Pädophilie: 'Sex mit Kindern' war evangelischerseits nicht tabu

10. September 2013 in Deutschland


Der pädophile evangelische Theologe Gerold Becker (Odenwaldschule) gehörte 1998 sogar zur Kammer der EKD für Bildung und Erziehung und ihrer Arbeitsgruppe „Konfirmandenarbeit Göttingen“


Göttingen (kath.net/idea/red) Der Pädophilie-Skandal aus den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts betrifft nicht nur die Partei der Grünen, sondern auch die damalige Jugendorganisation der FDP und den Kinderschutzbund. Das hat der von Bündnis 90/Die Grünen mit der Aufklärung beauftragte Göttinger Politikwissenschaftler Prof. Franz Walter herausgefunden.

Aber auch die evangelische Kirche bleibt nicht unberührt: Ein „Vorreiter“ des Eintretens für Sex mit Kindern war der angesehene, wenn auch umstrittene Sozialpädagoge Prof. Helmut Kentler (1928-2008). Schon 1974 veröffentlichte der auf mehreren Deutschen Evangelischen Kirchentagen umjubelte ehemalige Jugendbildungsreferent an der Evangelischen Akademie Arnoldshain (Taunus) die Broschüre „Zeig mal! Ein Bilderbuch für Kinder und Eltern“. Im Vorwort schrieb Kentler, wenn sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern nicht von der Umwelt diskriminiert würden, seien „positive Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung“ zu erwarten. Er plädierte auch für „gleichberechtigte und diskriminierungsfreie“ sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern. Kentler – von 1979 bis 1982 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung – war auch als gerichtlicher Sachverständiger in Fällen sexuellen Missbrauchs tätig. 1997 erklärte er, er sei „sehr stolz darauf, dass bisher alle Fälle, in denen ich tätig geworden bin, mit Einstellungen der Verfahren oder sogar Freisprüchen beendet worden sind“. Kentler engagierte sich auch in der atheistisch ausgerichteten Humanistischen Union.

Odenwaldschule: Gerold Becker in EKD-Kammer

In sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen waren auch evangelische Pädagogen und Theologen verwickelt. Ein Haupttäter der Vergehen an der Odenwaldschule (Heppenheim-Oberhambach) war der evangelische Theologe Gerold Becker (1936-2010), der diese reformpädagogische Einrichtung von 1972 bis 1985 leitete. Der pädophile Becker gehörte 1998 zur Kammer der EKD für Bildung und Erziehung und ihrer Arbeitsgruppe „Konfirmandenarbeit“. Becker lebte bis zu seinem Tode mit dem in der evangelischen Kirche angesehenen Pädagogen Hartmut von Hentig (87) in Berlin zusammen.

In einem Beitrag über „Pädophilie im linksliberalen Milieu“ im Magazin „Cicero“ schilderte die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer in diesem Zusammenhang: „Ich erinnere mich nur zu gut, wie ich 2010 zu Beginn des Ruchbarwerdens des Missbrauchs in katholischen Internaten in einer Live-Talkshow auch auf den Skandal in der Odenwald-Schule, also im progressiven Milieu, hinwies. Die Moderatorin schnitt mir hart das Wort ab. Als ich im Verlauf der Sendung noch einmal darauf aufmerksam machen wollte, fiel meine Anmerkung ins Leere. Und das, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits alles über die Odenwald-Schule auf dem Tisch lag.“ Schwarzer urteilte: „Auch die Medien dürfen sich durchaus nach ihrer Verantwortung fragen“.


© 2013 www.kath.net