Walter Kardinal Brandmüller wird 85

5. Jänner 2014 in Chronik


'Oportet alere flammam'. Der von Benedikt XVI. zum Kardinal kreierte deutsche Kirchenhistoriker zählt zum Kreis der Persönlichkeiten, die wegen besonderer Verdienste um die Kirche ins Kardinalskollegium aufgenommen wurden. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Der deutsche Kardinal und Kirchenhistoriker Walter Brandmüller (Foto) vollendet am heutigen Sonntag sein 85. Lebensjahr. Brandmüller wurde im November 2010 von Benedikt XVI. zum Kardinal kreiert. Er zählt zum Kreis der über 80 Jahre alten herausragenden Persönlichkeiten, die wegen ihrer besonderen Verdienste um die Kirche ins Kardinalskollegium aufgenommen wurden, aufgrund ihres Alters jedoch nicht mehr zur Teilnahme an einem Konklave berechtigt sind.

Der am 5. Januar 1929 in Ansbach geborene Offizierssohn Brandmüller war Priester des Erzbistums Bamberg und empfing die Priesterweihe 1953. Er promovierte 1963 an der Universität München, an der er sich dann 1967 mit einer Schrift über das Konzil von Pavia und Siena habilitierte. Nach seiner Berufung an die später aufgelöste philosophisch-theologische Hochschule von Dillingen lehrte er von 1971 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1997 als Lehrstuhlinhaber für Neuere und Mittelalterliche Kirchengeschichte an der Universität Augsburg. Zudem wirkte Brandmüller mehr als 25 Jahre als Pfarrer in der Ortschaft Walleshausen südlich von Augsburg. Am 13. November 2010 wurde Brandmüller von Raffaele Kardinal Farina zum Bischof geweiht. Mitkonsekratoren in der Kirche der deutschsprachigen katholischen Gemeinde von Rom "Santa Maria dell'Anima" waren der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick und der Kurienerzbischof und frühere Apostolische Nuntius Giuseppe De Andrea.

Im Mittelpunkt der Forschungsarbeit Brandmüllers steht seit seiner Habilitation die Konziliengeschichte. Er ist Mitbegründer und Herausgeber der Zeitschrift „Annuarium historiae conciliorum“ (Paderborn, seit 1969, mit einigen Supplementen) und der Serie „Konziliengeschichte“ (2 Reihen, seit 1979, bislang 37 Bände) sowie Herausgeber des „Handbuchs der bayerischen Kirchengeschichte" (St. Ottilien, 1991 – 1999).

Im Jahr 1981 wurde Brandmüller Mitglied des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften, zu dessen Präsidenten ihn Papst Johannes Paul II. 1998 ernannte. Im selben Jahr wurde er zum Präsidenten der Internationalen Kommission für vergleichende Kirchengeschichte gewählt. In diesen Stellungen koordinierte er die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Historiker- und Wissenschaftsakademien, die sich mit kirchengeschichtlichen Themen beschäftigen. Für seine wissenschaftlichen Verdienste erhielt er 1990 das Bundesverdienstkreuz am Bande und die höchste österreichische Auszeichnung für Wissenschaftler, das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse.

Zu den wichtigen Veröffentlichungen des bayerischen Kardinals gehören folgende Werke:
- Galilei und die Kirche: Ein „Fall“ und seine Lösung. MM-Verlag, Aachen 1994
- Wer ist Jesus Christus? Mythen, Glaube und Geschichte. [zusammen mit Karlheinz Dietz, Leo Scheffczyk, Peter Stuhlmacher, Luise Abramowski, Franz Courth], MM-Verlag, Aachen 1995.
- Das eigentlich Katholische. MM-Verlag, Aachen 1997.
- Christus in den Sakramenten der Kirche. MM-Verlag, Aachen 1998.
- Das Konzil von Konstanz, 1414-1418. Verlag Schöningh, Paderborn. - Bd. 1: Bis zur Abreise Sigismunds nach Narbonne, 2. Aufl. 1999; Bd. 2: Bis zum Konzilsende, 1997
- Das Konzil von Pavia-Siena 1423-1424. Verlag Schöningh, Paderborn 2002.
- Briefe um das I. Vaticanum. Verlag Schöningh, Paderborn 2005.
- Der Fall Galilei und andere Irrtümer: Macht, Glaube und Wissenschaft [zusammen mit Ingo Langner], Sankt-Ulrich-Verlag, Augsburg 2006.
- Licht und Schatten. Sankt-Ulrich-Verlag, Augsburg 2007.
- Scripta maneant. Raccolta di studi in occasione del suo 80° genetliaco, hg. von Cosimo Semeraro, Libreria Editrice Vaticana, Rom 2009

Walter Brandmüller ist einer jener katholischen Gelehrten, bei denen wissenschaftliche Kompetenz in Forschung und Lehre, theologische Vertiefung als Grundlage allen Schaffens sowie eine ganz auf Christus und sein Heilswerk ausgerichtete, liturgisch fundierte Spiritualität zusammengehen. Brandmüller ist das Bild eines Intellektuellen, dessen Gelehrsamkeit – wie es heutzutage so schön heißt – „ganzheitlich“, das heißt katholisch im eigentlichen Sinne ist. Die befreienden Gebote Gottes, der hohe Anspruch, der sich aus ihnen an den Menschen stellt, das Eintauchen in das universale Heilsmysterium, dessen Verkündigerin die Kirche ist, bilden den Kern des betenden Priesterlebens einer der bedeutenden Gestalten der aktuellen Kirchengeschichte.

