sekretär“ zu sprechen und sich zu fragen, was wohl der nächste Schritt sein werde: „Kardinal-Sekretär“? Unterwegs zum Vize-Papst?

Wer Georg Gänswein kennt, weiß, dass kein Wort seinem Denken und Handeln ferner steht als das der „Macht“, auch wenn seine Position unweigerlich im irdischen Sinne mit diesem so merkwürdigen und besonders in Italien so beliebten Begriff verbunden ist – ist er es doch, der de facto dem Heiligen Vater am nächsten steht. Der Erzbischof selbst jedoch sieht sich gegenüber Benedikt XVI. als das reine Glas eines Fensters, das die Sonne durchscheinen lassen muss, was für ihn bedeutet: je weniger das Glas bemerkbar ist, desto besser ist es, bis hin zur Unsichtbarkeit.

Unruhigen Herzens ist Georg Gänswein, der seinen Dienst für den Papst mit Verstand, Herz und voller Hingabe leistet. Dabei handelt es sich um jene Unruhe des Herzens, die besonders den Bischof auszeichnen muss, wie Benedikt XVI. in seiner Predigt zur Bischofsweihe am 6. Januar 2012 erklärte. Worte, die die Substanz eines jeden Bischofs heraufordern sollten, Worte, die in Erzbischof Gänswein und seiner Geschichte einen besonderen Resonanzboden finden.

Denn der Bischof muss für den Papst einer sein, der „sich nicht mit den gewohnten Dingen dieser Welt begnügt, sondern der Unruhe des Herzens nachgeht, die ihn treibt, inwendig immer näher auf Gott zuzugehen, sein Angesicht zu suchen, ihn mehr und mehr zu erkennen, um ihn mehr und mehr lieben zu können“. Wach muss der Bischof sein, um die leise Sprache Gottes wahrnehmen zu können, um das Wahre vom Schein unterscheiden zu können. Der Bischof „muss vorangehen und den Weg zeigen können. Er muss vorangehen und dabei dem folgen, der uns allen vorausging, weil er der wahre Hirte ist, der wahre Stern der Verheißung: Jesus Christus. Und er muss die Demut haben, sich vor dem Gott zu beugen, der so konkret und so einfach geworden ist, dass er unserem törichten Stolz widerspricht, der Gott nicht so nah und so klein sehen will“: anspruchsvolle, ja harte Worte.

Der Bischof „muss vor allem ein Mensch sein, dem es um Gott geht“, „dem die Menschen am Herzen liegen, den das Geschick der Menschen bewegt“, so der Papst ein Jahr später am 6. Januar 2013. Keinen „Job“ übt er aus, er muss vielmehr „mit Gott mitdenken und mitfühlen“, an der Unruhe Gottes für den Menschen beteiligt sein: „Die Unruhe des Menschen nach Gott und von ihr her die Unruhe Gottes nach dem Menschen muss den Bischof umtreiben“. Dabei muss er „vor allem ein betender Mensch sein“.

All dies bedeutet: die Wahrheit und die Suche nach ihr muss jenseits des Spottes „der scheinbar gescheiten Welt“ den Mittelpunkt des Seins des Bischofs ausmachen. Der Bischof ist ein Kämpfer für die Wahrheit, der „steht in vielen Punkten quer zu den herrschenden Meinungen gerade auch in unserer Zeit“. Tapfer muss der Bischof sein, aber: „Tapferkeit besteht nicht im Dreinschlagen, in der Aggressivität, sondern im Sich-schlagen-Lassen und im Standhalten gegenüber den Maßstäben der herrschenden Meinungen. Der Mut des Stehenbleibens bei der Wahrheit ist unausweichlich von denen gefordert, die der Herr wie Schafe unter die Wölfe schickt“.

Bei diesen eindringlichen Worten des Papstes kommen unweigerlich drei Elemente in den Sinn, die mit der Weihe des Bischofs und im besonderen mit der Weihe von Georg Gänswein zu tun haben: der beim Weiheritus auf dem Boden liegende Bischof beim Gesang der Allerheiligenlitanei, der dann vom Evangelium überdachte Bischof und das Wappen des neuen Erzbischofs.

Der Gesang der Litanei begleitet den in Demut vor Gott liegenden neuen Bischof in seinem „Dialog“ mit Gott. So wird das Bild des einsam auf dem Boden liegenden Bischofs zum vorzüglichen Symbol des Katholischseins: ein Bild der nie endenden Betrachtung des Geheimnisses des Gottes, der in die Welt gekommen ist, der Geschichte Gottes mit dem Menschen.

Das Evangelium ist über dem Kopf des zu weihenden Bischofs wie ein Dach ausgebreitet. Der Bischof steht unter, nie über dem Evangelium, das ihn schützt, in dessen Dienst er steht. Und gleichzeitig ist dies Symbol der Last des Auftrages. Zusammen wird deutlich, dass es das schützende Dach erlaubt, seine Last zu tragen.

Und dann das Wappen Georg Gänsweins, Symbol eines Programms und eines Istzustands, in dessen Mittelpunkt die Wahrheit steht. „Für die Wahrheit Zeugnis ablegen“: dieses Wort eint die beiden Hälften des Wappens, das sich aus dem Wappen Papst Benedikts XVI., des „cooperator veritatis“, auf der linken Seite und einem feuerspeienden, von einer Lanze durchbohrten Drachen unter einem Stern vor blauem Hintergrund auf der rechten Seite zusammensetzt. Der neue Erzbischof macht deutlich: Benedikt XVI. – der Papst, der „dolce Cristo in terra“, wie ihn die heilige Caterina von Siena nannte – ist sein Bezugspunkt, was bis dahin geht, dass er dessen Wappen ganz in das seine aufnimmt.

Der Drachentöter Georg steht unter dem Schutzmantel der Gottesmutter hinter dem Papst und wehrt so die Feuersglut aus dem Rachen des Ungeheuers ab, das sich gegen den Papst wenden will. Aber noch mehr will ausgesagt sein: der neue Erzbischof steht fest auf dem Boden der Lehre jenes Papstes, der wie Gregor der Große und Leo der Große das Schiff der Kirche durch das schwere Meer der Zeit lenkt. Die Lehre des Papstes ist das Fundament, das Fundament des treuen Dieners, der zur Zeit des Zornes als Mittler der Versöhnung auftritt, jenseits aller weltlich geprägten Klischees: „Testimonium perhibere veritati“.


Dem Autor auf Twitter folgen!

Anton Bruckner - Ecce sacerdos magnus


Foto: © Paul Badde


© 2013 www.kath.net