«Die Kirche ist ein Haus mit stets offenen Türen»

19. Oktober 2014 in Familie


Botschaft der Bischofssynode an die Familien der Welt


Vatikan (kath.net/KNA) Zum Abschluss ihrer außerordentlichen Synode zum Thema «Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung» haben die in Rom versammelten Bischöfe am Samstag eine Botschaft verabschiedet. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) veröffentlicht den Text in einer eigenen Übersetzung.

Botschaft

Wir Synodenväter, die sich in Rom um Papst Franziskus zur außerordentlichen Bischofssynode versammelt haben, wenden uns an alle Familien auf den verschiedenen Kontinenten und besonders an jene, die Christus folgen, dem Weg der Wahrheit und dem Leben. Wir bekunden unsere Bewunderung und Dank gegenüber dem täglichen Zeugnis, das ihr uns und der Welt mit eurer Treue, eurem Glauben, eurer Hoffnung und eurer Liebe schenkt.

Auch wir, Hirten der Kirche, sind in einer Familie geboren und aufgewachsen, mit den unterschiedlichsten Geschichten und Begebenheiten. Als Priester und Bischöfe sind wir Familien begegnet und haben an ihrer Seite gelebt, die uns mit eigenen Worten und durch ihre Taten von vielerlei Schönheit aber auch von Mühen berichtet haben.

Die Vorbereitung dieser Synodenversammlung hat uns ausgehend von den Antworten auf die an alle Kirchen der Welt versandten Fragebögen erlaubt, die Stimmen zahlreicher Erfahrungen in der Familie zu vernehmen. Das Gespräch in den Tagen der Synode hat uns dann gegenseitig bereichert und uns geholfen, auf die ganze lebendige und vielschichtige Wirklichkeit zu schauen, in der die Familien leben.

Euch bieten wir die Worte Christi an: «Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir.» (Offb 3,20). Wie Jesus während seiner Wanderung auf den Straßen des Heiligen Landes gewöhnlich in die Häuser der Ortschaften eintrat, so wandelt er auch heute weiterhin auf den Wegen durch unsere Städte. In euren Häusern gibt es Licht und Schatten, begeisternde Herausforderungen, manchmal aber auch dramatische Prüfungen. Die Finsternis wird noch stärker bis hin zur Dunkelheit, wenn das Böse und die Sünde in das Herz der Familie eindringt.

Es gibt vor allem die große Herausforderung der ehelichen Treue. Das Leben der Familie ist gekennzeichnet durch eine Schwächung des Glaubens und der Werte, den Individualismus, eine Verarmung der Beziehungen und einen hektischen Stress, der nicht zum Nachdenken kommen lässt.

So kommt es zu nicht wenige Ehekrisen, die oft überhastet und ohne den Mut zur Geduld, zur Prüfung, zum gegenseitigen Verzeihen, zur Versöhnung und auch zum Opfer angegangen werden. Scheitern führt auf diese Weise zu neuen Beziehungen, neuen Paarbildungen, neuen Vereinigungen und neuen Eheschließungen. Dies bringt Familiensituationen hervor, die komplex sind und Christen vor problematische Entscheidungen stellen.

Unter diesen Herausforderungen möchten wir auch die Mühen des Lebens selbst erwähnen. Denken wir an die Leiden, die ein Kind mit Behinderungen, eine schwere Krankheit, der geistige Verfall im Alter oder der Tod eines lieben Menschen bedeuten können. Die großherzige Treue vieler Familien ist bewundernswert, die diese Prüfungen mit Mut, Glauben und Liebe leben, indem sie diese nicht als eine Bürde ansehen, die ihnen auferlegt wird, sondern als etwas, was ihnen gegeben wird, und bei dem sie selbst geben, indem sie den leidenden Christus in jenem kranken Leib sehen.

Denken wir an die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die durch pervertierte Systeme hervorgerufen werden, durch den «Fetischismus des Geldes und in der Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht und ohne ein wirklich menschliches Ziel» (Evangelii gaudium, 55), die die Würde der Menschen verletzt. Denken wir an die Väter oder Mütter die arbeitslos sind, machtlos gegenüber den Grundbedürfnissen ihrer Familien und an die Jugendlichen, die vor einer leeren und perspektivlosen Zukunft stehen und Opfer der Verirrungen von Drogen und Gewalt werden können.

Denken wir auch an die unzähligen armen Familien, an jene die sich an eine Schiffsplanke klammern, um ein Ziel zum Überleben zu erreichen, an die Flüchtlingsfamilien, die ohne Hoffnung in den Wüsten umherziehen, an jene die allein aufgrund ihres Glaubens und ihrer geistlichen und menschlichen Werte verfolgt werden, an jene die von der Brutalität der Kriege und der Unterdrückung getroffen werden. Denken wir an die Frauen, die Gewalt erfahren und der Ausbeutung unterworfen werden, an den Menschenhandel, an die Kinder und Jugendlichen, die Opfer des Missbrauchs werden, und schließlich an jene, die sie eigentlich schützen und im Vertrauen erziehen sollten, und an die Mitglieder vieler Familien, die gedemütigt werden oder in Schwierigkeiten sind. «Die Kultur des Wohlstands betäubt uns (...), während alle diese wegen fehlender Möglichkeiten unterdrückten Leben uns wie ein bloßes Schauspiel erscheinen, das uns in keiner Weise erschüttert.» (Evangelii gaudium, 54). Wir rufen die Regierungen und internationalen Organisationen dazu auf, die Rechte der Familie für das Gemeinwohl zu fördern.

