Auferstehung und Verwandlung

26. September 2014 in Spirituelles


Ich würde meinen akademischen Titel, der mich viel Mühe gekostet hat, gern für den „Köhlerglauben“ einer alten Frau aus meiner Kindheit hingeben: „Keine Angst vor dem Sterben. Unser Herr Jesus wird das schon machen“ - Vom Michael Schneider-Flagmeyer


Köln (kath.net/Forum Deutscher Katholiken) „Die Umgestaltung in Christus“ heißt eines der wichtigsten geistlichen Bücher des 20. Jahrhunderts. Es wurde geschrieben von dem großen Philosophen Dietrich von Hildebrand, der einmal als Kirchenlehrer des 2o. Jahrhunderts bezeichnet wurde. Hier nimmt von Hildebrand den Leser an die Hand, um ihm zu zeigen, dass das Leben in und mit Christus zum Ziel, der ewigen Gemeinschaft mit Gott, führt.

In seiner morgendlichen Predigt am 19. September 2014 hat Papst Franziskus sich mit der Stelle aus dem Korintherbrief (1. Kor 15,12-20) auseinandergesetzt, in der der heilige Paulus den Korinthern ihren defizitären Glauben an die Auferstehung zurechtrückt. Die Korinther glaubten nämlich wohl an die Auferstehung Christi aber nicht an die allgemeine christliche Auferstehung von den Toten.

Der Papst sagte, dass heute noch diese Schwierigkeiten (wieder zunehmend) auch unter den Christen bestehen: „Wenn Christus von den Toten auferstanden ist, werden auch die Toten auferstehen. Es ist ein Widerstand gegenüber der Verwandlung, der Widerstand dagegen, dass uns der Heilige Geist, den wir in der Taufe empfangen haben, bis zum Ende, bis zur Auferstehung verwandeln wird…Keiner von uns sagt: ‚Ich werde wie Christus auferstehen‘: nein. Auch uns fällt es schwer, das zu verstehen“, kath.net hat berichtet.

Nun, Widerstände werden auch oft aus Angst geboren. Wir fürchten uns vor der Verwandlung in der bangen Frage: Was wird da mit uns geschehen? Wir erinnern uns, dass die Jüngerinnen und Jünger Mühe hatten, den auferstandenen Herrn zu erkennen und ihn erst an seinen Worten und Taten erkannten und vor allem, weil er sich zu erkennen gab.

Was ist also die Verwandlung im Tode und was wird mit uns geschehen?

Der Apostel Johannes schreibt in seinem ersten Brief (1 Joh. 2-3): „Liebe Brüder jetzt sind wir Kinder Gottes. Aber was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Jeder, der dies von ihm erhofft, heiligt sich, so wie Er heilig ist.“

Johannes verweist uns auf die Kraft der Hoffnung. Unsere Hoffnung wird geboren aus dem Vertrauen. Die ganze Kirche ist gebaut auf Vertrauen (auf den Herrn), wie Mutter Angelica immer wieder auf EWTN sagte. Jesus ermuntert und ermutigt jeden von uns zu diesem Vertrauen, in dem er den Barmherzigkeitsrosenkranz, offenbart der heiligen Faustyna von Krakau, mit der Aussage enden läßt: „Jesus, ich vertrau auf Dich!“ Es ist Bekenntnis und Bitte. „Ich vertraue Herr, hilf meinem Misstrauen.“

Diese Überlegungen haben mich zurückgeführt in meine protestantische Kinderzeit. Am Heiligen Abend versammelten wir fünf Kinder uns mit den Großeltern um 17:00 Uhr im Esszimmer und schauten alle gespannt auf die Tür zum Wohnzimmer, das das Weihnachtszimmer war, und warteten gespannt auf das Glockenzeichen mit dem unsere Eltern das Lied anstimmten:

„Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all,
zur Krippe her kommet in Bethlehems Stall
und seht was in dieser hochheiligen Nacht
der Vater im Himmel für Freude uns macht.“

Dann durften wir eintreten. Die Kerzen am Christbaum brannten und die Geschenktische waren mit weißen Tischtüchern zugedeckt. Was mochte sich wohl darunter alles verbergen? Wenn das Lied mit allen seinen Strophen gesungen war, las mein Vater die Weihnachtsgeschichte nach Lukas. Es wurden dann noch einige der schönen Weihnachtslieder gesungen und wir Kinder sagten ein Gedicht auf oder trugen etwas auf dem Klavier, der Geige oder der Flöte vor. Und dann kam die Bescherung und jedes der Kinder und der Erwachsenen wurde von Vater oder Mutter an seinen Platz geführt.

Was ist nun das größte der Geschenke auf dem himmlischen Gabentisch, wenn wir denn an unserem endgültigen „Weihnachtsabend“ eintreten dürfen?

