Pakistan: Erneut Gewalt gegen Christen wegen 'Blasphemie'

10. März 2013 in Chronik


In Lahore sind am Samstag rund 180 christliche Gebäude in Brand gesetzt worden - Seit Januar über 220 Schiiten von Sunniten ermordet - Gesellschaft für bedrohte Völker: Religiöse Minderheiten besser schützen, Blasphemie-Paragraphen abschaffen


Lahore (kath.net/GfbV) Am gestrigen Samstag sind in der pakistanischen Stadt Lahore 160 zumeist von Christen bewohnte Häuser, 18 Geschäfte und zwei Kirchen von einem verärgerten Mob in Brand gesetzt worden. Mit dem Überfall sollte eine vermeintliche Beleidigung des Propheten Mohamed durch einen Christen gerächt werden. Inzwischen gehen die Behörden davon aus, dass der 28 Jahre alte Sawan Masih fälschlicherweise der Beleidigung beschuldigt wurde. Um ihn vor der aufgebrachten Menge zu schützen, wurde der Christ von der Polizei verhaftet.

300 Familien wurden ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Darum demonstrieren heute Sonntag in zahlreichen Städten Pakistans Christen für ihre Rechte, wie Radio Vatikan meldet.

Nach diesen Übergriffen hat auch die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) erneut einen besseren Schutz religiöser Minderheiten und eine Abschaffung der Blasphemie-Paragraphen gefordert. "Christen, Schiiten und Ahmadiyyah dürfen in Pakistan nicht länger wie Freiwild behandelt werden", forderte der Asienreferent Ulrich Delius am Sonntag in Göttingen. "Eine wirksame Schutzmaßnahme wäre die sofortige Abschaffung der umstrittenen Blasphemie-Paragraphen im pakistanischen Strafrecht. Denn diese Bestimmungen öffnen Willkür und Lynchjustiz Tür und Tor." Auch schüren sie die Spannungen zwischen den Religionsgemeinschaften.

"Wenn Pakistan glaubwürdig im UN-Menschenrechtsrat auftreten will, dann darf das Land Gewalt gegen religiöse Minderheiten nicht schüren", erklärte Delius. Pakistan gehört seit dem 1. Januar 2013 dem UN-Menschenrechtsrat an. "Es ist ein Armutszeugnis für Pakistans Sicherheitsbehörden, dass sie unfähig oder nicht willens sind, religiöse Minderheiten wirksam vor Übergriffen der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung zu schützen", erklärte Delius.

Nach dem gewaltsamen Tod von mehr als 220 Schiiten, die seit Jahresbeginn von radikalen Sunniten bei Terroranschlägen getötet wurden, sind die brennenden Häuser von Christen ein weiteres Zeichen dafür, wie dramatisch die Lage religiöser Minderheiten in Pakistan ist.

Nicht zum ersten Mal wurde ein Christ von der Polizei in Schutzhaft genommen, weil sein Leben aufgrund von Blasphemie-Vorwürfen akut bedroht war. Trotz eines Freispruchs vor Gericht müssen Blasphemie -Verdächtige um ihr Leben bangen. Auch Richter, die Beschuldigte freisprachen, wurden bereits von islamischen Fanatikern ermordet.

Dabei sind die Vorwürfe meist unbegründet und beruhen auf Nachbarschaftsstreitigkeiten, Neid oder Missgunst. Trotzdem schrecken pakistanische Politiker vor einer Streichung der umstrittenen Paragraphen 295 und 298 des Pakistanischen Strafgesetzbuches zurück, da sie Proteste radikaler Sunniten fürchten.

Seit mehr als einem Jahrzehnt versprechen Pakistans Regierungen schon die Überarbeitung der kritisierten Paragraphen. "Doch außer vollmundigen Worten zur Beruhigung des Auslands ist nichts geschehen", erklärte Delius. "Mit ihrer Untätigkeit verletzt Pakistans Regierung nicht nur das Recht des eigenen Landes, sondern verstößt auch gegen die Allgemeine Charta der Menschenrechte und internationale Menschenrechtskonventionen."

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