So ist als wichtigstes Element der Brandmüllerschen Geschichtsschreibung festzuhalten, dass er präzise und stilistisch elegant Gemeinplätzen ihre Unbeständigkeit nachweist und oft das „allgemein Gewusste“ als Scheinwissen zu enthüllen vermag. Dies gilt für Galileo Galilei ebenso wie für einen mittelalterlichen Papst wie Johannes XXIII. Der „Macht des Klischees“ sind für Brandmüller immer Schranken zu setzen, dies durch die Erarbeitung des wohl dokumentierten historischen Zusammenhangs. Kennzeichnend ist die Haltung Brandmüllers, dass aus den Wissenschaften der Sinn der göttlichen Gebote offenbar wird und es somit keine Trennung zwischen wissenschaftlichem Tun und Leben aus dem Glauben gibt.

„Die Macht der Medien“, so heißt es in seinem Buch „Licht und Schatten“ (2007) im Kapitel „Fieberanfälle des deutschen Katholizismus“, „denen die große Masse der Katholiken ausgeliefert ist, der Ausfall geistiger Führung durch einen theologisch desorientierten und verunsicherten Klerus – das alles macht die Katholiken anfällig für die Propheten des Zeitgeistes. Und die haben angesichts einer Fernsehgesellschaft, die ihr Kritikvermögen weithin verloren hat, ein gar leichtes Spiel. Hinzu kommt der nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erfassende kulturelle Zusammenbruch, der sich auch in einer akuten Glaubenskrise des deutschen Katholizismus äußert. Was diesen in den Erschütterungen der jüngeren Vergangenheit so widerstandsfähig gemacht hatte, war die enge Verbindung der Bischöfe mit dem Papst, war die geistige Geschlossenheit des Klerus und die Einigkeit der Gläubigen mit Papst, Bischöfen und Priestern. “

Aus dieser Erkenntnis ergibt sich für den neu ernannten Kardinal auch der Weg, wie der aktuellen Kirchenkrise entgegenzuwirken ist. Die Kirchenkrise ist für Brandmüller keine „Strukturkrise“ eines in der modernen säkularen Gesellschaft unter anderen vorkommenden sozialen Konstrukts. Kirchenkrise ist Glaubenskrise, das heißt eine Krise des katholischen Glaubens und seiner Wesenselemente, was besonders in Deutschland zutage tritt: „Wenn der deutsche Katholizismus aus seiner gegenwärtigen Krise ebenso neu gekräftigt hervorgehen soll wie aus den vergangenen Stürmen, dann allerdings ist ein hoher Einsatz gefordert. Der aber wird nur möglich sein, wenn jener enge Schulterschluss zwischen Bischöfen und Papst, Priestern und Bischof, zwischen Gläubigen und Priestern wieder hergestellt wird, der sich bisher bewährt hat – und wenn man aus dem Wahn erwacht, am deutschen Wesen müsse die Kirche genesen“.

Die Leidenschaft des Mannes, der ganz Priester ist

Walter Brandmüller ist ein leidenschaftlicher Mensch: Leidenschaft für die Sache Gottes, für die Kirche, die er liebt, Leidenschaft für die Wissenschaft, Leidenschaft für das Menschliche, dies stets im Rahmen der wahren „Kritik“, das heißt der gezügelten Urteilsfähigkeit, der es abhold ist, sich in der Analyse des Einzelnen zu verlieren. Das Wesentliche für das Denken Brandmüllers ist die Suche nach dem universalen Sinngefüge, innerhalb dessen die Teile des sich oft chaotisch präsentierenden Wandels der Welt zusammenfinden können. Als Geschichtswissenschaftler ist der Kardinal selbst Teil der jüngsten Kirchengeschichte, der deren Wendungen, Dramen und Schönheiten aufmerksam verfolgt hat und dies unermüdlich weiter tut. Und er tut dies als ein Mann, in dem gleichsam materiell das „unauslöschliche Siegel“ sichtbar wird, mit dem Christus ihn ganz sich selbst gleichgestalten wollte.

Dies ist eine Lehre, die Kardinal Brandmüller allein durch sein Dasein all jenen gibt, die das Glück haben, ihm begegnen zu dürfen: Der Priester ist wahrer Mensch dadurch, dass das Geheimnis des den Menschen liebenden Christus diesen erst ganz Mensch und ganz wirklich werden lässt, indem Christus ihn in allem zu sich zieht und daher nichts einfachhin neutral betrachtet werden kann. Christus nichts vorziehen: das lehrt und lebt der Theologe, Historiker, Kulturwissenschaftler, Seelsorger, Bischof und Kardinal.

Ad multos annos, Eminenz!

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Monsignore, gibt es Gott?
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Von Walter Brandmüller
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Gemälde aus der Titelkirche von Kardinal Brandmüller, San Giuliano dei Fiamminghi in der Via del Sudario


Vortrag Kardinal Brandmüller Heiligenkreuz 3. Juni 2012: ´Der Beitrag der Kirche zur Zukunft Europas´


Kardinal Brandmüller steht im Petersdom der hl. Messe in der außerordentlichen Form vor - 15.5.2011


Foto des Gemäldes aus der Titelkirche von Kardinal Brandmüller, San Giuliano dei Fiamminghi in der Via del Sudario (c) kath.net/Paul Badde


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