'Das Werk': Begriff 'Missbrauch' bei Vorwürfen ungerechtfertigt

11. November 2014 in Österreich


Sprecher der Gemeinschaft, Gantioler: Beschuldigter Priester gestand intime Beziehung ein, Justiz stellte Verfahren jedoch ein - Gantioler reagierte auf Medienberichte vom Wochenende, bei deren Darstellungen es zu "Missverständnissen" gekommen sei.


Feldkirch (kath.net/KAP/red) Im Fall der Vorwürfe gegen einen Priester der katholischen Gemeinschaft "Das Werk" hat der Sprecher des Ordens den "juristischen Begriff des Missbrauchs" zurückgewiesen. Die von einem ehemaligen Mitglied der Gemeinschaft zur Anzeige gebrachten Vorfälle seien von der Staatsanwaltschaft sowohl in Deutschland als auch in Österreich als einvernehmliche Handlung bezeichnet und das Verfahren eingestellt worden, betonte der Regionalobere der Gemeinschaft, Pater Georg Gantioler, am Montag gegenüber "Kathpress". Gegenüber der Leitung der Gemeinschaft habe der beschuldigte Priester seine Untreue zum Keuschheitsversprechen eingestanden.

Gantioler reagierte in seiner Stellungnahme auf Medienberichte vom Wochenende, bei deren Darstellungen es zu "Missverständnissen" gekommen sei. So seien etwa in einem Interview für das ORF-Magazins "Orientierung", das durchaus um faire Darstellung der Vorwürfe und der Sicht der Gemeinschaft bemüht gewesen sei und dessen Inhalte in Folge von verschiedenen Medien aufgegriffen wurden, mehrere seiner Aussagen aus dem Kontext genommen worden. Dies lasse falsche Rückschlüsse zu, so der Regionalobere.

So habe er etwa nicht behauptet, Verletzung des Briefgeheimnisses oder gar Missbrauch seien "Entwicklungsschritte" für die Gemeinschaft gewesen, betonte Gantioler. Vielmehr habe sich dieser Begriff auf die Frage bezogen, ob ständige Trennung von äußerer Leitung und innerer Begleitung stets gewährleistet gewesen sei. Von "abgefangenen" Briefen sei im Interview nicht die Rede gewesen. Hintergrund sind Vorwürfe gegen das "Werk", die ein ehemaliges Mitglied, die heute 30-jährige Doris Wagner, in einem Buch veröffentlicht hat. Sie sei kontrolliert, manipuliert, unter Druck gesetzt und von einem Priester der Gemeinschaft sexuell missbraucht worden, so Wagner, die das "Werk" 2011 nach acht Jahren verließ. Auch wenn der Name der Gemeinschaft im Buch nicht explizit erwähnt wurde, könne man laut einer Stellungnahme Gantiolers vom Samstag aus dem Kontext leicht auf "Das Werk" rückschließen.

Der betroffene Priester habe laut dem Regionalverantwortlichen nach den Beschuldigungen "fachliche Hilfe" für seinen "Neubeginn" erhalten und sei nach einigen Monaten eines anderen Dienstes in eine andere Niederlassung der Gemeinschaft versetzt, wo er nun hauptsächlich "interne Aufgaben" erfülle.

Gantioler hatte am Samstag in einer schriftlichen Stellungnahme erklärt, dass die für Orden und geistliche Gemeinschaften zuständige Kongregation in Rom aufgrund der im Buch geschilderten Vorwürfe 2013 eine "Apostolischen Visitation" angeordnet habe. Die Durchführung der Visitation bestätigte am Montag Vatikan-Sprecher Federico Lombardi gegenüber der Austria Presseagentur (APA). Visitationen seien "eine normale Aktivität der Kongregation", so der Vatikan-Sprecher, der nicht ausschloss, dass bei der Visite beim "Werk" auch das Thema vorliegenden Vorwürfe angesprochen worden sei.

Diözese wartet mit Äußerung

Keinen Kommentar wollte vorerst der Vorarlberger Bischof Benno Elbs, in dessen Diözese die Gemeinschaft "Das Werk" beheimatet ist, zu dem Fall abgeben. Man warte auf den Abschlussbericht der Apostolischen Visitation, erklärte die Pressestelle der Diözese Feldkirch am Montag gegenüber der APA.

"Das Werk" ist eine 1938 gegründete katholische Gemeinschaft mit einem Männer- und einem Frauenzweig, die seit 2001 vom Vatikan approbiert und als "Familie gottgeweihten Lebens" anerkannt wurde. Ihr Hauptsitz ist seit 1978 das Bregenzer Kloster Thalbach.

kath.net dokumentiert die Stellungnahme der Gemeinschaft „Das Werk“ in voller Länge:

„Im ORF-Magazin „Orientierung“ am Sonntag, dem 9. November 2014, wurden Vorwürfe von zwei ehemaligen Mitgliedern der geistlichen Familie „Das Werk“ erhoben und kam der Sprecher der Gemeinschaft, P. Georg Gantioler, zu Wort. Kathpress und verschiedene andere Medien haben eine Zusammenfassung der Sendung veröffentlicht.

Es wird nicht in Frage gestellt, dass der Beitrag in Orientierung bemüht war, eine faire Darstellung der Vorwürfe und der Stellungnahme des „Werkes“ zu bringen. Wir möchte dazu aber folgende ergänzende Klarstellung abgeben:

In den Aussagen von P. Gantioler waren einzelne Fragen und Antworten aus dem Kontext genommen:

• Die Aussage über Fehler und Entwicklungsschritte in der Gemeinschaft bezog sich auf die Frage, ob in unserer Gemeinschaft die Trennung von äußere Leitung und innerer Begleitung immer gewährleistet war. In diesem Zusammenhang hat P. Gantioler von „Entwicklungsschritten“ gesprochen. Im Interview wird durch den Schnitt aber suggeriert, er würde behaupten, dass Verletzung des Briefgeheimnisses oder gar Missbrauch „Entwicklungsschritte“ waren, was er nie behauptet hatte oder behaupten wollte.

• P. Gantioler sprach im Interview nicht davon, dass Briefe „abgefangen“ wurden.

• Die bei einer deutschen und österreichischen Staatsanwaltschaft eingebrachte Anzeige gegen einen Priester der Gemeinschaft wegen Vergewaltigung wurde eingehend geprüft. Die beiden Staatsanwaltschaften haben die Anschuldigung zurückgewiesen, die Glaubwürdigkeit einer einvernehmlichen Handlung bestätigt und das Verfahren eingestellt. Der beschuldigte Priester hat gegenüber der Leitung der Gemeinschaft reumütig seine Untreue zum Keuschheitsversprechen eingestanden, aber kein Bekenntnis eines „sexuellen Übergriffs“ gemacht. Er erhielt für seinen „Neubeginn“ fachliche Hilfe und wurde nach einigen Monaten eines anderen Dienstes in eine andere Niederlassung der Gemeinschaft versetzt, wo er vor allem interne Aufgaben erfüllt. Der juristische Begriff des Missbrauchs ist auf diesen Fall also nicht anzuwenden.

• Die Apostolische Visitation hatte nicht diesen Fall suggerierter sexueller Gewalt als Gegenstand. Dies wurde vom Visitator bereits zu Beginn der Visitation ausdrücklich gesagt.

Wir hoffen, durch diese Klärung Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Für uns ist die gegenwärtige Situation ein erneuter Anlass, entschieden dafür zu sorgen, dass wir jetzt und in Zukunft für Mitglieder und Außenstehende ein Klima zu schaffen vermögen, in welchem es keine Anlässe für solche Anschuldigungen gibt.“


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