'Wir haben auch bei uns Reformbedarf ...'

18. Juni 2013 in Österreich


"...und der beginnt erst einmal beim Bischof selbst". - Interview mit dem Wiener Kardinal Schönborn


Mariazell (kath.net/KAP) Die positiven Impulse, die Papst Franziskus der ganzen Kirche gibt, hat Kardinal Christoph Schönborn am Rande der Bischofskonferenz in Mariazell hervorgehoben. "Ich denke, dieser erfrischende Geist, das Humorvolle und zugleich Herausfordernde von Papst Franziskus tut uns allen gut. Er versteht es in unglaublicher Weise, die Radikalität des Christlichen mit der Fröhlichkeit des Christlichen zu verbinden", sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz im Gespräch mit "Kathpress". Denn: "Manchmal habe ich den Eindruck, wir sind so griesgrämig, so grimmig und so freudlos." Nachsatz: "Wir sollten alle erlöster aussehen."

Schönborn ortete ganz grundsätzlich eine neue positive Stimmung in der katholischen Kirche und in Österreich generell: "Wenn die Fiakerfahrer am Stephansplatz ein Indikator für die Meinung der Menschen in unserem Land sind, dann ist dieser Papst sehr beliebt", sieht Schönborn die römisch-katholische Kirche auf einem guten Weg.

Eine Kirche, die nur auf sich selbst bezogen bleibt und die Arbeit in den eigenen Pfarren verwaltet, "wird psychotisch und autistisch". Es gehe in der Kirche aber darum, Neues zu wagen, weiß sich der Kardinal eines Sinns mit dem Papst: "Und ich ziehe eine Kirche mit Unfallrisiko einer kranken Kirche vor." Dass mit Franziskus die Erfahrungen der Kirche in Lateinamerika nun mehr Bedeutung erhalten, sei auch für die Kirche in Österreich eine Bereicherung; vor allem die besondere Hinwendung zur Armut. Dass dieses Thema auch in Österreich sehr präsent sei, zeige die Caritas, die "zu den stärksten Wachstumsbereichen in der katholischen Kirche gehört", sagte Schönborn.

Mit kirchlichen kritischen Organisationen wie der Laieninitiative oder der Pfarrerinitiative werden die österreichischen Bischöfe auch künftig das Gespräch suchen, versicherte Kardinal Schönborn. Das Verhältnis zu diesen und anderen Organisationen habe sich etwas entspannt. Es gebe "immer wieder Gespräche", erst vor kurzem habe in Mariazell die Pastoralkommission getagt, "und das Gespräch soll sehr gut gewesen sein, höre ich". Schönborn wörtlich: "Wir gehen in Österreich sicher den Weg des Gesprächs weiter."

Zum gescheiterten Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien meinte der Kardinal, dass er damit weder Schadenfreude noch Triumphgefühle verbinde. Er sehe darin vielmehr den Auftrag der Österreicher, "dass dieses Land auch weiterhin christlich bleibt". Viele Menschen würden sich Heimat im Christentum wünschen, auch wenn sie ihren Glauben nicht besonders intensiv praktizieren.

Regierung wollte keine Missbrauchskommission

Auf das Thema Missbrauch angesprochen würdigte Schönborn das Wirken der unabhängigen Klasnic-Kommission. Der Forderung von Waltraud Klasnic an die Regierung, doch endlich selbst auch tätig zu werden, etwa in Form eines Präventiv-Beirats, könne er sich nur vollinhaltlich anschließen. Im Übrigen habe er noch vor der Etablierung der Klasnic-Opferschutzanwaltschaft die Regierung gedrängt, eine Kommission zu bilden, so der Kardinal. Dieser hätte sich dann auch die katholische Kirche unterstellt. Schönborn: "Dieses Thema gehört breit aufgegriffen und behandelt. Die Regierung hat damals aber dankend abgelehnt."

Politischen Handlungsbedarf ortete Schönborn im Asylbereich: "Es geht darum hinzuschauen, wie es Menschen geht, die ihre Heimat ja nicht aus Jux und Tollerei verlassen haben, sondern weil sie um Leib und Leben Angst haben mussten", gab Schönborn zu bedenken. "Oder - was ja auch keine Schande ist - weil sie halbwegs anständige Lebensbedingungen suchen." Man rede dann leicht von Wirtschaftsflüchtlingen, so der Kardinal - "aber das ist das, was unsere Vorfahren gemacht haben, wenn sie nach Amerika ausgewandert sind. Weil sie bessere Lebensbedingungen gesucht haben in Zeiten, in denen es in unserem Land vielen Menschen sehr, sehr schlecht gegangen ist."

Dass es natürlich Regeln für die Immigration geben muss, sei allen klar, sagte der Wiener Erzbischof. Dennoch werde man aber immer betonen, "dass es hier Verbesserungspotenzial gibt". Das habe beispielsweise das Schicksal einiger Flüchtlinge in der Votivkirche gezeigt, die aus Pakistan stammen. Dieses Land würden die österreichischen Behörden als sicher einstufen und dorthin auch abschieben. Es gebe aber mit Sicherheit Landesteile, wo diese Sicherheit nicht gegeben ist und das Leben der Flüchtlinge in Gefahr sei. Schönborn: "Wir bitten einfach darum, dass hier genauer hingeschaut wird."

