Das Weinen Jesu, wenn die Kirche die Tür verschließt

20. November 2014 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: Die Zufriedenheit mit sich selbst – sie verschließt die Türen vor dem Besuch Jesu und lässt den nicht erkennen, der den Frieden bringt. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Wenn doch auch du erkannt hättest, was dir Frieden bringt!“. Jesus weint über Jerusalem. In seiner Predigt bei der heiligen Messe am Donnerstag der 33. Woche im Jahreskreis in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ betrachtete Papst Franziskus das Tagesevangelium (Lk 19,41-44).

Der Papst erklärte, dass der Herr aufgrund der Verschlossenheit des Herzens der auserwählten Stadt, des auserwählten Volkes weine: „Es hatte keine Zeit, um ihm die Tür zu öffnen! Es war zu sehr beschäftigt. Das Volk war zu zufrieden mit sich selbst. Und Jesus fährt fort, an die Türen zu klopfen, wie er an die Tür des Herzens Jerusalems geklopft hat: an die Türen seiner Brüder, seiner Schwestern. An unsere Türen, an die Türen unseres Herzens, an die Türen seiner Kirche. Jerusalem fühlte sich zufrieden, in Ruhe mit seinem Leben, und brauchte den Herrn nicht: es hatte nicht bemerkt, dass es des Heils bedurfte. Und aus diesem Grund hat es sein Herz vor dem Herrn verschlossen“. Das Weinen Jesu über Jerusalem „ist das Weinen über seine Kirche, heute, über uns“.

„Und warum hatte Jerusalem den Herrn nicht aufgenommen?“, fragte Franziskus: „Weil es mit dem, was es hatte, in Ruhe war, es wollte keine Probleme. Aber: ‚Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest – das sagt der Herr im Evangelium –, was dir Frieden bringt. Jetzt aber bleibt es vor deinen Augen verborgen’ (V. 42). Jerusalem hatte Angst, vom Herrn besucht zu werden. Es hatte Angst vor der Unentgeltlichkeit des Besuchs des Herrn. Es war sicher in den Dingen, die es bewältigen konnte. Wir sind sicher in den Dingen, die wir bewältigen können... Doch der Besuch des Herrn, seine Überraschungen – sie können wir nicht bewältigen“.

„Davor hatte Jerusalem Angst“, so der Papst weiter: „durch den Weg der Überraschungen des Herrn gerettet zu werden. Es hatte Angst vor dem Herrn, seinem Bräutigam, seinem Geliebten. Und so weint Jesus. Wenn der Herr sein Volk besucht, bringt er uns Freude, er bringt uns Umkehr. Und wir alle haben Angst, nicht so sehr vor der ‚Heiterkeit, nein, als vielmehr vor der Freude, die der Herr bringt, da wir sie nicht kontrollieren können. Wir haben Angst vor der Umkehr, denn umkehren bedeutet, es zuzulassen, dass der Herr uns führt“.

Jerusalem „war ruhig, zufrieden, der Tempel funktionierte. Die Priester brachten die Opfer dar, die Leute kamen als Pilger, die Gesetzeslehrer hatten alles geordnet, alles! Alles war klar! Alle Gebote – klar... Und mit all dem hatte Jerusalem seine Tür verschlossen“.

Das Kreuz, „der Preis der Ablehnung“, zeige uns die Liebe Jesu, das, was ihn auch heute – viele Male – zum Weinen über seine Kirche bringe:

„Ich frage mich: wir Christen von heute, die wir den Glauben kennen, den Katechismus, die wir jeden Sonntag zur Messe gehen, wir Christen, wir Hirten – sind wir zufrieden mit uns? Weil wir alles geordnet haben und keinen neuen Besuch des Herrn brauchen...? Und der Herr fährt fort, an die Tür zu klopfen, an die Tür eines jeden von uns und der Kirche, der Hirten der Kirche. Tja, die Tür unseres Herzens, der Kirche, der Hirten öffnet sich nicht: der Herr weint, auch heute. Denken wir an uns: wie stehen wir in diesem Augenblick vor Gott?“


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