«Allah, bapa di syurga»

15. Oktober 2013 in Weltkirche


Allah-Verbot für Christen in Malaysia gilt auch für Vaterunser. Von Michael Lenz (KNA)


Kuala Lumpur (kath.net/KNA) Anwälten, Kirchenleuten und Vertretern muslimischer Gruppen fällt es am Montag vor dem Gericht in Malaysias Regierungsstadt Putrajaya schwer, sich Gehör zu verschaffen. Zu laut sind die Allah-Akhbar-Sprechchöre einiger hundert Muslime, die fahnenschwenkend vor dem Justizpalast stehen. Das Gebäude selbst wirkt mit seinem islamischem Fassadenschmuck und der wuchtigen Kuppel eher wie eine Moschee. Die Besucher drinnen freuen sich über das von einem Berufungsgericht erlassene Verbot für Malaysias Christen, in der Landessprache das Wort «Gott» mit «Allah» zu übersetzen.

Einstimmig und schnell wurde das Urteil der drei muslimischen Richter am Montag verkündet. In wenigen Minuten war die vorherige Entscheidung aus dem Dezember 2009 nichtig. Damals hatte ein Gericht in Kuala Lumpur das «Allah»-Verbot für die katholische Wochenzeitschrift «The Herald» als unbegründet zurückgewiesen. Dem Urteil war ein Rechtsstreit zwischen Malaysias Innenministerium und der Zeitung vorausgegangen. Nachdem das Ministerium dem Blatt mehrfach vorgeworfen hatte, durch politische Berichterstattung seine Grenzen als kirchliches Medium zu überschreiten, verweigerte das Ministerium der Kirche 2008 die Lizenzerneuerung zur Herausgabe der malaiischen «Herald»-Ausgabe. Nach der richterlichen Entscheidung vor vier Jahren ging das Ministerium in Berufung.

Das neue Urteil kam überraschend. Pater Lawrence Andrew, «Herald»-Chefredakteur, hatte für einige Szenarien schriftliche Erklärungen vorbereitet - aber keine für die Entscheidung, die dann kam. Kurz zusammengefasst heißt es in dem Verdikt: Die Interessen der Mehrheit, also der malaiischen Muslime, wiegen schwerer als die verfassungsmäßig garantierten Rechte religiöser Minderheiten. Laut Verfassung hätten die Malaysier das Recht, in «Frieden und Harmonie» zu leben; wenn diese Elemente in Gefahr seien, müsse die Religionsfreiheit zurückstehen.

Damit folgte das Gericht der Auffassung von Malaysias Regierung, ihrer Medien und der radikal-islamischen Organisation Perkasa. Nach deren Ansicht ist die Übersetzung des Wortes «Gott» mit «Allah» in christlichen Publikationen - wie seit mehr als 400 Jahren unter anderem in der Bibel üblich - irreführend. Verwirrung aber stört Frieden und Harmonie und gefährdet damit die nationale Sicherheit.

Perkasa-Präsident Ibrahim Ali, der noch vor wenigen Monaten zu Bibelverbrennungen aufgerufen hatte, gibt sich nach dem Urteil versöhnlich. «Die Christen sind unsere Brüder», betont Ali. Aber der Islamist lässt auch keinen Zweifel daran, dass er das Urteil als Sieg über die Christen sieht: «Wir haben uns den Namen »Allah« zurückgeholt. Jetzt müssen die Behörden sicherstellen, dass kein Nicht-Muslim das Wort benutzt.»

Putrajaya ist am Montag wie ausgestorben. Die Beamten haben sich in ein langes Wochenende verabschiedet, Dienstag ist islamischer Feiertag. Am kommenden Wochenende entscheidet zudem die Regierungspartei United Malays National Organisation (UMNO) über die Zusammensetzung des höchsten Parteigremiums. Den Kampf um die drei einflussreichen Posten der Partei-Vizepräsidenten fechten moderate Reformer aus dem Lager von Ministerpräsident Najib Razak mit ultrakonservativen, malaiisch-nationalistischen Parteigängern von Malaysias grauer Eminenz, Ex-Premier Mohamed Mahatir, aus. Kaum jemand in Malaysia hält vor diesem Hintergrund den Termin und den Inhalt des Urteils für Zufall.

Mit dem Urteil ist das Thema nicht vom Tisch. Im Gegenteil. Vor einigen Gerichten sind «Allah»-Klagen protestantischer Kirchen und Christen anhängig. Die katholische Kirche wird aller Voraussicht nach den Fall vor ein Bundesgericht bringen. Und die Kirchen der malaysischen Borneo-Staaten Sabah und Sarawak, Heimat von 60 Prozent der christlichen Malaysier, wollen dem Urteil trotzen. Thomas Tsen, Präsident des Rats der Kirchen von Sabah, betont: «'Allah, bapa di syurga' - so lautet die erste Zeile in unserem Vaterunser. Man kann nicht von mir verlangen, die Art und Weise zu ändern, wie ich unseren Vater anspreche.»

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