Pöllauer Jugendtreffen ist 'Trainigscamp für entschiedenes Christsein'

15. Juli 2014 in Jugend


Grazer Bischof Egon Kapellari: An einem solchen „Lernort“ könnten die Teilnehmer „einen nachhaltigen Impuls zur weiteren Entwicklung der Kunst ihres Lebens und der Kunst ihres Glaubens erfahren“


Pöllau (kath.net/pdg) Als „Trainigscamp zur vertiefenden Einübung in ein entschiedenes Christsein“ bezeichnete der Grazer Bischof Egon Kapellari (Foto) die Jugendtreffen in Pöllau in seiner Predigt in der Abschlussmesse am vergangenen Sonntag. In einem solchen „Lernort“ könnten die Teilnehmer „einen nachhaltigen Impuls zur weiteren Entwicklung der Kunst ihres Lebens und der Kunst ihres Glaubens erfahren“, besonders „im Miteinander mit Gleichaltrigen und Älteren, im miteinander Reden, Beten und Nachdenken über das Leben und den Glauben“. Die mehrtägigen Jugendtreffen finden seit 1992 jährlich statt und regelmäßig kommen um die 500 Jugendliche.

kath.net dokumentiert die Predigt des Grazer Bischof Egon Kapellari in der Sonntagsmesse im Rahmen des Jugendtreffens in Pöllau am 13. Juli 2014:

Liebe hier versammelte Christen, Brüder und Schwestern, und in Ihrer Mitte vor allem Ihr, liebe junge Leute aus vielen Diözesen Österreichs und darüber hinaus, und Ihr, liebe Priester, Diakone und Ordensleute, die diese jungen Menschen auf ihrem Lebens- und Glaubensweg in den Tagen in Pöllau und auch anderswo begleiten!

Es ist mir eine Freude, auch in diesem Jahr den Schlussgottesdienst des Pöllauer Jugendtreffens feiern zu können in dieser Pfarr- und früheren Stiftskirche, die in ihrem Ausmaß und in ihrer Schönheit viele Domkirchen in unserer Weltkirche übertrifft. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, war ich zu einem solchen Anlass erstmals am 14. Juli 2002 hier, ein Jahr nach meiner Berufung aus der Diözese Gurk zur Leitung meiner Heimatdiözese Graz-Seckau.

Papst Johannes Paul II., nun auch in das Verzeichnis der Heiligen unserer Weltkirche aufgenommen, hat viele Male bestärkende und begeisternde Worte an junge Christen gerichtet. 1988 hat er bei einem Jugendtreffen im Rahmen seines zweiten Österreichbesuchs in Salzburg am Rand des großen Programms in einem städtischen Jugendzentrum die jungen Leute scherzend gefragt: „Ist dieses Haus so etwas wie ein Laboratorium, wo man lernen kann, ein guter Mensch und ein guter Christ zu sein?“ Ich war damals der sogenannte Jugend-Bischof für Österreich. Ein Laboratorium, wo man das vom Papst Angefragte lernen kann, ist gewiss auch das alljährliche Jugendtreffen in Pöllau. Es ist, wie ich im Jahr 2002 hier in Pöllau gesagt habe, „so etwas wie ein Trainigscamp zur vertiefenden Einübung in ein entschiedenes Christsein“; es ist ein gemeinsames Einüben. Man kann hier für einige Tage intensiv erfahren, was Papst Benedikt XVI. mit dem Wort „Wer glaubt, ist nie allein“ gemeint und gesagt hat.

Liebe junge und ältere Christen!

Der deutsche Historiker Leopold von Ranke hat gesagt: „Jede Epoche ist unmittelbar zu Gott.“ Man kann dieses Wort auch abwandeln und sagen: „Jedes Lebensalter ist unmittelbar zu Gott.“ Das Heil ist dem Kind nicht prinzipiell näher als dem Greis oder dem Menschen in der Mitte des Lebens. Darum betreibt die Kirche keinen Kult mit den jungen Menschen und biedert sich ihnen nicht an, so wie manche Politiker und Modeschöpfer es tun. Als Kirche wissen wir aber, dass Gott der Vater uns in seinem Sohn Jesus Christus ein jugendliches Antlitz zeigt. Wenn auch jeder Mensch in gewissem Sinn ein Abbild Gottes ist, so ist doch der junge Mensch für uns in besonderer Weise eine Ikone Jesu Christi sein. Er ist eine Verheißung für die ganze Menschheit und besonders für die Kirche. Europa ist nicht allzu reich an solchen Verheißungen. Es ist auch insofern eine Alte Welt, als der Anteil der Jugendlichen und der Kinder an der Gesamtbevölkerung weitaus geringer ist als in anderen Kontinenten.

Ein Jugendcamp wie hier in Pöllau ist ein auch Lernort, wo die Teilnehmenden einen nachhaltigen Impuls zur weiteren Entwicklung der Kunst ihres Lebens und der Kunst ihres Glaubens erfahren können: im Miteinander mit Gleichaltrigen und Älteren, im miteinander Reden, Beten und Nachdenken über das Leben und den Glauben. Ein solches Camp ist ebenso wie die größeren Camps der Weltjugendtage für viele auch ein Quellgrund der Freude: Freude am Miteinander mit Menschen und über all das hinaus Freude an Gott und durch Gott. Das ist das Gegenteil von Trägheit und Langeweile.

Liebe junge Freunde!

Dem Thema Freude hat Papst Franziskus sein jüngstes Lehrschreiben gewidmet: einen umfangreichen Text mit dem Titel „Evangelii Gaudium“, auf Deutsch: „Freude am Evangelium und durch das Evangelium“. Ein kostbares Wort aus der Bibel sagt: „Die Freude an Gott ist unsere Stärke.“ (Neh 8,10) Und der griechische Name für vier Bücher der Heiligen Schrift des Neuen Testaments lautet Evangelium, das heißt Frohe Botschaft. Freude kann man sich nicht befehlen und in einem langen oder manchmal auch schon in einem kurzen Leben gibt es auch das Andere: den Schmerz, die Traurigkeit. Wir gehen auf unserem Lebens- und Glaubensweg nicht immer durch Grünland, sondern manchmal auch durch Nacht und Wüste. Und die Kirche im Ganzen musste und muss, wie schon das Volk des Alten Bundes, im Lauf ihrer Geschichte oft durch Feuer und Wasser gehen. Das Wasser und das Feuer zerstören viel, aber sie reinigen auch.

„Jesus bleibet meine Freude“, mit diesem Ruf hat Johann Sebastian Bach eine seiner schönsten Melodien verbunden. Unzählige Christen aller Lebensalter können dies auch heute aus der Tiefe ihres Herzens heraus sagen und singen. Ich glaube, dass auch viele von Euch dies schon können, und ich glaube, dass andere durch die Tage in Pöllau darin bestärkt werden. Solche Christen sind Frischzellen im Leib der Kirche und im Leib der Zivilgesellschaft. Ihr alle könnt solche Frischzellen sein. Dazu segne Euch alle und alle Tage der Dreieinige Gott – der Vater und der Sohn und der Heilige Geist – auf die Fürsprache Marias, Mutter Christi und Mutter der Kirche. Amen.

Pöllau Jugendtreffen 2013: Victoria Fender interviewt Roger Ibounigg und Raphael Bonelli



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