Das Gesetz und der Gott der Überraschungen

13. Oktober 2014 in Aktuelles


Franziskus-Perle des Tages: Wider die Verschlossenheit in wohlgeordneten Systemen. Das Gesetz ist kein Selbstzweck, sondern Träger der Pädagogik, die zur endgültigen Begegnung mit Jesus Christus, dem Menschensohn, führt. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Diese Generation ist böse. Sie fordert ein Zeichen; aber es wird ihr kein anderes gegeben werden als das Zeichen des Jona“ (Lk 11,29). Papst Franziskus ging in seiner Predigt bei der heiligen Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ am Montag der 28. Woche im Jahreskreis vom Tagesevangelium aus (Lk 11,29-32) und beschäftigte sich mit dem Thema der „Überraschungen Gottes“. Es komme oft vor, dass die Gesetzeslehrer Jesus um ein Zeichen bäten. Er aber antworte, dass sie nicht fähig seien, die Zeichen der Zeit zu sehen:

„Warum verstanden diese Gesetzeslehrer die Zeichen der Zeit nicht und forderten ein außerordentliches Zeichen (Jesus hat es ihnen später gegeben), warum begriffen sie nicht? Vor allem weil sie verschlossen waren. Sie waren verschlossen in ihrem System, sie hatten das Gesetz sehr gut in eine Ordnung gebracht, ein Meisterwerk. Alle Juden wussten, was sie tun konnten, was sie nicht tun durften, bis zu welchem Punkt man gehen konnte. Alles hatte seine Ordnung. Und dort waren sie sicher“.

Für sie habe es sich bei dem, was Jesus getan habe, um „merkwürdige Dinge“ gehandelt: „mit den Sündern gehen, mit den Zöllnern essen“. Das habe ihnen nicht gefallen: „das war gefährlich. Die Lehre war in Gefahr, jene Lehre des Gesetzes, die sie, die Theologen, in den Jahrhunderten hervorgebracht hatten“. Franziskus billigte zu, dass sie dies aus Liebe getan hätten, um Gott treu zu sein. Doch: „sie waren dort verschlossen, sie hatten einfach die Geschichte vergessen. Sie hatten vergessen, dass Gott zwar der Gott des Gesetzes ist, aber ebenso der Gott der Überraschungen“. Auch sein Volk habe Gott viele Male überrascht, zum Beispiel, als er es aus der Knechtschaft in Ägypten gerettet habe.

„Sie verstanden nicht“, so der Papst, „dass Gott der Gott der Überraschungen ist, dass Gott immer neu ist. Nie verleugnet er sich selbst, nie sagt er, dass das, was er gesagt hatte, falsch war, nie, doch er überrascht uns immer. Und sie begriffen nicht und verschlossen sich in jenes mit viel gutem Willen geschaffene System und forderten von Jesus: ‚Vorwärts, wirke ein Zeichen!’. Und sie verstanden die vielen Zeichen nicht, die Jesus wirkte und die anzeigten, dass die Zeiten reif waren. Verschlossenheit! Zweitens: sie hatten vergessen, dass sie ein Volk waren, das unterwegs ist. Unterwegs! Und wenn man losgeht, wenn einer unterwegs ist, findet er immer neue Dinge, Dinge, die er nicht kannte“.

Dabei sei ein Weg nichts Absolutes an sich, sondern immer Weg „hin zur endgültigen Offenbarwerdung des Herrn. Das Leben ist ein Weg hin zur Fülle Jesu Christi, wenn er das zweite Mal kommen wird“.

Diese Generation suche ein Zeichen, „aber es wird ihr kein anderes gegeben werden als das Zeichen des Jona“, das heißt „das Zeichen der Auferstehung, der Herrlichkeit, jener Eschatologie, zu der wir unterwegs sind“. Und diese Gesetzeslehrer „waren verschlossen in sich selbst, nicht offen für den Gott der Überraschungen, sie kannten den Weg nicht und ebenso wenig diese Eschatologie“. Als dann Jesus vor dem Hohen Rat erkläre, dass er der Sohn Gottes sei, „zerreißen sie sich die Kleider, sie entrüsten sich, indem sie erklären, dass er fluche“. Das Zeichen, das Jesus ihnen gegeben habe, „war ein Fluch“. Und aus diesem Grund nenne sie Jesus „die böse Generation“.

Jene Leute hätten nicht verstanden, „dass das Gesetz, das sie behüteten und liebten, eine Pädagogik war, die hin zu Jesus führte. Wenn das Gesetz nicht zu Jesus Christus führt, dann kommt es Jesus Christus nicht nahe, es ist tot. Und deshalb tadelt sie Jesus, verschlossen zu sein, unfähig, die Zeichen der Zeit zu erkennen, nicht für den Gott der Überraschungen offen zu sein“:

„Und das muss uns zu denken geben: bin ich in meinen Dingen verfangen, in meinen Ideen, verschlossen? Oder bin ich für den Gott der Überraschungen offen? Bin ich ein Mensch, der stillsteht, oder bin ich einer, der geht? Glaube ich an Jesus Christus – an Jesus, an das, was er getan hat: dass er gestorben und auferstanden ist und damit diese Geschichte ihr Ende hat – oder glaube ich, dass der Weg weitergeht hin zur Reife, hin zur Offenbarwerdung der Herrlichkeit des Herrn? Bin ich fähig, die Zeichen der Zeit zu verstehen und der Stimme des Herrn treu zu sein, die sich in ihnen zeigt? Heute können wir uns diese Fragen stellen und den Herrn um ein Herz bitten, das das Gesetz liebt, weil das Gesetz von Gott stammt; um ein Herz, das auch die Überraschungen Gottes liebt und welches darum weiß, dass dieses heilige Gesetz kein Selbstzweck ist“.

Das Gesetz „ist Gesetz unterwegs“, so der Papst abschließend, „es ist eine Pädagogik, die uns zu Jesus Christus führt, zur endgültigen Begegnung, bei der da dieses großen Zeichen des Menschensohnes sein wird“.


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