Ist die Wahl schon entschieden?

13. August 2013 in Kommentar


Zum Beginn des Bundestagswahlkampfs. Von Alexander Kissler


Berlin (kath.net/idea) Gäbe es die „Grünen“ nicht und dann und wann einen polternden Peer Steinbrück: Man könnte vergessen, dass die Deutschen bald ihre neue Volksvertretung wählen. Angela Merkel hat die Berliner Politik sediert, der Opposition will nichts gelingen, die kleinen Parteien gefallen sich in Klientelismus. Die Linke ruft nach Enteignung und Freibier, die Piratenpartei will mit dem Latzhosencharme der Anarchisten punkten, die FDP geriert sich als Hüterin des Liberalismus, als hätte sie nicht fast alle staatsfreundlichen Maßnahmen abgenickt, und die grünen Umerziehungsapostel wollen eine Avantgarde der Reinen sein, Jakobiner mit Sonnenblumen. Weder aber ist die Wahl entschieden, noch ist es egal, wer die Regierung stellt.

Laut jüngsten Umfragen liegen Schwarz-Gelb und Rot-Rot-Grün gleichauf. Denkt wirklich jemand, die SPD ließe sich die Chance zur Regierung entgehen, weil ihr Steinbrücks Absage an Gysi und Konsorten im Wege steht? Dann muss eben Sigmar Gabriel das „schmutzige Geschäft“ betreiben und die Alt-Kommunisten ans sozialdemokratische Herz drücken. Das SPD-Programm hat mit der Linkspartei große Schnittmengen. Steinbrück tritt im Falle eines Falles galant zur Seite, halb wird er sinken, halb stößt man ihn, und August Bebels Erben umarmen sich ergriffen.

Wenn die „Alternative“ einzieht …

Auch eine große Koalition unter Merkel betriebe eine andere Politik als eine sogenannte „bürgerliche Koalition“. Sollte – was wahrlich nicht ausgeschlossen ist – die „Alternative für Deutschland“ in ihrem wackeren Streit wider den Brüsseler Moloch in den Bundestag einziehen, werden die Karten sowieso neu gemischt. Insofern trügt der Cartoon einer Sonntagszeitung, der Merkel, Steinbrück, Brüderle, Trittin dösend am Strand zeigt und der Kanzlerin die Worte in den Mund legt: „Es ist einfach zu heiß für ‚nen richtigen Wahlkampf.“ Dass es derart schlapp zugeht, kann nur wollen, wer den eigenen Machterhalt über die Programmatik stellt.

Kommt die Einheitsfront der Regulierer?

Die Lacher auf seiner Seite hat derzeit ein Blogger im Internet. Er stellte elf Punkte zusammen, woran man erkenne, dass die Grünen regieren. Zwischen Platz 11 – „Für Spielzeugpistolen wird ein Waffenschein benötigt“ – und Platz 2 – „In Kantinen darf nur noch an Sonntagen Fleisch angeboten werden“ – ist Raum für Schabernack. Im Kern richtig jedoch ist die Beobachtung, dass eine Regierungsbeteiligung der Grünen zu einem verstärkten Eingriff des Staates in die bürgerlichen Freiheitsrechte führte. Keiner der möglichen Koalitionspartner hat dagegen ein Abwehrprogramm im Tornister. Insofern ist die Erwartung an sechster Stelle vielleicht nur Zukunftsmusik: „Geschirrspüler sind verboten. Abwaschen mit laufendem Wasserhahn auch. Kontrolliert wird das durch eine Sondereinheit der Wasserschutzpolizei.“ Gibt es also nach dem 22. September eine Einheitsfront der Regulierer, Eurokraten und Umverteiler oder wenigstens kleine Schutzräume für Person und Gewissen? Darum kann die Devise nur lauten: wählen gehen!

Der Autor, Alexander Kissler, leitet das Kulturressort beim Monatsmagazin „Cicero“ (Berlin)


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