'Tosende Sprachlosigkeit – Thema verfehlt'

20. Juni 2013 in Kommentar


„Irgendwo zwischen dem Bischofspalast von Mainz und dem ZDF-Lerchenberg muss es ein spezielles Vorzimmer geben, von dem aus gestreut wird, wer medial zu loben ist und wer zu schmähen.“ Gastkommentar zu 100 Tage Franziskus von Franz Norbert Otterbeck


Vatikan (kath.net) Es ist soweit: der neue Papst erreicht 100 Tage im Amt. Das gibt manchen Anlass zu Kommentaren. Die kann sich jeder Journalist, wie jede Kindergärtnerin und jeder Kardinal erlauben.

Aber irgendwo zwischen dem Bischofspalast von Mainz und dem ZDF-Lerchenberg muss es ein spezielles Vorzimmer geben, von dem aus gestreut wird, wer medial zu loben ist und wer zu schmähen.

In einer im ZDF und auf Arte mehrfach ausgestrahlten Doku, für die ZDF-Mann Erbacher federführend zeichnet, kommt reichlich Joachim Frank zu Wort, irrtümlich noch mit "Frankfurter Rundschau" untertitelt. Das ist ein seichter Schreiberling, der bislang nicht durch Faktenkenntnis glänzte. Wozu brauche ich Fakten, wenn ich Stimmung machen kann? Beim Eucharistischen Kongress in Köln erhob er zum Beispiel den Kardinal Kasper zum Küng-Schüler, obwohl der - ganz im Gegenteil - Assistent von Leo Scheffczyk war, usw. Der notorische kath.net-Kritiker hat sehr diffuse Kirchenträume aufzubieten, ganz entlang Würzburg '75, der von Rom nie bestätigten BRD-Synode, wegen derer die Herzen von DBK und ZdK noch melancholischer ächzen als wegen des "Konzilsgeistes" von 1968. Das alles wird jetzt auf Papst Franziskus projiziert. Aber Joachim Frank warnt zurecht: Für eine Prognose ist es zu früh

Kardinal Marx kommt auch gefühlte 20 Sekunden zu Wort und behauptet, "man" könne sich kirchlich noch bessern. Zweifelsohne. Die Zitate sind aber nicht ausführlich genug, um zu klären, ob der Wahlmünchner an die Idee vom "Bischofsrat" nach Suenens oder eine Dezentralisierung nach Rahner/Lehmann denkt; oder noch dem Glauben an den reinen Primat treu ist, der doch, so die Enzyklika "Mit brennender Sorge" 1937, dem deutschen Katholizismus einigermaßen half, durch die dunkelsten Passagen nationaler Trümmerseelen zu (etwas) neuem Licht zu gelangen. Wenn auch nur bis ungefähr zum 21. November 1964, als die Deutsche Theologie den Marientitel "Mater Ecclesiae" empört zurückwies. Damit war die "deutsche Umsetzung" des Konzils bereits zum Untergang verurteilt, endgültig bewiesen durch die fast völlige Untätigkeit angesichts des Neuheidentums seit der deutschen Einheit von 1990.

Bischof Tebartz van Elst darf auch einige Sekunden was sagen, müht sich auch ganz freundlich darum, die beiden Päpste der Gegenwart in eine Perspektive zu rücken. Weil er aber das Wort vom "Reichtum" (spirituell gemeint) einfließen lässt, macht ihn die Journaille sofort wieder zur Zielscheibe. Immobilienwerte im bischöflichen Besitz zu Mainz oder München wurden nicht vorgeführt, nur in Limburg.

Von dort dürfen sich auch handverlesene Laien zu Wort melden, als sei der der "Diakonat der Frau" ein echtes Desiderat. Die "Doku" findet sogar in Buenos Aires einige Frauen, die lachend verkünden: Ja, sofort. Wir würden uns zu Diakoninnen weihen lassen! Die Heiterkeit der Damen ist nicht gespielt. Sie wissen ja, dass man dort gern Tango tanzt. Und das heißt nunmal, in Leben übersetzt: Eine Frau ist eine Frau. Ein Mann ist ein Mann. Basta.

Sogar Paul Zulehner würde zugeben, dass niemand in Argentinien die Absicht hat, Diakone zu Frauen zu weihen (oder umgekehrt). Wer so töricht falsche Schwerpunkte in eine Sendung zu den ersten "100 Tagen" hinein verfügt, der blamiert seine Gesinnungsfreunde nur. Sogar Walter Kasper, wegen seines Buchs zur Barmherzigkeit päpstlich gelobt, bekannte stets offen: Theologisch steht Bergoglio da, wo auch Ratzinger und Wojtyla stehen. Das durfte aber auf arte nicht gesagt werden; im ZDF schon gar nicht.

Als einziger Kurienkardinal wird dann der - meritenreiche, aber schwer kranke - Kardinalprotodiakon Tauran vorgeführt. (Übrigens der einzige Papstexperte im ganzen Film.) Ganz offenkundig hatte der Kameramann übel Spaß daran, den würdigen Senior frontal aufs Korn zu nehmen. Da wäre optische Milde angebracht gewesen, zumal Tauran die 40 klügsten Sekunden des 29-minütigen Sparbudget-Beitrags liefert: Le pape Francois? "Kein Befreiungstheologe!". Unwillkürlich demontieren also Sympathisanten der "Generation Auflehner" (wider Benedetto) auch noch den Rest an Sympathie, die einige liberale Katholiken vielleicht noch im frommen Volk fanden.

Der "Reformdruck" - in eine bestimmte Richtung medial aufgebaut, 2008, 2009, 2010; ist durch die neue Art, die alten Wahrheiten zu sagen, seitens "des Jesuiten", sogar spürbar gesunken. Hier: Jesus, Maria, Joseph - und alle Heiligen. Dort: Das Banner der Welt, die Sünde, der Dämon. Entscheide Dich für die Gnade! Der Pfarrer von Ars könnte dem Fatima-Papst Nr. 9 (seit Benedikt XV.) das Drehbuch geschrieben haben, nicht aber Dirk Tänzler vom BDKJ.

Die Kirche verändern! Das ist ein Thema von immer. Aber so wie Erbacher es meint, so plant Papst Franziskus es nicht. Die Revolution Christi ist eine, die das Herz des Menschen verändert. So sprach der Papst, mehrfach Benedikt zitierend, am 17. Juni vor römischen Diözesanen, kath.net berichtete. Eine von bereits vielen Reden, deren jede einzelne wichtiger ist als ein Dutzend Elegien von Obama im Paket, Berliner Reden inklusive.

Es bleibt dabei: Wenn Rom spricht, dann müssen die Krümel schweigen.

Man kann sich aber auch derart dilettantisch zu Wort melden, dass solche Wasserstandsmeldungen - auf die gut römische Sache bezogen - nur noch tosende Sprachlosigkeit bieten. Thema verfehlt.

Fazit: In der entweltlichten Kirche der Zukunft wird es öffentlich-rechtliche "Leibrenten" für solche Erbacher Höflinge nicht mehr geben. Cosi sia.


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