Paul VI. hat Anbiederungen an den Zeitgeist eine klare Absage erteilt

22. Oktober 2014 in Kommentar


Bei aller Rücksicht auf pastorale Anforderungen muss die Frage erlaubt sein, warum man kirchliche Randgruppen hofiert und gleichzeitig kirchentreue Gläubige verunsichert. Ein Kommentar von Johannes Graf zur Synode und zur Seligsprechung von Paul VI.


Vatikan (kath.net/jg)
Im Rahmen der heiligen Messe, mit der die außerordentliche Bischofssynode zur Familie vor wenigen Tagen zu Ende gegangen ist, hat Papst Franziskus seinen Vorgänger Paul VI. selig gesprochen. Zwischen den beiden Ereignissen besteht nicht nur aufgrund der Enzyklika Humanae vitae ein Zusammenhang, in welcher Paul VI. die Weitergabe des Lebens, eingebettet in eine Gesamtschau des Menschen, entfaltet hat.

Das Thema des Synode lautet vollständig: „Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung“ Im Mittelpunkt stehen also pastorale Fragen hinsichtlich der Familie, welche sich im Zuge der Evangelisierung ergeben. Es lohnt sich, darauf hinzuweisen, denn dieser Aspekt ist – so scheint mir – in den Debatten um die Synode ein wenig in den Hintergrund getreten.

Den „Bruch zwischen Evangelium und Kultur“ hat Paul VI. bereits 1975 als „das Drama unserer Zeitepoche“ bezeichnet. (Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 20) Die Evangelisierung habe sich daher auch an jene zu richten, „die zwar getauft sind, aber gänzlich außerhalb eines christlichen Lebensraumes stehen.“ (EN 52) Sie richtet sich an Menschen, die bisher wenig Kontakt mit dem Glauben und der vollständigen Lehre der Kirche gehabt haben. Darunter sind nicht wenige, die in Beziehungen leben, die nicht im Einklang mit der kirchlichen Lehre stehen.

Pastorale Herausforderungen gibt es genügend, nicht nur für Bischöfe und Priester. Auch und gerade an uns Laienchristen kommen Anfragen aus einer Gesellschaft, die wenig Verständnis für die katholische Auffassung von Ehe, Sexualität und Familie hat. „Habt Ihr wirklich bis zur Ehe gewartet?“ „Nehmt Ihr keine Verhütungsmittel?“ „Was tust Du, wenn eines Deiner Kinder homosexuell ist?“ „Machst Du wirklich alles, was die Kirche von Dir verlangt?“ Hier sind gute Antworten verlangt, die auch für Menschen nachvollziehbar sind, die bisher wenig mit dem Glauben zu tun gehabt haben. In unserer Zeit hat das persönliche Zeugnis einzelner oft mehr Gewicht als aufwändige Studien von Experten. Das authentische Auftreten einer Person wirkt oft glaubwürdiger als die nicht selten ideologielastig durchgeführten Befragungen. Letzteres gilt besonders im Bereich Ehe und Familie, in dem sich eine der wesentlichen gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen der Gegenwart abspielt. Diese wirkt natürlich auch in die Kirche hinein.

Jede Epoche der Kirchengeschichte kennt die Versuchung, die Lehre oder zumindest die pastorale Praxis an die jeweils aktuelle kulturelle Strömung anzupassen. Das gilt auch für die zu Ende gegangene außerordentliche Synode zur Familie. Die Öffentlichkeit ist in einem bisher nicht gekannten Ausmaß laufend und mehr oder weniger korrekt über die Diskussionen der Bischöfe informiert worden, wodurch die Frontstellungen deutlich sichtbar wurden. Paul VI. hat allen Anbiederungen an den Zeitgeist eine klare Absage erteilt. Für die Kirche gehe es darum, „daß durch die Kraft des Evangeliums die Urteilskriterien, die bestimmenden Werte, die Interessenpunkte, die Denkgewohnheiten, die Quellen der Inspiration und die Lebensmodelle der Menschheit, die zum Wort Gottes und zum Heilsplan im Gegensatz stehen, umgewandelt werden.“ (EN 19)

Die Aufgabe der Kirche besteht darin, die Menschen zu Gott zu führen, weil dieser „das Heil einem jeden Menschen“ angeboten hat. (EN 27) Das Gute, das es in ungeordneten Beziehungen gibt, kann hier ein Anknüpfungspunkt für die Evangelisierung sein. Verlässlichkeit, Treue, Geborgenheit, Verständnis, Ehrlichkeit, gegenseitige Unterstützung und Hilfeleistung sind selbstverständlich auch dort zu finden. Aber man darf hier nicht stehen bleiben. Es muss klar bleiben, was Sünde ist. Gott hat seine Gebote nicht willkürlich erlassen, sondern weil sie den Menschen zum Heil führen, das in der Gemeinschaft mit ihm besteht. In der Evangelisation braucht es viel Verständnis und Fingerspitzengefühl, wenn man es mit Menschen in irregulären Verhältnissen zu tun hat.

Etliche Wortmeldungen vor und während der Synode haben leider falsche Erwartungen ausgelöst und – besonders in der medialen Öffentlichkeit – zu einer Verengung des Blicks auf die Versammlung geführt. Mit Hinweis auf die positiven Aspekte einer irregulären Beziehung und Schlagworten wie „Barmherzigkeit“ und „Weiterentwicklung der Lehre“ haben einige Synodenteilnehmer mehr oder weniger subtil versucht, in Richtung einer kirchlichen Akzeptanz für eine zweite zivilrechtliche Ehe oder gar eine homosexuelle Partnerschaft zu wirken.

Bei aller Rücksicht auf pastorale Anforderungen muss die Frage erlaubt sein, warum man hier kirchliche Randgruppen hofiert und gleichzeitig kirchentreue Gläubige verunsichert. Und weiter: Wie muss es angesichts dieser Vorstöße den Menschen gehen, die in irregulären Verhältnissen leben, aber sich nach Kräften bemühen, die Gebote zu befolgen? Die in einer zweiten Ehe enthaltsam leben oder, wenn es ihnen nicht gelingt, aus Ehrfurcht vor dem Sakrament auf den Empfang der Eucharistie verzichten? Sollte es den Synodenvätern nicht ein echtes Anliegen sein, das vorbildliche Verhalten dieser Menschen öffentlich zu würdigen? Wäre das nicht gleichzeitig ein fruchtbarer pastoraler Ansatz für die Evangelisierung? Wäre es nicht viel sinnvoller, bei der Suche nach Antworten auf die pastoralen Herausforderungen für die Familie hier anzusetzen und nicht zu versuchen, die bestehende Lehre aufzuweichen und zu relativieren?

Die außerordentliche Synode hat keine Beschlüsse gefasst, sondern die ordentliche Synode vorbereitet, die im Oktober 2015 stattfinden wird. Das sind 40 Jahre nach der Veröffentlichung von Evangelii nuntiandi. Bitten wir den seligen Papst Paul VI. um seine Fürsprache für die Synodenväter.

Johannes Graf ist Chefkommentator der kath.net-Redaktion


Kurzporträt von Papst Paul VI. - englische Untertitel



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