«Wir brauchen Menschen, die Gesicht zeigen»

27. Mai 2014 in Interview


Bischof Felix Genn zur Lage der Kirche vor dem Katholikentag. Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)


Bonn/Münster (kath.net/KNA) Kommenden Mittwochabend wird in Regensburg der 99. Deutsche Katholikentag eröffnet. Wie ist die Situation der Kirche kurz vor dem Großereignis, zu dem über 30.000 Dauergäste erwartet werden? Wie geht es weiter nach der Missbrauchskrise und den Ereignissen im Bistum Limburg? Und wie stark wirkt der «Franziskus-Effekt»? Fragen, zu denen Felix Genn (Foto), Bischof von Münster und Mitglied der Kongregation für die Bischöfe im Vatikan, im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) Stellung nimmt.

KNA: Herr Bischof Genn, in wenigen Tagen beginnt in Regensburg der Katholikentag. Was sind Ihre wichtigsten Erwartungen?

Genn: Ich hoffe, dass der Katholikentag seinem Motto gerecht wird: Nämlich Brücken zu bauen, auch innerhalb der Kirche. Gerade nach den schwierigen Situationen durch die Missbrauchskrise und die Ereignisse in Limburg wäre das wichtig. Aber es geht auch um Brücken in die Gesellschaft, denn wir haben einen gesellschaftlichen Auftrag. Ich finde es auch gut, dass der Bischof von Regensburg betont, dass gerade die Verbindung von Regensburg und Prag die Brücke schlagen kann zu Tschechien und zur Slowakei. Diese Länder hatten wir bisher nicht so stark im Fokus.

KNA: Was kann das Treffen für die Katholiken in Deutschland bringen?

Genn: Eine Stärkung: Allein durch die Tatsache, dass so viele Menschen zusammenkommen und man sich nicht in einem besonderen Akt outen muss, katholisch zu sein. Auch setze ich bei Ereignissen wie einem Katholikentag oder Weltjugendtag auf den Langzeiteffekt. Im Herzen lagert sich manches an positiven Erfahrungen ab, das erst viel später herauskommt. Von daher sind solche Großereignisse immer stärkend.

KNA: Sie haben die Krisen angesprochen: Was kann die Kirche tun, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen?

Genn: Es braucht vor allem das persönliche Zeugnis, gerade von Bischöfen und offiziellen Vertretern der Kirche. Aber wir brauchen auch Leute, die vor Ort ihr Gesicht zeigen und sagen, ich bin Christin, ich bin Christ. Und sicher brauchen wir auch eine gute Öffentlichkeitsarbeit.

KNA: Die Priester sind in Deutschland besonders betroffen von dieser Vertrauenskrise. Es gibt wenig Priesternachwuchs und Pfarrermangel an allen Ecken und Enden. Wie wird es da weitergehen?

Genn: Ich denke da nicht an Werbekampagnen oder Ähnliches. Am meisten wird für die Kirche und damit auch für die kirchlichen Dienste geworben, wenn jeder getaufte Christ das Wort von Papst Franziskus aus seinem Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium ernst nimmt: «Ich bin eine Mission auf dieser Erde, und ihretwegen bin ich auf dieser Welt. Man muss erkennen, dass man selber gebrandmarkt ist für diese Mission, Licht zu bringen, zu segnen, zu beleben, aufzurichten, zu heilen, zu befreien.» Dann kann daraus auch für junge Menschen die Motivation erwachsen, ihr Leben Gott zu weihen, in einem Orden oder auch als Priester. Allerdings brauchen Priester viel Unterstützung in den Gemeinden und in den Familien. Ich hoffe auch, dass alle Christen wieder lebendiger die Botschaft des Evangeliums leben.

KNA: Kann da auch der vielzitierte «Franziskus-Effekt» helfen? Was spüren Sie von diesen neuen Impulsen in Deutschland?

Genn: Zumindest ist Kirche Thema. Und zwar nicht nur in negativen Schlagzeilen, sondern auch in Erwartungen und positiven Signalen, die durch Franziskus gesetzt werden. Allerdings muss das Ganze noch heruntergebrochen werden auf die konkrete Situation vor Ort: Was heißt es, als Kirche in Deutschland zum Beispiel Armut zu leben und zu den Menschen an den Rändern zu gehen? Da gäbe es noch viele Impulse zu verarbeiten. Aber auch das ist ein positiver Effekt.

KNA: In Deutschland sind derzeit einige Bischofsstühle vakant. Es gibt in der nächsten Zeit einen Generationenwechsel in der Bischofskonferenz. Wie entwickelt sich dieses Gremium nach Ihrer Wahrnehmung?

Genn: Das ist sicherlich eine spannende Entwicklung. Ich bin jetzt 15 Jahre dabei und habe schon manchen Wandel erlebt. Ich denke, dass es eine gute brüderliche Zusammenarbeit geben muss, damit wir als Kirche auch in der Bischofskonferenz ein gutes Bild abgeben. Gerade angesichts der Krisen der letzten Jahre. Jeder neue Bischof bringt ein neues Gesicht und damit auch ein neues Feeling in die Konferenz. Das ist immer spannend.

KNA: Im Oktober steht in Rom die Bischofssynode zum Thema Familie an. Wie lautet hier Ihre wichtigste Erwartung?

Genn: Ganz kurz zusammengefasst erhoffe ich Antworten auf die Frage, was es heute bedeutet, in dieser sehr pluralen Welt - auch, was Ehe und Familie angeht - das Evangelium von der Familie zu verkünden. So hat es Papst Johannes Paul II. schon in seinem Schreiben «Familiaris Consortio» getan. Wie kann das vertieft werden? Und wie kann das in die Gesellschaft hineingegeben werden, die sich so darstellt, wie wir das durch die Umfrage erlebt haben.

Foto Bischof Genn


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Foto Bischof Genn (c) kath.net/Markus Gehling


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