Zu meiner Großmutter Schneider kam immer eine alte Frau. Sie hieß Anna Witte und gehörte einer Freikirche an. Sie konnte kein Hochdeutsch sprechen, nur Wuppertaler (Elberfelder) Platt. Sie pflegte immer zu sagen: „Ik häv keene Angst vörm Sterwen. Usen Herr Jesus wird dat schon maken.“ (Ich habe keine Angst vor dem Sterben. Unser Herr Jesus wird das schon machen). Meine Großmutter sagte: „Anna Witte hat einen Köhlerglauben.“

Ich würde gerne meinen akademischen Titel, der mich viel Mühe gekostet hat, für solch einen „Köhlerglauben“ hingeben. Und so starb „dat Annaken“ auch: die gotteskindlichen Augen fest auf die Tür zum Weihnachtszimmer, sprich zum Tor des Himmels gerichtet, um das Weihnachtsglöckchen – Papst Franziskus spricht gemäß der Schrift von der Posaune des Erzengels – zu hören und die Stimme des Herrn: „Tritt ein, du Gesegnete meines Vater, dir ist das Reich von Anfang an bereitet.“ Über Verwandlung dachte die alte Frau nicht nach. Sie überließ alles im absoluten Vertrauen dem Herrn.

Nun sprach der Papst in seiner Predigt vom Widerstand gegen die Verwandlung. Was wird dann mit mir geschehen? Der Papst sprach vom Widerstand dagegen, dass uns der Heilige Geist, wenn wir uns auf ihn einlassen, auf unserem Weg zum Vaterhaus verwandeln wird. Und hier sprach er eine sehr verbreitete Haltung der Christen an, die auch vom Standpunkt der Nichtglaubenden oder nur schwach Glaubenden verständlich ist: die Angst davor, was mit all den Krücken, den Kompensationen geschehen wird, die wir uns so mühsam aufgebaut haben, um leben zu können? Wenn ich ernst mache und den Heiligen Geist einlade, wird er mir nicht all das nehmen? Er wird! Aber wenn der Heilige Geist etwas nimmt, dann gibt er etwas viel Größeres und Besseres dafür, damit wir „das Leben in Fülle haben.” Unser Leib wird im Grabe zu Staub verwesen und trotzdem werden wir, wie Hiob sagt, Gott mit unseren leiblichen Augen doch schauen. Wir werden ihn sehen, wie er ist, wie Johannes in seinem ersten Brief sagt. Aber dafür brauchen wir die Verwandlung; denn unsere irdischen Augen sind nicht dafür gemacht, sie sind zu klein. Und die Verwandlung beginnt, wie der heilige Paulus immer wieder sagt, im Hier und Jetzt, im täglichen Sterben und Auferstehen an der Hand Christi. Immer wieder dürfen wir unserer Schwachheit und unserer Sünden sterben und sie in die Hände des Herrn legen und damit täglich neu auferstehen. Das ganze Leben an der Hand Christi ist eine immer währende Verwandlung, die uns vorbereitet auf die letzte endgültige Verwandlung. Und nur auf diesem Weg verliert der Mensch seine aus Angst geborenen Widerstände, denn je höher wir den steilen Berg hinaufklimmen, umso schöner wird die Aussicht.

Die Heilige Schrift sagt uns sogar in einem kleinen Ausblick, wie der in Verklärung verwandelte Leib sein wird. Wir werden sein wie die Engel und nicht mehr in die Ehe gegeben werden, sagt Jesus auf die Frage, welchem Partner die vielfach verheiratete Frau im Himmel gehören wird. Wir sind, wie unsere Totenliturgie sagt, im Tode Christus gleich geworden. Wir sind Miterben mit Christus. Sind wir Miterben, werden wir auch an seiner Königsherrschaft teilhaben. Wie das alles sein wird, brauchen wir nicht zu wissen; denn „kein Ohr hat je vernommen und kein Auge gesehen die Herrlichkeit, die Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben.” Seien wir wie die Kinder vor der Weihnachtstür, voll Vorfreude auf den Gabentisch, der uns erwartet und auf dem die größte Gabe liegt: die Verwandlung in den christusähnlichen Menschen, dessen verklärter Leib nun von Angesicht zu Angesicht schauen darf, was er geglaubt hat.

Aber seien wir auch der Worte des heiligen Paulus eingedenk: „Wirkt euer Heil mit Zittern!”. Das heißt, dass wir die steile und enge Straße nach oben an der Hand Christ gehen sollen, der uns in unserem Fallen immer wieder tagtäglich hält und aufrichtet, bis wir durch die „Weihnachtstür”, das geöffneten Tor des Himmels eintreten dürfen.

„Drum will ich zwar nun treiben mein Wesen durch die Welt.
Doch denk ich nicht zu bleiben in diesem armen Zelt.
Ich wandre meine Straßen, die mich zur Heimat führt,
wo mich ohn’ alle Maßen mein Vater trösten wird.” (Paul Gerhardt)




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