Moskau: Kirche will auch ökonomische Abkoppelung vom Westen

15. November 2014 in Aktuelles


Patriarch Kyrill bei "Weltkongress des russischen Volkes" in Moskau: Russland soll sich keinem Druck von außen beugen - Experte warnt vor Ökumene-Kollateralschäden.


Moskau-Vatikanstadt (kath.net/ KAP)
Die russisch-orthodoxe Kirche befürwortet eine Abwendung der russischen Wirtschaft vom Westen und eine engere Kooperation mit den islamischen Staaten und mit China. Wie der römische Missions-Nachrichtendienst "AsiaNews" am Donnerstag berichtete, wurden entsprechende Vorschläge auf dem dieswöchigen Weltkongress des russischen Volkes in Moskau ausgebreitet. Der Leiter des Synod-Sekretariats für Kiche und Gesellschaft, Erzpriester Wsewolod Tschaplin, übte laut "AsiaNews" zudem scharfe Kritik an den "globalen Zentren mit feindlichem Einfluss", die auch Schuld an der rasanten Abwertung des Rubels gegenüber dem Dollar trügen.

Eröffnet worden war der Weltkongress des russischen Volkes, zu dem auch Vertreter der Russen aus Asien und EU-Staaten gekommen waren, vom Moskauer Patriarchen Kyrill I. Dieser rief die Russen angesichts der Sanktionen der EU und der USA zu Geschlossenheit auf. Kyrill I. warf in seiner Ansprache am Dienstag den Staaten, "die sich als Sieger des Kalten Krieges sehen", vor, den Weg der Menschheit diktieren zu wollen. Ihr Hauptziel sei eine "Konsumgesellschaft". Russland solle sich keinem Druck von außen beugen, so der Patriarch.

Angst vor Kollateralschäden

"Radio Vatikan" gegenüber warnte der in Uppsala (Schweden) tätige Jesuit P. Christoph Hermann unterdessen vor Kollateralschäden für die Ökumene durch den russisch-ukrainischen Konflikt. Der Krieg in der Ostukraine betreffe die ökumenischen Beziehungen und Gespräche nicht nur in der Region, sondern besonders auch in Ländern, die eine ähnliche Situation wie in der Ukraine befürchten. Dies gelte beispielsweise für das Baltikum und die skandinavischen Ländern, so Hermann.

Hermann sagte, es sei bedenklich, dass westeuropäische Staaten die Ukraine nicht mehr unterstützten. "Andererseits gibt es in der ukrainischen Bevölkerung eine Enttäuschung, weil sie sich sagt, dass sie für die Freiheit gekämpft hat und für all das, wofür Europa eigentlich steht. Doch diese europäischen Länder seien nicht bereit, die Ukrainer zu unterstützen, damit das Land in jene Sphäre der Freiheit und Würde hineinkommen kann."

Auf der Krim würden mittlerweile katholische Priester ausgewiesen bzw. erhielten von der russischen Führung dort keine Aufenthaltsbewilligung, so der Experte. Nicht-orthodoxe Geistliche würden in der Donbass-Region gezielt angegriffen und vertrieben. Dahinter stecke aber nicht ein religiöser Konflikt, so Hermann. Es gehe vielmehr darum, dass Russland eine Art "neue Sowjetunion" aufbauen wolle.

Kein Zurückdrehen möglich

Für Wladimir Putin werde es jedoch sehr schwer sein, "das Rad der Zeit zurückzudrehen", so der in Schweden lehrende Ökumene-Fachmann. Zwar hätten sich nach der Orangenen Revolution die Reformkräfte in der Ukraine nicht wirklich durchsetzen können, und auch die neuen Politiker seien korrupt bzw. in das alte System verwickelt gewesen. Hingegen sei es bei der Maidan-Revolution darum gegangen, "dass die Leute es einfach nicht mehr ertragen konnten, dass eine kleine Gruppe von Oligarchen in Überfluss lebt, während die Bevölkerung völlig arm ist". Deshalb habe es nun auch von Seiten der Kirchen Unterstützung gegeben.

Beim jetzigen Konflikt gehe es laut Hermann aber auch um russische innenpolitische Fragen, "und hier komme die Kirche ins Spiel". Ein bestimmter ideologischer Unterbau, der als "Russkij Mir" bezeichnet wird, werde von der russisch-orthodoxen Kirche mitgetragen. Autonomiebefürworter in der Ostukraine würden unterstützt, "wohingegen die Autonomiebewegung in Sibirien, die es jetzt dort gibt, sehr schnell unterbunden wurde. Es geht also darum, Russland zusammenzuhalten und die Grenzen und Interessenssphären zu verschieben", so der Jesuit.

Debatte um Kirchenhilfe für Separatisten

Der römisch-katholische Bischof Stanislaw Szyrokoradiuk OFM, zu dessen Diözese Charkiw-Saporischja beide Rebellengebiete gehören, beklagte in einem Pressegspräch vor kurzem die Unterstützung des Moskauer Patriarchats für die Separatisten. Szyrokoradiuk warf den Aufständischen die Diskriminierung der Minderheitenkirchen vor. Viele katholische Priester hätten in den vergangenen Monaten ihre Pfarren aus Sicherheitsgründen verlassen müssen. Einige seien von Separatisten verhaftet worden und erst nach tagelangen Bemühungen freigekommen. Es sei verlangt worden, so der Bischof, dass "wir sie loskaufen". Auch zahlreiche Gläubige flohen seinen Angaben zufolge in den Westen.

Verantwortlich für die "aggressive Okkupation" der Ostukraine sei der russische Staatspräsident Wladimir Putin. Szyrokoradiuk kritisierte, das Moskauer Patriarchat folge Putin "wie ein Sklave".

Ein Sprecher der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats relativierte am Donnerstag die Anschuldigungen. Priester hätten in "Einzelfällen" die prorussischen Kämpfer gesegnet, räumte er ein. Er betonte jedoch: "Die Kirche kann niemanden segnen, der in den Krieg zieht - sondern nur diejenigen, die sich verteidigen. Unser Oberhaupt Onufri ermahnt in jeder Predigt zum Frieden, nicht nach Schuldigen zu suchen, sondern nach Wegen aus dieser furchtbaren Krise."

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