Christus hat gewollt, dass die Kirche ein Haus mit einer stets offenen, einladenden Tür ist, ohne irgendjemanden auszuschließen. Wir sind deshalb den Hirten, den Gläubigen und den Gemeinschaften dankbar, die Beistand leisten und sich um die inneren und gesellschaftlichen Wunden der Paare und Familien sorgen.

Es gibt aber auch Licht, das bei Nacht hinter den Fenstern der Häuser in den Städten aufscheint, in den einfachen Behausungen der Randbezirke oder in den Dörfern, ja sogar in den Hütten: Es leuchtet und wärmt Leib und Seele. Dieses Licht, im Eheleben der Paare, entzündet mit der Begegnung: Es ist ein Geschenk, eine Gnade, die zum Ausdruck kommt - wie die Genesis sagt (2,18) - wenn sich beide in die Augen blicken, und eine «Hilfe» finden, «die entspricht», das heißt gleich und gegenseitig. Die Liebe zwischen Mann und Frau lehrt uns, dass jeder von beiden den anderen braucht, um er selbst zu sein, auch wenn er sich in seiner Identität vom anderen unterscheidet. Diese Liebe öffnet und offenbart sich in der gegenseitigen Hingabe. Das bringt das Hohelied der Liebe auf beeindruckende Weise zum Ausdruck. «Der Geliebte ist mein und ich bin sein.» (Hoheslied 2,16).

Der Weg, damit diese Begegnung authentisch ist, beginnt mit der Verlobung, einer Zeit der Erwartung und Vorbereitung. Sie verwirklicht sich in der Fülle des Sakraments, wo Gott sein Siegel aufprägt, seine Gegenwart und seine Gnade. Dieser Weg kennt auch die Sexualität, die Zärtlichkeit, die Schönheit, die auch über die Rüstigkeit und jugendliche Frische hinausgehen. Die Liebe neigt aufgrund ihrer Natur dazu, für immer zu sein, bis zur Hingabe des eigenen Lebens für die Person, die man liebt (vgl. Joh 15,13). In diesem Licht bleibt die eheliche Liebe einzig und unauflöslich, trotz aller Schwierigkeiten der menschlichen Begrenztheit; es ist eines der schönsten Geheimnisse, auch wenn es das geläufigste ist.

Während dieses Weges, der manchmal ein Höhenweg mit Schwierigkeiten und Stürzen ist, hat man stets die Gegenwart und Begleitung Gottes.
Die Familie erfährt dies in der Zuneigung und im Dialog zwischen Ehemann und Ehefrau, unter Eltern und Kindern, unter Brüdern und Schwestern. Dann lebt sie es im gemeinsamen Hören von Gottes Wort und im gemeinsamen Gebet; eine kleine geistliche Oase, die man täglich für einige Augenblicke schaffen sollte. Schließlich gibt es die tägliche Pflicht der Erziehung zum Glauben und zum guten und schönen Leben des Evangeliums, zur Heiligkeit. Diese Aufgabe wird oft mit großer Liebe und Hingabe von der Großmutter und dem Großvater geteilt und ausgeübt. So zeigt sich die Familie als authentische Hauskirche, die sich auf die Familie der Familien, die Gemeinschaft der Kirche ausweitet. Die christlichen Eheleute sind schließlich berufen, Lehrer im Glauben und in der Liebe auch für andere jungen Paare zu sein.

Es gibt schließlich einen anderen Ausdruck der brüderlichen Gemeinschaft und das ist jener der Nächstenliebe, der Gabe, der Nähe zu den Letzten, den Ausgestoßenen, den Armen, den Alleinstehenden, den Kranken, den Fremden, den Familien in der Krise, im Bewusstsein der Worte des Herrn: «Geben ist seliger als nehmen» (Apg 20,35). Es ist das Geschenk von Gütern, der Wegbegleitung, der Liebe und der Barmherzigkeit, und auch des Zeugnisses der Wahrheit, des Lichts und des Lebenssinns.

Der Höhepunkt, der alle Gotteskinder sammelt und zusammenführt in der Gemeinschaft mit Gott und dem Nächsten ist die sonntägliche Eucharistie, wenn sich die Familie mit der ganzen Kirche an den Tisch des Herrn setzt. Er gibt sich uns allen, die wir in der Geschichte auf der Pilgerfahrt zur endgültigen Begegnung sind, «Christus ist alles und in allen.» (Kol 3,11). Deshalb haben wir auf der ersten Etappe unseres synodalen Weges über die seelsorgerische Begleitung und die Sakramentenzulassung der wiederverheirateten Geschiedenen nachgedacht.

Wir Synodenväter bitten euch, gemeinsam mit uns auf die kommende Synode zuzugehen. Über euch wache die Gegenwart der Familie Jesu, Maria und Joseph in ihrem schlichten Haus. Auch wir schließen uns der Familie von Nazareth an, und bitten den Vater aller für die Familien auf Erden.

Vater, gib allen Familien die Gegenwart von starken und klugen Eheleuten, damit sie zur Quelle freier und geeinter Familien werden.

Vater, gibt den Eltern ein Haus, wo sie in Frieden mit ihrer Familie leben können.

Vater, lasse die Söhne und Töchter Zeichen des Vertrauens und der Hoffnung sein und gib den jungen Menschen den Mut für eine feste und treue Verbindung. Vater, gib allen, dass sie das Brot mit ihrer eigenen Hände Arbeit verdienen können, dass sie den inneren Frieden genießen und die Fackel des Glaubens im Dunkel der Zeit lebendig halten.


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