Gewissensfrage: Lösegeld an Terroristen zahlen?

24. August 2014 in Weltkirche


Sollen Staaten oder auch christliche Hilfswerke Lösegeld für entführte Mitarbeiter an terroristische Organisationen zahlen, die dann damit Anschläge finanzieren?


Washington/Bern (kath.net/idea) Es ist eine Gewissensfrage: Sollen Staaten oder auch christliche Hilfswerke Lösegeld für entführte Mitarbeiter an terroristische Organisationen zahlen? Diese finanzieren damit Anschläge und Gräueltaten, denen „Andersgläubige“, etwa Christen, zum Opfer fallen.

Der Zeitung New York Times zufolge haben europäische Regierungen seit 2008 umgerechnet rund 94 Millionen Euro allein an das Terrornetzwerk El Kaida gezahlt. Dem US-Finanzministerium zufolge sollen Terroristen auf diese Weise im vorigen Jahr rund 50 Millionen Euro erpresst haben.

Großbritannien und die USA gehen grundsätzlich nicht auf Lösegeldforderungen ein. Das soll laut Medienberichten auch ein Grund gewesen sein, warum der US-amerikanische Fotojournalist James Foley von einem Kämpfer der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) im August vor laufender Kamera geköpft wurde. IS habe mehrere Millionen US-Dollar für Foley gefordert, den die Terrorgruppe vor zwei Jahren in Syrien entführt hatte.

Über das Thema Freikauf wird weithin Stillschweigen gewahrt, um weiteren Erpressungen vorzubeugen und Terroristen nicht zusätzliche Anreize zu geben, Ausländer zu entführen. Christliche Organisationen lehnen Lösegeldzahlungen ab. Aber aus staatlichen Kassen der Schweiz sollen Millionenbeträge für die Freilassung der christlichen Lehrerin Silvia Eberhardt an El Kaida geflossen sein. Sie war im März 2012 im Jemen entführt worden; knapp ein Jahr später kam sie überraschend frei. Angeblich hatten mit El Kaida verbündete Extremisten umgerechnet zwölf Millionen Euro gefordert. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) dementierte dies, doch die Schweizer Zeitung „Blick“ berichtete, dass bei der Landung eines Flugzeugs aus dem Emirat Katar, mit dem Eberhardt ausgeflogen wurde, laut Augenzeugen „säckeweise Bargeld“ ausgeladen worden seien.

Afghanistan: Zahlten Koreaner an Taliban?

Auch in anderen Fällen wird vermutet, dass für die Freilassung entführter Christen Lösegeld geflossen ist. So nahmen im Jahr 2007 die Taliban in Afghanistan 23 ehrenamtliche Mitarbeiter einer südkoreanischen presbyterianischen Kirchengemeinde in Geiselhaft. Diese wollten in einem Krankenhaus Aufbauhilfe leisten. Die Taliban forderten für die Geiseln die Freilassung inhaftierter Gesinnungsgenossen. Darauf ließ sich die Regierung in Kabul jedoch nicht ein. Die Taliban erschossen zwei Männer; zwei kranke Frauen wurden vorzeitig freigelassen. Die übrigen 19 Christen kamen nach 40 Tagen in Folge von Verhandlungen der südkoreanischen Regierung mit den Taliban frei. Die koreanische Zeitung Chosun Ilbo (Seoul) berichtete unter Berufung auf Aussagen eines Taliban-Kämpfers, die Geiselnehmer hätten 7,1 Millionen Euro für die Freilassung erhalten und damit unter anderem das Training von Selbstmordattentätern finanziert.

Lösegeld für deutsche Familie?

Im Jahr 2000 hatte die im Süden der Philippinen operierende islamistische Terrorgruppe Abu Sayyaf (Vater des Scharfrichters) 21 Urlauber als Geiseln genommen, darunter eine deutsche Familie. Die Geiselhaft von Werner, Renate und Marc Wallert aus Göttingen dauerte mehrere Monate, bis sie nach und nach freigelassen wurden. Auch dabei soll unbestätigten Berichten zufolge Lösegeld geflossen sein.

Nigeria: Verschleppte Mädchen freikaufen?

Vor kurzem hat der Sprecher der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) und EU-Abgeordnete Bernd Lucke (Winsen/Luhe) gefordert, die über 270 in Nigeria entführten, meist christlichen Schulmädchen freizukaufen. Sie befinden sich seit April in der Gewalt der islamischen Terrororganisation Boko Haram (Westliche Bildung ist Sünde). In einem Interview mit kath.net (Linz) sagte Lucke, zwar sei es schlimm, dass die Verbrecher dann von ihren Taten profitierten, und man müsse alles tun, um ihnen das Handwerk zu legen: „Aber was mit diesen Mädchen geschieht, ist ein so himmelschreiendes Unrecht, dass man unverzüglich dagegen einschreiten muss.“ Immerhin scheine Boko Haram käuflich zu sein.

Foto: (c) SIR


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