Wie soll die CDU/CSU auf die AfD reagieren?

16. September 2014 in Deutschland


idea-Umfrage: Abgeordnete sind unterschiedlicher Meinung


Wetzlar (kath.net/idea) Unterschiedlich haben CDU-Politiker auf den Erfolg der „Alternative für Deutschland“ (AfD) bei den Landtagswahlen am 14. September reagiert. Die AfD holte in Brandenburg 12,2 Prozent der Wählerstimmen und in Thüringen 10,6 Prozent. Ihre Wähler kamen von allen Parteien. Allerdings verlor vor allem die CDU zugunsten der AfD – sowohl im Freistaat als auch in Brandenburg jeweils 18.000 Stimmen. Was das für die CDU bedeutet, darüber gehen die Meinungen in der Union auseinander, wie eine Umfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) ergab. Der Bundestagsabgeordnete Frank Heinrich (Chemnitz) bezeichnete die AfD als „Herausforderung“ für die CDU und für alle anderen Parteien. Man tue gut daran, die neue Partei ernstzunehmen. Dass die AfD aber vor allem deshalb von ehemaligen CDU-Wählern profitiert habe, weil die Christdemokraten ihr konservatives Profil aufgegeben hätten, könne er nicht erkennen.

Heinrich: Für den Lebensschutz lassen wir uns sogar anschreien

Der Lebensschutz etwa sei seit jeher ein Thema der Union. „Und wir lassen uns dafür sogar anschreien“, erklärte Heinrich und verwies auf den jährlich in Berlin stattfindenden Marsch für das Leben, mit dem Christen gegen Abtreibung und Sterbehilfe demonstrieren. Jedes Mal seien Abgeordnete der Union dabei gewesen oder hätten wenigstens ein Grußwort geschickt. Auch das Wahlrecht für Kinder von Geburt an, das die AfD in ihrem Programm fordert, werde in der Union immer wieder debattiert. Allerdings sei hier vor allem die praktische Umsetzung schwierig, etwa wenn die Eltern getrennt lebten. Der Bundestagsabgeordnete Volkmar Klein (Siegen) sieht in der AfD keine Bedrohung für die CDU. Die Wahlergebnisse zeigten, dass die neue Partei aus allen politischen Lagern Stimmen abgezogen habe. Die CDU sei nach wie vor die richtige Partei für Menschen, denen wertkonservative Positionen wichtig seien: „Daran dürfen wir keinen Zweifel lassen.“ Die AfD hingegen sei und bleibe „eine Protestpartei“, so Klein. Er ist Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU in Nordrhein-Westfalen.

Selle: Von Beschimpfungen halte ich gar nichts

Der Thüringer CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Selle (Sondershausen) nannte die AfD eine „besondere Erscheinung“. Schließlich fänden sich unter den Gründern und in der Führung zahlreiche Leute, die durchaus Ansehen im Volk genössen. Von Beschimpfungen halte er daher gar nichts. Auch werde es die Union nicht durchhalten können, die AfD zu ignorieren oder sie nur mit spitzen Fingern anzufassen. Vielmehr sollte sie die Sorgen der Bürger ernst nehmen. So habe ihm kürzlich ein Bürger geklagt, er fühle sich vom Rechtsstaat im Stich gelassen. Die Polizei habe ihn nicht geschützt, obwohl er bedroht und in sein Haus eingebrochen worden sei. „So etwas darf uns nicht egal sein“, erklärte Selle. Dass eine Partei in Regierungsverantwortung, wie die CDU, manchmal Kompromisse eingehen müsse, sei klar. Trotzdem sollte die Union die ureigenen Positionen wieder verständlicher kommunizieren. Von einer Koalition mit der AfD zum gegenwärtigen Zeitpunkt hält Selle nichts, weil die neue Partei noch nicht gefestigt sei. Auf lange Sicht ausschließen wolle er sie aber auch nicht: „Schließlich haben wir auch über 30 Jahre für die Erkenntnis gebraucht, dass man mit den Grünen etwas machen kann.“

Berliner Kreis: Die Ausgrenzungspolitik gegenüber der AfD ist fehlgeschlagen

Einen Kurswechsel innerhalb der Union fordert der konservative Berliner Kreis. Die Strategie, die AfD zu ignorieren, sei fehlgeschlagen, erklärte der frühere CDU-Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag, Christean Wagner (Marburg). Es sei die Pflicht der Union, an die AfD verlorengegangene Wähler zurückzuholen. Dazu sei es nötig, sich mit den Themen der AfD genau auseinanderzusetzen und auf die konservativen Wähler zuzugehen. Eine Ausgrenzungspolitik gegenüber der AfD führe nur dazu, dass sich auch viele AfD-Wähler ausgegrenzt fühlten: „Wie sollen sie dann den Weg zurück in die Union finden?“ In einem dreiseitigen Manifest des Berliner Kreises heißt es dazu: „Die Union war immer dann stark, wenn sie sich bewusst war, dass sie eine christlich-soziale, eine liberale, aber eben auch eine konservative Wurzel hat – und wenn sie alle drei Wurzeln in gleicher Weise nicht nur rhetorisch, sondern auch politisch-praktisch gepflegt hat.“ Natürlich habe die AfD auch aus anderen Parteien Wähler gewonnen: „Aber wenn sich eine Kraft rechts der Mitte neu positioniert, dann ist das weniger ein Problem der Linkspartei oder von Bündnis 90/Die Grünen – das ist eine besondere Herausforderung für CDU und CSU.“ Die Union müsse fortan eine Politik betreiben, die verhindere, dass die AfD Erbe des konservativen Flügels der Union werde. Ziel des Berliner Kreises ist es, der „Entprofilierung“ der Partei entgegenzuwirken.


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