Flüchtlinge sind 'Anruf Gottes an uns'

23. August 2014 in Chronik


Grazer Priester in "alle welt": Flüchtlinge führen uns vor Augen, dass unser Wohlstand und Friede nicht so selbstverständlich sind


Wien (kath.net/KAP) Die besondere Verantwortung der Kirche gegenüber Flüchtlingen hat der Grazer Pfarrer Hermann Glettler unterstrichen, der in seiner Pfarre St. Andrä selbst um die Integration von Heimatvertriebenen bemüht ist. "Wir können nicht die Augen vor der Realität verschließen", betonte Glettler in der aktuellen Ausgabe der "Missio"-Zeitschrift "alle welt". Gerade im kirchlichen Bereich brauche es "Sensibilität für Flüchtlinge", ihr Kommen sei "auch ein Anruf Gottes an uns".

Der Grazer Bezirk Gries, in dem seine Pfarre liegt, sei schon immer ein Auffangbezirk für die "Angeschwemmten", in Graz Gestrandeten, gewesen, erklärte der auch als Kunstschaffender und -förderer aktive Glettler in dem Interview. St. Andrä habe versucht, als Pfarre "möglichst offensiv auf diese Situation zuzugehen" und Gastfreundschaft gegenüber jenen zu zeigen, "die bei uns landen und bei uns Heimat suchen". Konkret nannte der 53-jährige Priester Feste und Gottesdienste mit dem Anspruch, Flüchtlinge und Migranten "bewusst hereinzuholen".

"Wir versuchen Begegnungen auf gleicher Augenhöhe zu ermöglichen", sagte Glettler. Den Einheimischen im Pfarrgebiet versuchen er und seine Mitarbeiter "eine andere Haltung gegenüber Migranten beizubringen, indem wir diese populistischen Vorverurteilungen - die Flüchtlinge sind nur da, um uns auszunützen - in Frage stellen".

Zugleich weiß der Pfarrer: "Man empfindet die Flüchtlinge noch immer als eine Bedrohung." So wie Bettler daran erinnerten, dass man selbst schnell zum Außenseiter werden kann, so führten Flüchtlinge vor Augen, "dass unser Wohlstand und der Friede hier nicht so selbstverständlich sind".

Flüchtlinge verdeutlichen den Österreichern nach den Worten Glettlers, "dass die Welt in Bewegung geraten ist". Kurzfristig werde es kein Aufhalten der Migrationsströme geben können, es seien langfristige Strategien erforderlich. Der Pfarrer nannte hier den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, den die Regierung derzeit "leider sehr gering" bemesse. "Man müsste diese Zusammenarbeit in den Herkunftsländern verzehnfachen und besonders in den Bildungsbereich investieren, um die Perspektivenlosigkeit längerfristig abzufangen", ist Glettler überzeugt. Freilich: "Beginnt man jetzt damit, dann wird es sich frühestens in 15 Jahren auswirken."

UNHCR: Syrienkrise trifft Österreich kaum

2013 nahmen die Flüchtlingsströme deutlich zu, informierte Ruth Schöffl vom Wiener Büro des UN-Flüchtlingshochkommissariats. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten gebe es mehr als 50 Millionen Vertriebene weltweit - "ein sehr trauriger Rekord". Die nach Europa flüchtenden Menschen scheinen viele zu sein, "aber sie sind eigentlich proportional gesehen relativ wenige", so die frühere Mitarbeiterin der Caritas Wien.

Schöffl verwies auf die Syrienkrise: Bis heute seien nur 120.000 Menschen nach Europa geflohen, drei Millionen verblieben in den Nachbarländern rund um Syrien. Europa sei als reicher Kontinent zwar attraktiv, aber die meisten Flüchtlinge wollten im eigenen Kulturkreis bleiben.

Das erste österreichische Aufnahmeprogramm für syrische Flüchtlinge ist laut Schöffl beinahe abgeschlossen, das zweite angelaufen. Auch bei Flüchtlingen, die auf eigene Faust nach Österreich kommen und einen Asylantrag stellen, seien die Syrer mittlerweile auf Platz eins. "Die Fluchtbewegungen nach Österreich spielen sich aber zahlenmäßig auf einem relativ niedrigen Niveau ab", weiß die UNHCR-Expertin. Österreich billige fast allen Syrern Flüchtlingsstatus zu oder zumindest subsidiären Schutz: "Sie können dann in Österreich arbeiten."

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