Letzte Dienstanweisung an einen Unterteufel

15. Oktober 2014 in Kommentar


Zur Debatte über kirchliche Lehre und selbstbestimmtes Leben in der Synodenaula – Voraussichtlich zum letzten Mal gelang eine Dienstanweisung für einen Unterteufel in meine Hände. Eine KATH.NET-Glosse der besonderen Art von Helmut Müller


Koblenz (kath.net) Kurz nach dem Empfang dieser Dienstanweisung (vom 13. 10. 2014) wurde mein Informant enttarnt. Es wird wohl die letzte Post aus der Unterwelt gewesen sein, die ich abfangen konnte. Ich bedauere es sehr, dass mir nun keine unterirdischen Ansichten mehr bekannt werden, die zeigen, wie versucht wird, kirchliches Leben zu beeinflussen.


Mein lieber Wormwood,

wie es schon beim letzten Konzil auch ein Konzil der Presse gegeben hat, so gibt es auch bei der nun laufenden Synode, eine Synode der Medien. Wenn Du Dir so einige Wünsche, Einschätzungen, Kommentare von Bischöfen, die nicht teilnehmen, aber auch von denen die teilnehmen, auch anderer gewöhnlicher Sterblicher, ob Katholik oder Nichtkatholik, anhörst, wirst Du bemerken, dass sie sich zu unserer großen Freude nach links und rechts orientieren, das Richtige zweifelhaft wird und gleichrangig unter das Falsche gerät. Schau zu, dass die Rede sich weitgehend von jeder Sachlichkeit löst und sie nur einen Konsens in Rede und Gegenrede suchen. Der Konsens sollte das Richtige dann möglichst verfehlen. Leid und Freude an ehelichem und familiärem Leben, seinen Brüchen, Formen und Beanspruchungen sollten nebensächlich bleiben, aber das Gerede darüber sich verselbständigen. Sie starren förmlich auf die große Kluft zwischen Leben und Lehre. Und der Druck ist gewaltig, die Lehre an das Leben anzupassen. Dir ist also klar, dass in keinem Fall die eigentliche Sache getroffen werden sollte, sondern alles in Rede und Gegenrede vernebelt wird.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich Dich ausdrücklich loben. Ich hab mir ins Fäustchen gelacht, wie es Dir gelungen ist, selbst die Worte des Papstes so galant zu verdrehen, dass die Synode der Medien in Deutschland etwas anderes berichtete als alle anderen Medien. In Deutschland konnte man der Meinung sein, dass der Papst zu Beginn der Synode gesagt habe, der Geist schenke uns eine Weisheit, die über die Lehre hinausgehen möge, während bloß gemeint war, der Geist schenke uns eine Weisheit, die über das reine Wissen hinausgehe. So was liebe ich. Das ist unser Rauch im Hause Gottes, vor dem Paul VI. so erschrocken war. Klar, das war nur ein kleines Schwefelwölkchen unter all dem Weihrauch. Aber die Synode hatte ja gerade erst begonnen. Keine Agentur hat die Meldung widerrufen, nur die üblichen Verdächtigen aus Linz und Würzburg haben`s bemerkt, bzw. gleich richtig übersetzt. Alle sind damit beschäftigt sich links und rechts zu orientieren: Was sagt der, was sagt jener. Sie schauen dem Volk aufs Maul und den Demoskopen auf ihre Statistiken. Was steht in der Zeitung? Wer talkt abends über was, mit wem, in welcher Sendung im Fernsehen? Wieviel Likes gibt es in Facebook, was wird wie oft getwittert?

