«Klima der Einschüchterung und Angst»

17. Juli 2014 in Chronik


Aufständische in der Ukraine töten und entführen auch Geistliche. Von Oliver Hinz (KNA)


Bonn/Kiew (kath.net/KNA) In der Ostukraine häufen sich Übergriffe auf Geistliche. Nur einen Tag nach der Freilassung eines griechisch-katholischen Priesters haben Aufständische erneut einen Pfarrer verschleppt. Der römisch-katholische Priester Viktor Wonsowitsch (39) fuhr am Dienstag mit dem Auto von Donezk zu seiner Pfarrei im 40 Kilometer nördlich gelegenen Gorliwka, um dort einen Gottesdienst zu feiern. Als ihn bewaffnete Separatisten an einem Checkpoint vor den Toren der 250.000-Einwohner-Stadt Gorliwka festnahmen, rief er noch schnell mit dem Handy den emeritierten Ortsbischof Marian Buczek an.

Weder sein Priestergewand noch eine Bescheinigung über seinen Beruf, habe Wonsowitsch geholfen, sagt der Bischof. Der Pfarrer sei seither nicht mehr am Handy erreichbar. Warum er entführt wurde und wohin, ist nicht bekannt.

Die von Kiew als «Terroristen» bezeichneten prorussischen Aufständischen sollen seit April mehr als 200 Zivilisten im Osten des Landes entführt haben. UN-Beobachter sprachen von einem «Klima der Einschüchterung und Angst», das die Separatisten durch Tötungen, Geiselnahmen und Folterungen geschaffen hätten.

Nach einem von ihnen im Mai durchgeführten Referendum hatten sie die «Volksrepublik Donezk» ausgerufen, die bislang kein Staat der Welt anerkennt. Bei den Gefechten zwischen Aufständischen und ukrainischen Soldaten kamen nach Angaben der Regierung in Kiew bereits fast 500 Zivilisten ums Leben.

In einem Massengrab in der früheren Rebellenhochburg Slawjansk entdeckten Ermittler nun die Leichen von zwei Diakonen der Pfingstbewegung und von zwei erwachsenen Kindern von einem der Geistlichen. Kämpfer der «Volksrepublik Donezk» hätten die vier bereits am 8. Juni während eines Gottesdienstes in ihre Gewalt gebracht, sagte der leitende Bischof der Pfingstkirche, Mykhailo Panochko. Ein geflohener Mitgefangener habe berichtet, die Geistlichen seien gefoltert und am 9. Juni ermordet worden.

Mehr als einen Monat hatten die Familien dem Bischof zufolge gehofft, dass die Vermissten noch lebten und freigelassen würden. Die Aufständischen hätten den Geistlichen Unterstützung der ukrainischen Armee vorgeworfen; das gelte in der «Volksrepublik Donezk» als Verbrechen. Die zuletzt stark gewachsene Pfingstbewegung zählt landesweit rund 3.000 Gemeinden.

Für den von Aufständischen festgehaltenen griechisch-katholischen Priester Tichon Kulbaka endete die Geiselhaft glimpflich. Nach zwölf Tagen kam der 42-Jährige am Montag wieder frei. Die mit Rom verbundene Kirche erklärte, die «Terroristen» hätten zur Bedingung für die Freilassung gemacht, dass Kulbaka die «Volksrepublik Donezk» verlasse und keine Einzelheiten zu der Geiselhaft preisgebe. Der Geistliche war einer der Organisatoren der täglichen ökumenischen Friedensgebete auf einem zentralen Platz in Donezk. Er hatte die Separatisten mehrfach kritisiert.

Von den Übergriffen betroffen sind hauptsächlich die kleineren Glaubensgemeinschaften und nicht die dem Moskauer Patriarchat unterstehende ukrainisch-orthodoxe Kirche. Die Separatisten erklärten diese in der Verfassung der «Volksrepublik Donezk» praktisch zur Staatsreligion. Im Mai wurde allerdings ein Priester des Moskauer Patriarchates an einem Checkpoint erschossen, offenbar von Aufständischen.

Der Gesamtukrainische Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften appellierte vergangene Woche an die Aufständischen, ihren Kampf aufzugeben. Angesichts der Entwicklung in der Ostukraine «rufen wir alle auf, die illegal im Besitz von Waffen sind, diese niederzulegen und das Blutvergießen zu stoppen», heißt es in einer Erklärung des Ratsvorsitzenden, des kommissarischen Oberhaupts der moskautreuen ukrainisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Onufri. Alle Menschen guten Willens« sollten dazu beitragen, dass alle Geiseln freikommen, einschließlich der Geistlichen.

Das Gremium warnte zugleich erneut vor einer Teilung der Ukraine. Gott habe dem Land die Unabhängigkeit gewährt. »Wir sind nicht berechtigt, eine Abspaltung zu erlauben, weil diese eine Sünde vor Gott und künftigen Generationen unseres Volkes darstellt«, betonen die Religionsführer. Eine Lösung des Konflikts ist indes nicht in Sicht.

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