Grundsätzlich sprach Schönborn aber von einem "ausgezeichneten Kontakt" zu den politischen Verantwortungsträgern, was das Asylwesen betrifft. Und auch gegenüber den Flüchtlingen habe man immer wieder betont, "dass wir an die österreichischen Gesetze gebunden sind und uns auch an die halten". Dies habe auch Bundespräsident Heinz Fischer in seinem "beachtlichen Brief" an die Flüchtlinge in Erinnerung gerufen.

Kurie braucht nach 40 Jahren wieder Reform

Zu den kolportierten Aussagen von Papst Franziskus über eine angebliche "Schwulen-Lobby" im Vatikan wollte Schönborn nicht direkt Stellung nehmen: "Es ist nicht sehr korrekt, dass aus einem persönlichen und offensichtlich vertraulich gedachten Gespräch Dinge an die Öffentlichkeit gebracht werden." Dass es aber Bedarf nach einer strukturellen Kurienreform gibt, sei bereits in den Vorbereitungsbegegnungen vor dem Konklave von vielen Seiten angesprochen worden. Die letzten diesbezüglichen Änderungen gingen auf Papst Paul VI. zurück - "inzwischen sind über 40 Jahre vergangen".

Reformbedarf sah Schönborn allerdings nicht nur in der vatikanischen Kurie: "Als Verantwortlicher einer nicht ganz kleinen Diözesankurie bin ich sehr vorsichtig mit Kritik an der römischen Kurie. Wir haben auch bei uns Reformbedarf, und der beginnt erst einmal beim Bischof selbst."

Grundsätzlich gelte: "In der römischen Kurie sind genauso Menschen, wie in jeder menschlichen Institution. Dass sie natürlich ein hohes christliches Lebensideal haben, macht die Kontraste, wenn dieses Ideal nicht eingehalten wird, besonders schmerzlich." Allerdings sei dies nicht schmerzlicher, als etwa Korruptionsfälle "in unserem Land, in unseren Institutionen".

Mit Papst Benedikt XVI. habe er seit dessen Emeritierung keinen direkten Kontakt mehr gehabt, berichtete der Kardinal weiter. Der Schülerkreis des emeritierten Papstes werde sich im Herbst wieder in Castel Gandolfo treffen, ob Benedikt XVI. daran aber teilnehmen wird, sei derzeit fraglich. "Wir hoffen aber natürlich auf eine Möglichkeit zur persönlichen Begegnung."

Zu den noch ausstehenden Bischofsernennungen in den Diözesen Salzburg und Graz warnte der Kardinal vor Erwartungen auf rasche Erledigung. Die entsprechenden Unterlagen seien seit langem in Rom, er wisse aber nichts zum derzeitigen Stand des Bestellungsverfahrens. Die Bestellung für die Erzdiözese Salzburg sei sicher etwas schwieriger, weil hier dem Domkapitel drei Kandidaten zur Wahl vorgelegt werden müssen, während im Fall der Diözese Graz der Papst allein frei entscheiden könne.

Mit Erzbischof Alois Kothgasser und Bischof Egon Kapellari würden aber ohnehin zwei außerordentlich gute Bischöfe ihren Dienst ausüben, die durchaus noch amtsfähig seien. Er sehe deshalb auch keine allzu große Dringlichkeit, so Schönborn. "Vielleicht wünschen sie sich schon einen Nachfolger, aber sie sind gut im Amt, weswegen es eine nicht so große Dringlichkeit der Nachbesetzung gibt, wie es in Feldkirch der Fall war."

Erfreut zeigte sich der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz über die breite Akzeptanz, die dem neuen Bischof von Feldkirch, Benno Elbs, entgegengebracht wird. "Es ist etwas Schönes, wenn ein Bischof unter diesen Vorzeichen seinen Dienst beginnen kann." Das sei nicht zuletzt auch "ein Glücksfall für das Bischofsamt".

Angesprochen auf die jüngsten Diskussionen rund um Kirchenschenkungen in der Erzdiözese Wien an andere Konfessionen, wies Schönborn darauf hin, dass dies keine neue Praxis sei. Schon unter Kardinal Franz König habe man etwa eine römisch-katholische Kirche an die syrisch-orthodoxe Kirche verschenkt. Ebenso erhielt die koptische Kirche zwei Gotteshäuser. Und auch die zuletzt in die Schlagzeilen geratene Kirche von Neulerchenfeld im 16. Bezirk werde an die serbisch-orthodoxe Kirche verschenkt, bekräftigte der Wiener Erzbischof: "Wir haben eindeutig zu viele Kirchen in Wien und die vielen zugezogenen Christen anderer Konfessionen haben zu wenig." Es sei ihm allemal lieber, eine Kirche an eine andere Konfession zu übergeben, als sie zu verkaufen, unterstrich der Kardinal. So könne die Präsenz des Christentums in Wien noch gestärkt werden.

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