Das heißt für uns: Was schwirrt und schwärmt in ihren Köpfen? Sie sagen, dort säße ihre Vernunft. Alles, was bis dorthin vordringt, sei objektiv und in je mehr Köpfen alles bewegt wird, umso vernünftiger, heutiger, lebenswirklicher, zeitgemäßer, sachlicher, objektiver und demokratischer sei es. Arbeite weiter daran, dass Wahrheit sich immer mehr von der Sache ablöst und zum Durchschnittsgebräu der Meinungen wird. Dann wird mit Sicherheit die Lebenswirklichkeit getroffen, und betroffen gelassen wie sie ist, hoffentlich nicht verändert. Die Lehre sollte so als unflexibel und starr, nicht auf heutiges Leben passend, verabschiedet werden.

Der starke naturrechtliche Ansatz in Instrumentum laboris ist mir ein Dorn im Auge. Bring sie davon ab nach dem von Natur her Richtigen zu fragen und wende ihren Blick – und das ist ja nicht sonderlich schwer – nach heutigen Lebenswirklichkeiten. So, als seien Sexualität und Familie wie ein Meteor erst vor ein paar Jahren aus dem All auf der Erde aufgeschlagen. Beim Aufprall sei alles in so viele Lebenswirklichkeiten zerplatzt, dass man keine „diskriminieren“ dürfe. Verwässere die Einsicht schon des hl. Thomas, dass ohne ein Allgemeines an Einzelnem gar keine Wissenschaft möglich wäre. Die Sexualität von Meereschildkröten ohne Brutpflege, die von Schnecken als Zwitter und Seepferdchen, bei denen auch Männchen schwanger werden, sollte doch wirklich irgendwann auch für Menschen wählbar sein. Das von Natur her Richtige für diese Arten sollte auch für die „Krone der Schöpfung“ zur Disposition stehen. Das kannst Du sogar mit – zugegeben schiefen - Schöpfungstheologie begründen. Warum sollte das „Ebenbild Gottes“ nicht auch die Phantasie des Schöpfers im Hinblick auf alle Variationen der Sexualität im Reich des Lebendigen nachahmen dürfen? Die Phantasie des Schöpfers in Bezug auf alle Arten sollte auch Vorbild für die eigene Art sein, sodass man sich aus dem reichen Panoptikum der sexuellen Varianten die eigene wählt. Familie – wenn noch überhaupt - definiert sich dann nach der gewählten sexuellen Variante von selbst. Allgemeinheiten zu behaupten oder nach dem von Natur her Richtigen für menschliche Sexualität und Familie zu fragen, sollte als kirchliche oder kulturelle Gängelung oder Zwang abgetan werden. Es gibt ja schon ganz intelligente Varianten, das Naturrecht auszuhebeln und als Menschenrechte ganz anders zu definieren.

Das geht so: Verstärke, was eh schon die meisten denken: Das Naturrecht sei starr und ein alter Hut. Wenn das nicht überzeugt, sollte seine Überfrachtung in der Vergangenheit auch als einziges Modell für die Gegenwart zur Wahl stehen. Ein fortschrittlicher Geist wird dann keinen Gedanken mehr daran verschwenden. Oder mäkele an seiner Ungeschichtlichkeit herum. Und so sieht die Wende aus: Benutz seine Argumentationsfigur noch einmal: Lege dein Augenmerk auf das der Spezies Mensch von Natur her zukommende Recht: Das ist die Freiheit. Sonst sollte nichts aus dem Naturrecht abgeleitet werden können. Aber auch wirklich gar nichts. Dann ist das Naturrecht verabschiedet und wir sind bei den Menschenrechten. Und auch da darfst Du nichts anderes stark werden lassen als eben die Freiheit. Freiheit so absolut begriffen, ist die Verwirklichung der biblischen Versuchung. Verdrehe das „nach dem Bilde Gottes geschaffen“ in „wie Gott sein“.

