Kiewer Bischof: Bereits viele Flüchtlinge durch Krim-Krise

12. April 2014 in Aktuelles


Bischof Szyrokoradiuk, Präsident der "Caritas-Spes": Maidan-Proteste ließen Hoffnung der Ukraine auf EU noch wachsen - Teuerung verschlimmert Armut im Land - Auch Russland soll "aufwachen".


Kiew (kath.net/ KAP)
Die jüngsten Ereignisse auf der Krim und die anhaltenden Spannungen in der Ostukraine haben bereits Tausende Menschen zur Flucht veranlasst. Das hat der Kiewer Weihbischof Stanislav Szyrokoradiuk, Präsident der Caritas-Spes Ukraine (so heißt die römisch-katholische Hilfsorganisation im Unterschied zur griechisch-katholischen "Caritas"), im Interview mit "Kathpress" berichtet. "Viele Flüchtlinge kommen derzeit aus der Süd- und Ostukraine in die anderen Landesteile, darunter besonders Familien aus der Krim", so der römisch-katholische Bischof. Die von Russland besetzte Halbinsel sehe man in der Ukraine bereits als "verloren", die Zukunftshoffnung richte sich besonders auf die Mithilfe der EU zur Beendigung der russischen Aggressionen.

Aufgenommen werden die Flüchtlinge laut Szyrokoradiuk teils von Familien, für die Koordination sei ein staatliches Flüchtlingsprogramm mit einer ständig erreichbaren Hotline eingerichtet worden. Sowohl die katholischen als auch die orthodoxen Kirchen seien in der Versorgung stark involviert und würden eng zusammenarbeiten. Ein Lob fand der Bischof hier für die ukrainische Politik: Regierung und Parlament funktionierten trotz Provokationen der kommunistischen Partei "gut", in Kiew sei die Lage derzeit ruhig und in weiten Teilen gelinge es, Normalität zu leben - sehe man vom Süden und Osten der Ukraine ab.

Dennoch habe sich mit den militärischen Spannungen auch die Armut im Land verschärft, so der Caritas-Spes-Präsident. "Die Inflation ist groß, der Strompreis enorm gestiegen und der Gaspreis hat sich sogar verdoppelt. Wir verstehen jedoch, dass das vorübergehende Probleme sind." Die Sozialzentren seien im Dauereinsatz, um Medikamente, Lebensmittelpakete, Kleidung und psychologische Hilfe zu vermitteln, letztere besonders für die Maidan-Demonstranten. Unterstützt werde die Caritas-Spes dabei u.a. vom Deutschen Caritasverband, der polnischen Caritas sowie von der Vorarlberger Landesregierung und Pfarren.

EU als "bessere Alternative"

Große Hoffnung lege die ukrainische Bevölkerung in die EU, sei der Wunsch nach Annäherung an die Union doch Ausgangsmotiv der Demonstrationen seit November 2013 gewesen, erinnerte der dem Franziskanerorden angehörende Bischof. Die Maidan-Proteste hätten diese Haltung noch deutlich gestärkt. "Noch mehr Menschen als zuvor sind nun überzeugt, dass der Gang in die EU die bessere Alternative ist, und sehen nun noch mehr Chancen einer Bewegung in diese Richtung", so der Bischof. Man hoffe jedoch auch auf Unterstützung aus dem Westen für diese Entscheidung, denn bisher seien die EU-Sanktionen wirkungslos. "Russland hat die Krim besetzt und provoziert weiter."

Eine enorme Weiterentwicklung hätten die Maidan-Proteste jedoch auch für die Ökumene im Land gebracht. "Das gemeinsame Gebet der verschiedenen Kirchen, die Versorgung der Verletzten in der Kiewer Alexanderkirche oder die gegenseitige Hilfe zeigten große interkonfessionelle Solidarität und Einheit. Das hat uns zusammengebracht und daran wollen wir auch in Zukunft anknüpfen", so Szyrokoradiuk. Weiterhin werde in allen Kirchen für den Frieden gebetet, zudem hätten sich die orthodoxen und katholischen Kirchen auch darauf geeinigt, gemeinsam Priester für den Dienst in der Militärseelsorge vorzubereiten. "Das hat es vorher nie gegeben", betonte der Kiewer Bischof.

Aufwachen Russlands

Massive Probleme sieht der Bischof in der Ost- und Südukraine: Viele Mitglieder der hier lebenden russischen Bevölkerung verspürten "große Sehnsucht nach der sowjetischen Zeit", zudem komme es speziell in Charkow, Luhansk und Donetsk anhaltend zu von Russland eingefädelten Provokationen. Putins Absichten seien kaum durchschaubar, so die Einschätzung des Geistlichen: Offensichtlich wolle er die Ukraine "stören", etwa damit die für den 25. Mai angesetzte Präsidentschaftswahl nicht zustande komme. Hoffnung lege er auf ein "Aufwachen" Russlands selbst nach ukrainischen Vorbild, sagte Szyrokoradiuk: "Auch hier gibt es Armut, zudem politische Unterdrückung und Diktatur. Dass die Bevölkerung so ruhig und geduldig ist, ist nicht normal."

Als wichtige Botschaft für das Land bezeichnete Weihbischof Szyrokoradiuk die Heiligsprechung Papst Johannes Paul II. zu Monatsende. Vielen in der Ukraine sei der Pontifex aus dem benachbarten Polen durch seinen Besuch im Jahr 2001 noch in guter Erinnerung. Eine Gruppe von Kiewer Jugendlichen werde deshalb in Begleitung von Priestern zu dem Großereignis am 27. April im Vatikan reisen.

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