Wer entfesselt den blockierten Riesen?

27. Juli 2014 in Deutschland


Die Katholische Kirche in Deutschland ist gefordert – ein Kommentar von Hubert Gindert/ Forum Deutscher Katholiken.


Kaufering (kath.net/ Forum Deutscher Katholiken)
Ein bekannter Buchtitel lautet: „Der blockierte Riese“. Wie zu lesen ist, soll das 2001 erschienene Buch neu aufgelegt werden. Offensichtlich ist das Thema noch aktuell, weil der blockierte Riese noch immer nicht entfesselt ist. Worin könnte man das Potential dieses gefesselten Riesen, gemeint ist die Katholische Kirche in Deutschland, sehen? Vielleicht in der üppigen finanziellen Ausstattung aufgrund der Kirchensteuer, oder im gewaltigen Personalapparat der Ordinariate mit dem Heer hauptamtlicher Mitarbeiter.

Um letzteres zu verdeutlichen: Es gibt eine Erzdiözese, die heute allein im Ordinariat über 800 hauptamtliche Mitarbeiter zählt. 1960 waren es rund 45. Der Schematismus der gleichen Diözese vom Jahr 2009/10, in dem alle Stellen und Dienste mit dem Personal aufgeführt sind umfasst 790 Seiten. Neben dem Personalapparat der Ordinariate kommen einem auch die kirchlich anerkannten katholischen Verbände in den Sinn. Sie können teilweise, statistisch gesehen mit stolzen Zahlen aufwarten, z.B. der Bund der Katholischen Jugend (BDKJ) mit 660.000 Mitgliedern, die katholische Frauengemeinschaft (kfd) mit 550.000 Mitgliedern, der katholische Frauenbund (KDFB) mit 220.000 Mitgliedern etc..

„Der Geist bewegt die Masse“ (mens agitat molem) heißt ein bekanntes Sprichwort. Ohne Geist bleibt die Masse träg, unbeweglich, evtl. sogar kontraproduktiv. Das Problem steckt offensichtlich im fehlenden Geist, im Mangel an Begeisterung und Engagement für die Kirche. Die Frage ist, wer kann aus dem scheinbar tauben Gestein einen Funken Feuer schlagen?

Achtung und Schutz vor dem Leben, das Erziehungsrecht der Eltern für ihre Kinder, freie Ausübung der Religion, auch in der Öffentlichkeit, sind fundamentale Fragen für Gesellschaft und Kirche. Wer setzt sich dafür ein? Wenige! Beim Marsch für das Leben und gegen die Abtreibung ungeborener Kinder im September 2013 in Berlin machten sich rund 4.500 Menschen auf den Weg. An der „Demo für Alle“ am 28. Juni 2014 in Stuttgart gegen den Kultusplan 2015 der Baden-Württembergischen Landesregierung, wo es darum ging, die Genderideologie über den Weg der Frühsexualisierung der Kinder in den Schulen zu verhindern, kamen rund 1.000 Kundgebungsteilnehmer.

Die Behauptung vom „blockierten Riesen“ bleibt eine realitätsferne Feststellung solange der Autor nicht sagt, wie der Geist in der Masse wach gerüttelt werden soll. Der Verfasser meint mit dieser „Fesselung“ des Riesen auch die kircheninternen Auseinandersetzungen zwischen den so genannten „konservativen“ und „progressiven“ Katholiken. Er fragt aber nicht, wer von den beiden fundamentale Glaubenswahrheiten vertritt oder sie an den Zeitgeist verscherbelt. Schließlich gibt es für den „gefesselten Riesen“ berufene Führer. Das sind die Bischöfe. Sie haben, gewollt oder ungewollt, Führungsaufgaben zur Orientierung der Gläubigen. Wo bleiben diese Stimmen, wenn es darum geht, die Menschen in Bewegung zu bringen und evtl. sogar selber vorauszugehen? Es geht darum, den blockierten Riesen zu entfesseln. Berichte und Analysen über ihn sind zu wenig!

Hubert Gindert


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