Dann sind wir bei unserem alten Projekt angekommen, das wir seit Anbeginn verfolgen und mit dem wir immer wieder große Erfolge feiern, nach dem Motto: „Ihr werdet sein wie Gott.“ Du weißt: Der Baum in der Mitte des Gartens steht für die Grenze der Selbstgesetzgebung des Menschen. Alles darf der Mensch, schalten und walten im weiten Erdkreis um den Baum herum. In der biblischen Geschichte erscheint dies als ein Mini-Gebötchen, an dem aber das Wohl und Wehe des ganzen Geschlechts dieser Halbgeister hängt: Nur von der Frucht dieses einzigen Baumes nicht essen zu dürfen. Eigentlich sollte dies bloß eine simple Erinnerung daran sein, dass sie sich diese herrliche Welt nicht selbst verdanken. Der Baum in der Mitte des Gartens sollte Zeichen sein, dass alles um den Baum herum Geschenk ist, selbst die Fähigkeit zur Selbstgesetzgebung. Die paradiesische Welt war folglich nur an die Befolgung eines einzigen Gesetzes, eines einzigen Nomos, gebunden: material, nicht von dieser Frucht zu essen, formal den Willen Gottes in dieser wirklich simplen Anforderung zu befolgen.

Wie es dann weiter ging, weißt Du. Die Freiheit, die er ihnen geschenkt hatte, stieg ihnen zu Kopf, als sie von uns hörten: „Ihr werdet sein wie Gott“. Mit dem Griff nach dieser eigentlich harmlosen Frucht wurde sie im Handumdrehen vergiftet. Sie wurde zur Droge. Wer in sie hineinbeißt halluziniert. Er glaubt wie Gott zu sein: Gut und Böse nicht nur zu erkennen, sondern auch zu bestimmen, ohne vorher Maß zu nehmen außer an sich selbst. Das entspricht der neuzeitlichen Wende vom herkünftig begriffenen Naturrecht zum selbst deklarierten Menschenrecht. Klar, der Allmächtige, ließ sich von diesen Halbgeistern zum Affen machen, was keiner von uns versteht. Er nahm ihnen die Freiheit nicht und gab ihnen noch einmal ein zweites Gesetz, einen zweiten Nomos, den Dekalog. Aufgrund des entstandenen Schadens, den sie durch die Nichtbeachtung des ersten Nomos angerichtet haben, mussten die Anweisungen ausführlicher werden. Nun wir waren nicht untätig. Es hat wenig genutzt. Ja und dann geschah, was keiner von uns auch nur im Traum geahnt hatte: Er nahm selbst die Gestalt dieser Erdlinge an und hat uns damit wirklich in die Enge getrieben. Unbegreiflicherweise hat er aber immer noch nicht davon Abstand genommen ihnen ihre Freiheit nicht zu nehmen. Das verstehe wer will. Uns soll es recht sein.

So, jetzt bin ich wieder grundsätzlich geworden. Es schadet nichts, wenn ich Dir das hin und wieder einschärfe, dass Du selbst zu strategischem Denken und Handeln in die Lage versetzt wirst. Wenn also die alten Säcke in Rom, man kann sie nicht oft genug so nennen, in einer Zeit, in der immer mehr Leute, die noch grün hinter den Ohren sind, in politische Ämter gehieft werden, mit instrumentum laboris, das Naturrecht wieder ausgekramt haben, solltet ihr es so galant, wie angedeutet, in Menschenrechte umwandeln. Im Synodenzwischenbericht ist ja erfreulicherweise nicht viel davon übrig geblieben. Menschenrechte haben nicht diesen üblen Geruch von wo anders her zu sein, ein Richtmaß zu sein, das nicht gänzlich selbstbestimmt ist.

Jetzt noch das Ganze auf den Fingernagel: Weg von dem von Natur her Richtigen zum vom Menschen (so wie er sich neuerdings begreift) her Richtigen. Das ist der sicherste Weg beim von Natur her Falschen zu landen.

Los jetzt in die Synodenaula, die Pressezentren, auf Facebook, Twitter, über WhatsApp, in die Talkshows und erzeugt ein Meinungsklima, das einen Konsens fern jeder Sachlichkeit herstellt, sich in der schieren Menge der Ansichten und der gefühlten richtigen Lebenswirklichkeit suhlt .

Dein Dich liebender Oheim

Screwtape

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