Mitgliederschwund der Kirchen kaum aufzuhalten

2. November 2013 in Deutschland


Soziologe: Schwerer als die kirchlichen Bemühungen wiegen das Wohlstands- und Bildungsniveau.


Münster (kath.net/ KNA)
Die christlichen Kirchen in Deutschland müssen nach Einschätzung von Wissenschaftlern selbst bei intensiven Reformbemühungen weiter mit sinkenden Mitgliederzahlen rechnen. «Der Mitgliederschwund ist nahezu unaufhaltsam. Auch Reformsignale von Papst Franziskus und Neuerungen in den evangelischen Landeskirchen halten den Trend nicht auf», erklärte am Donnerstag der Religionssoziologe Detlef Pollack vom Exzellenzcluster «Religion und Politik» der Uni Münster.

Schwerer als der Einfluss aller kirchlichen Bemühungen wiege die gesellschaftliche Entwicklung, so Pollack weiter. «Das Wohlstands- und Bildungsniveau ist so hoch und die soziale Absicherung so gut, dass immer weniger Menschen die seelsorglichen und sozialen Angebote der Kirchen nachfragen.»

Die Zahl der Kirchenmitglieder und Kirchgänger in Deutschland geht seit Jahrzehnten kontinuierlich zurück, wie Pollack erläuterte. Während es 1949 in Deutschland Ost und West fast nur Protestanten und Katholiken gab, sind heute etwa je ein Drittel der Bevölkerung Katholiken, Protestanten und Religionslose. Zehn Prozent gehören etwa Islam, Judentum und Orthodoxie an. Seit 1990 treten aus der evangelischen Kirche jährlich etwa 0,7 Prozent der Mitglieder aus, aus der katholischen Kirche im Schnitt 0,5 Prozent. Nur für das Jahr des Missbrauchsskandals 2010 sei ein Ausschlag von 0,73 Prozent bei den Katholiken festzustellen, so Pollack. Andere kirchliche Ereignisse wie der Papstwechsel zeigten kaum Einfluss.

Ein entscheidendes Motiv für die Kirchenaustritte sind finanzielle Erwägungen, wie der Forscher sagt. «Man fühlt sich oft seit Jahren nicht mehr eng mit der Kirche verbunden und entscheidet sich dann in einer Situation des finanziellen Engpasses für den Austritt.» Außerdem sei es durch die Wiedervereinigung 1990 und durch den hohen Anteil an Konfessionslosen im Osten kein Minderheitenphänomen mehr, keiner Kirche anzugehören. Das habe viele Menschen auch im Westen zum Nachdenken gebracht.

Der Soziologe bescheinigte den Kirchen - von den Gemeinden bis zu den Bischöfen, längst viel offener zu sein für die moderne Gesellschaft als früher. Sie gingen auf die individuellen Bedürfnisse der Menschen, ihr Bestreben nach Autonomie, Transparenz und Mitbestimmung viel stärker ein. Das könne aber den Verlust an Mitgliedern nicht dauerhaft aufhalten.

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