Ist der Kirchgang ein Glücksfaktor?

19. Oktober 2014 in Chronik


Theologe sieht keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Glaube und Glück


Bonn/Schömberg (kath.net/idea) Die Deutschen sind dort am glücklichsten, wo der Gottesdienstbesuch statistisch betrachtet am geringsten ist. Das ergibt ein Vergleich des aktuellen „Deutschen Glücksatlas“ und der jüngsten EKD-Statistik. Der Glücksatlas wurde von der Deutschen Post in Auftrag gegeben. Danach liegt der deutschlandweite durchschnittliche Glücksindex derzeit bei 7,0 – und damit etwa auf gleicher Höhe, wie in den Vorjahren. Am glücklichsten sind die Norddeutschen. An der Spitze rangiert mit einem Index von 7,30 Schleswig-Holstein, gefolgt von Hamburg mit 7,18 und Niedersachsen mit 7,15. Gerade in diesen Bundesländern ist der durchschnittliche Gottesdienstbesuch am geringsten. In der Nordkirche gehen 2,5 Prozent der Kirchenmitglieder an einem normalen Sonntag in die Kirche; nur in Bremen und Oldenburg sind es mit jeweils 2,4 Prozent noch weniger. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Gottesdienstbesuch in der EKD-Mitgliedskirchen liegt bei 3,6 Prozent. Am höchsten ist er mit 6,8 Prozent in der sächsischen Landeskirche. Aber in dieser Region gehören die Bürger mit einem Glücksindex von 6,76 zu den Unzufriedensten. Nur in Thüringen (6,71), Mecklenburg-Vorpommern (6,67), Sachsen-Anhalt (6,64) und Brandenburg (6,60) ist die Lebenszufriedenheit noch geringer. In den östlichen Bundesländern gehören lediglich 15 Prozent der Bevölkerung einer Kirche an.

Theologe: Der Glaube schenkt Zuversicht, aber ...

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem christlichen Glauben und der Lebenszufriedenheit? Keinen unmittelbaren, meint der Theologe und Religionsphilosoph Prof. Heinzpeter Hempelmann (Schömberg/Schwarzwald). Wie er auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea sagte, schenkt der christliche Glaube ein hohes Maß an Geborgenheit und Lebensgewissheit.

Das seien aber nur zwei Aspekte von Glück. Auch Stress wirke sich beispielsweise nachhaltig auf die Lebenszufriedenheit aus. Und der sei bei Christen mitunter deutlich höher, weil sie sich die Grundfrage stellten: Wie lebe ich richtig? Hempelmann: „Wenn Christen etwa in einer Ehekrise sind, lassen sie sich eben nicht ohne weiteres scheiden, weil sie wissen, dass es nicht richtig ist.“ Ähnliches gelte für andere zwischenmenschliche Beziehungen oder die Erziehung der eigenen Kinder. „Das alles führt zu sozialem Stress“, erklärt der Theologe. Hinzu komme, dass Christen sich in einer Zeit vieler Wahrheiten oft für ihren Glauben rechtfertigen müssten. Auch das trage nicht zur Lebenszufriedenheit bei. Der christliche Glaube gebe Zuversicht und Halt, bringe aber immer wieder auch Situationen mit sich, in denen man Vertrautes loslassen müsse. Hempelmann: „Es wäre deshalb auf jeden Fall verkehrt zu sagen: Werdet Christen, dann habt ihr es einfacher und lebt glücklicher.“


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