Eine Papst-Hotline gegen sexuellen Missbrauch

30. November 2014 in Chronik


Die Beharrlichkeit aus Rom trägt in Spanien erste Früchte - Von Manuel Meyer (KNA).


Madrid (kath.net/ KNA)
Selten wurde in Spanien so offen und laut über Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche gesprochen. Nachdem Papst Franziskus persönlich zum Telefon griff, um sich bei einem heute 24-Jährigen zu entschuldigen, der nach eigenen Angaben als Messdiener von Geistlichen in Granada sexuell missbraucht worden war, hat sich viel geändert.

Der junge Mann hatte dem Papst einen fünf Seiten langen Brief geschrieben, in dem er die mutmaßlichen Täter beim Namen nannte. Schon im August antwortete der Papst telefonisch, um sich im Namen der Kirche zu entschuldigen. Er versprach, persönlich Kontakt mit der Erzdiözese aufzunehmen, um kircheninterne Ermittlungen einzuleiten.

Wochen später rief Franziskus offenbar ein zweites Mal bei dem jungen Mann an. Er soll unzufrieden mit der Reaktion der Erzdiözese gewesen sein. Spanische Medien berichteten, diese habe zwar vorsorglich die drei hauptverdächtigen Priester von ihren Aufgaben entbunden, aber zahlreiche Mitwisser aus dem sogenannten Clan der Romanones, einer als sektenähnlich beschriebenen Gruppe von Geistlichen, verschont. Laut der katholischen Online-Zeitung „Religion Digital“, die den Fall bekanntmachte, ermutigte der Papst den Mann sogar, Anzeige bei der Polizei zu erstatten.

Zudem scheint sich Franziskus erneut mit dem Erzbischof von Granada, Francisco Javier Martinez, in Verbindung gesetzt zu haben. Wenige Tage später warf dieser sich in der Sonntagsmesse in der Kathedrale in einer Demutsgeste für mehrere Minuten vor dem Altar zu Boden und bat um Vergebung. In dieser Woche nun bestätigte Franziskus selbst, er habe den Bischof aufgefordert, sofort mit der Untersuchung zu beginnen: „Die Affäre verursacht großen Schmerz. Aber wir dürfen die Wahrheit nicht verstecken“, so der Papst. An diesem Sonntag nun soll Martinez vor der Glaubenskongregation im Vatikan erscheinen.

Auch die Spanische Bischofskonferenz reagierte ungewohnt offensiv. „Null Toleranz gegen Kindesmissbrauch“, stellte Sprecher Jose Maria Gil Tamayo vor der Presse klar. Er versicherte, die Bischofskonferenz habe erst aus den Medien von dem Fall erfahren, und forderte „Gerechtigkeit für die Opfer“. Man biete der Justiz eine „umfassende Zusammenarbeit“ zur Klärung der Vorfälle in Granada an. Mittlerweile hat auch ein zweiter früherer Ministrant Anzeige erstattet.

„Normalerweise versucht die Kirche, solche Probleme intern zu lösen, ohne Öffentlichkeit oder gar ohne die Justiz einzuschalten“, sagt der Sprecher der Organisation „Kollektiv für eine Kirche ohne Missbrauch“, Carlos Sanchez Mato. Dennoch hofft er darauf, dass der mediale Druck und vor allem das Beharren des Papstes nun ein „Nachdenken“ unter den spanischen Bischöfen auslöst.

In den vergangenen Jahren gab es in Spanien wiederholt Enthüllungen über sexuellen Missbrauch durch katholische Geistliche. Seit 2010 untersucht der Vatikan in Spanien 14 solcher Vorwürfe. Drei Priester sitzen bereits im Gefängnis. Mit dem Fall in Granada ist die Aufmerksamkeit der Medien und der Öffentlichkeit allerdings enorm gestiegen.

In dieser Woche erregte ein weiterer Fall die Gemüter. Mitte des Monats hatte der Papst den Amtsverzicht des erst 69-jährigen Erzbischofs von Saragossa, Manuel Urena Pastor, angenommen. Der offizielle Paragraf des Kirchenrechts für einen vorzeitigen Rücktritt lautet auf „gesundheitliche oder andere schwerwiegende Gründe“. Allerdings deutet einiges auf einen Druck aus Rom hin. Die katholische Wochenzeitung „Vida Nueva“ berichtete, Vatikan-Untersuchungen hätten ergeben, dass die Erzdiözese einem ehemaligen Diakon ungewöhnlich hohe Gehaltszahlungen überwiesen habe.

Insgesamt 105.000 Euro soll er auf diese Weise erhalten haben – als eine Art Schweigegeld, damit er nicht mit sexuellen Bedrängungen eines Priesters an die Öffentlichkeit gehe oder sogar Anzeige erstatte. Bei dem betreffenden Geistlichen soll es sich um einen engen Freund des Erzbischofs handeln.

„Der Fall in Saragossa ist ein gutes Zeichen“, sagte der Theologe Evaristo Villar, Sprecher des „Christlichen Netzwerks“, einer Vereinigung von 150 katholischen Basisgruppen in Spanien, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Denn durch solche Untersuchungen wird vielen Klerikern klar, dass sie auch in Spanien nicht mehr einfach Missbrauchsfälle anderer Priester vertuschen oder decken können.“

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